# taz.de -- Gutachten zur Erbschaftsteuer: Ungerecht und frauenfeindlich
       
       > Von Steuerprivilegien für Unternehmenserbschaften profitieren vor allem
       > Reiche und Männer. Die Grünen haben durchrechnen lassen, wie es gerechter
       > wird.
       
 (IMG) Bild: Die Erbschaftsteuer ist ungerecht, in jeder Hinsicht. Und die Idee von Jens Spahn – zehn Prozent auf alles – bringt weniger Geld
       
       taz | Die Streichung von Privilegien für Unternehmenserb:innen könnte
       zu Steuermehreinnahmen von fast 8 Milliarden Euro pro Jahr führen und
       bestehende Ungerechtigkeiten auch zwischen den Geschlechtern abmildern. Das
       geht aus einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung
       (DIW) im Auftrag der Grünen Bundestagsfraktion hervor, die am Freitag
       offiziell veröffentlicht wird. Der taz liegt das Gutachten vor, zuerst
       hatte das Handelsblatt berichtet.
       
       Bekannt ist, [1][dass Vermögen in Deutschland sehr ungleich verteilt ist],
       was durch das bestehende Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht verstärkt
       wird. „Die reichsten 1 Prozent in Deutschland haben insgesamt mehr Vermögen
       als 90 Prozent der restlichen Menschen in unserem Land“, so die
       finanzpolitische Sprecherin der Grünen Katharina Beck zur taz. Erbschaften
       und Schenkungen verstetigten die in Deutschland besonders hohe
       Konzentration von Vermögen in den Händen weniger. Mit dem Gutachten wolle
       man einen Beitrag zur Debatte über [2][die Reform der Erbschaftsteuer]
       leisten.
       
       Laut DIW-Gutachten wurde von 2009 bis 2024 mehr als eine halbe Billion Euro
       Unternehmensvermögen (510 Milliarden) steuerfrei übertragen – der größte
       Teil (443 Milliarden) durch Schenkungen. Begünstigte müssten unter
       bestimmten Voraussetzungen keine Erbschaft- und Schenkungsteuer zahlen,
       etwa wenn sie sich verpflichten, Standort und Arbeitsplätze zu sichern.
       Aber auch wenn sie nachweisen können, dass sie die Steuerschuld nicht aus
       ihrem Privatvermögen zahlen können.
       
       Infolge dieser „Verschonungsbedarfsprüfung“ sind dem Staat laut DIW seit
       2021 über 7,4 Milliarden Euro entgangen. Zudem betrafen die
       Steuervergünstigungen vor allem große Vermögen, die Erbschaftsteuer werde
       vor dagegen von den „armen Reichen“ gezahlt, „bei denen größere
       Steuergestaltungen nicht möglich sind oder sich nicht lohnen“.
       
       ## Unternehmenserben oft männlich
       
       Benachteiligt sind auch Frauen. So zahlen mehr Frauen als Männer Erbschaft-
       und Schenkungsteuer, wohl vor allem deshalb, weil sie länger leben.
       Gleichzeitig profitieren sie weniger von den bestehenden Ausnahmen, denn
       Unternehmen werden oft an männliche Nachfolger übergeben.
       
       Und je größer das Vermögen, umso krasser die Ungleichheit. Darauf wies
       bereits Julia Jirmann in einem Gutachten für das Netzwerk
       Steuergerechtigkeit hin, welches auch in der DIW-Studie aufgegriffen wird.
       Bei Erwerben von über 20 Millionen Euro war in den vergangenen Jahren nur
       in knapp 40 Prozent eine Frau die Begünstigte, ab 250 Millionen Euro
       Betriebsvermögen sank der Anteil der weiblichen Profiteure auf ein Drittel.
       
       Würde man die aktuellen Verschonungsregeln abschaffen, würde dies Männer
       also härter treffen als Frauen – ihre Steuerbelastung stiege um 7,6
       Prozent, die der Frauen hingegen nur um knapp 5 Prozent. „Eine gerechtere
       Erbschaftsteuer ist daher auch eine Frage der Gleichstellung“, meint Beck.
       
       Ziel der Grünen sei es, die Erbschaftsteuer einfacher und gerechter zu
       machen, sagt die Finanzexpertin. Die Fraktion hat vom DIW daher
       durchrechnen lassen, welche Wirkung verschiedene Vorschläge aus dem
       politischen Raum zur Reform der Erbschaftsteuer – von der Flat Tax über
       Stundungsregeln bis zu unterschiedlichen hohen Tarifen und
       Lebensfreibeträgen – auf die Verteilung der Steuerlast und das gesamte
       Steueraufkommen haben. Es geht also nicht darum, einfach nur Privilegien zu
       streichen – davor warnt auch das DIW, weil es
       Familienunternehmer:innen erheblich belasten könne.
       
       ## Flat Tax verschärft Ungleichheit
       
       Das Ergebnis der Analyse zeigt, dass die zurzeit diskutierten politischen
       Vorschläge zur Reform der Erbschaftsteuer nicht per se zu mehr
       Gerechtigkeit führen. So würde eine einheitliche Steuer von 10 Prozent,
       eine Flat Tax, wie sie Unionsfraktionschef Jens Spahn angeregt hatte, zu
       erheblich niedrigeren Erbschaftssteuereinnahmen (-4,4 Milliarden Euro)
       führen.
       
       Aber auch die Möglichkeit, dass jede und jeder einmal im Leben eine Million
       Euro steuerfrei erben kann (Lebensfreibetrag), wie [3][SPD-Generalsekretär
       Tim Klüssendorf] angeregt hatte, würde das Steueraufkommen und die Anzahl
       der Steuerzahler:innen erheblich reduzieren.
       
       6 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Gesamtvermoegen-der-EU-Milliardaere-steigt-Wo-bleibt-die-Vermoegenssteuer/!6118849
 (DIR) [2] /Vorschlaege-fuer-Abgaben/!6113067
 (DIR) [3] /SPD-Politiker-zur-Vermoegensabgabe/!5873313
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Lehmann
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Erbschaftssteuer
 (DIR) Unternehmen
 (DIR) Bündnis 90/Die Grünen
 (DIR) GNS
 (DIR) soziale Ungleichheit
 (DIR) Erbschaftssteuer
 (DIR) Erbschaftssteuer
 (DIR) Erbschaftssteuer
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Komplexe Forschung verständlich erklären: „Wer am Tag 18 Stunden arbeitet, hat keine Zeit für Forschung“
       
       Medizinforschung steht heute stark im Wettbewerb – auch mit Bereichen wie
       Rüstung. Damit müssen wir als Gesellschaft umgehen, sagt Philip Rosenstiel.
       
 (DIR) Erbschaftssteuer: Die Erben zur Kasse bitte!
       
       Unternehmenserben in den Haushalt zahlen zu lassen, ist überfällig. Dabei
       gilt, den Leistungsanreiz hochzuhalten, wenn Subventionen abgebaut werden.
       
 (DIR) Diskussion um Erbschaftssteuer: Vermögen zu besteuern ist jetzt Sache der Union
       
       In der CDU ist eine Debatte um die Erbschaftssteuer aufgekeimt. Die SPD
       sollte deshalb nicht zu viel Druck ausüben – es wäre kontraproduktiv.
       
 (DIR) SPD-Politiker machen soziale Vorschläge: Weniger Extrawürste für Millionenerben
       
       Wer viel erbt, zahlt kaum Steuern. Führende SPDler wollen jetzt, dass
       Millionenerben gerechter besteuert werden.