# taz.de -- Eine deutsche Oper: ’ne flotte Runde in der Geisterbahn
> Sebastian Baumgarten inszeniert in Bremen Richard Wagners Gruseloper „Der
> Fliegende Holländer“ mit Spaß am Jahrmarktgrauen.
(IMG) Bild: Die Zombie-Besatzung sorgt für Ordnung, Holländer Carsten Wittmoser singt deutsch ins Meer.
Die Gewalt ist schon da, bevor’s spukt: Vor lauter Freude über ihre
Heimkehr knipst Dalands Mannschaft den inneren Zensor aus, das fidele
Marschlied [1][„Steuermann lass die Wacht!]“ auf den Lippen. Das ist der
größte Hit aus Richard Wagners Fliegendem Holländer und bei der Bremer
Premiere von Sebastian Baumgartens Inszenierung lassen dazu die
norwegischen Seemänner ihren Aggressionen freien Lauf.
Sie toben sie am Stellvertreter des Kapitäns aus, das Lied wird immer
fröhlicher, „Jollohohe!“. Sie drängen den Steuermann vom Sitz, „her zu
uns!“, zum Saufen, „trink mit uns!“, dann reißt der Chor Christian-Andreas
Engelhardt zu Boden. Er kriegt den ersten Tritt an den Kopf, „Hussassahe!“,
einen vor die Brust, „Hallohe!“, und volle Suppe in die Weichteile:
„Hussahe!“. [2][Dreiklang in C].
Dabei hatte er sich gerade so schön frei gesungen. Naja. Wenig später räumt
hier ohnehin die Zombie-Besatzung vom Holländer auf. Sie verbeißt sich in
die Leiche und wird die kecken Norweger erschrecken – bis die endlich,
librettokonform, [3][schweigen]: dann Benzin drüber. Verbrannte Erde. Der
wahre Horror.
Ja, jede Männer-Ansammlung ist unheimlich. Vor allem, wenn sie deutsch
singt, wie alle bei Wagner. Den deutschen Militarismus hört Baumgarten hier
tönen. Dessen Lebende aber sind so unheimlich, wie seine Untoten, die
einmal alle sieben Jahre eine Küste heimsuchen.
Denn das dürfen sie, das ist die Konzession des Teufels an den Kapitän, der
„bis zum Jüngsten Tage auf dem Meere herumirren“ muss, „es sei denn, dass
er durch die Treue eines Weibes erlöst werde“, so hatte Heinrich Heine 1834
die neuzeitliche Mythe vom „Ewigen Juden des Ozeans“ [4][berichtet]. Wagner
hat von Heines Story den eleganten Spott weggeschält, um sich ganz den
Gespenstern hinzugeben und dem Pathos, das so ungebrochen sonst wohl nur
auf dem Jahrmarkt existiert.
Dort, in dessen pastichierter Welt, ist nichts seriös und darum alles
bitterernst, das Erlösungsgetös, das Grauen – und die Erdenschwere des zu
ewigem Leben verdammten Körpers, bis ihn die, oh!, so mitleidsinnig mit dem
lustvoll tönenden Orchester verschmelzende Patricia Andress als Senta zu
Tode erlöst.
Denn längst ist ja dem Titelhelden sein Leib ein bloßer Sarg aus Fleisch
gewesen. Der verwest. In an einige Stellen aufplatzende Fat Suits haben
Jana Findeklee und Joki Tewes den Holländer, also Carsten Wittmoser, und
seine Crew gesteckt. Die wandelt und windet sich durch den von Thilo
Reuther gebauten haltlos-schrägen Raum, den, eine Fantasmagorie in
gedeckten Farben, schwarz-weiße Videos flackernd durchleuchten.
Sehr con brio, und doch nuanciert, treibt Dirigent Markus Poschner den
Laden in den ersehnten Untergang, [5][zwei Stunden fünfzehn], ’ne flotte
Runde in der Geisterbahn, inklusive Trost und Rettung vom Schrecken. Doch
der kommt wieder, keine Frage.
17 Sep 2013
## LINKS
(DIR) [1] http://www.youtube.com/watch?v=8xfC_xjnlJo
(DIR) [2] http://imslp.org/wiki/Der_fliegende_Holl%C3%A4nder,_WWV_63_(Wagner,_Richard)
(DIR) [3] http://www.richard-wagner-werkstatt.com/texte/?W=Hollaender/
(DIR) [4] http://www.zeno.org/Literatur/M/Heine,+Heinrich/Erz%C3%A4hlprosa/Aus+den+Memoiren+des+Herren+von+Schnabelewopski/Kapitel+7
(DIR) [5] http://www.theaterbremen.de/de_DE/kalender/der-fliegende-hollaender.11575341#termine
## AUTOREN
(DIR) Benno Schirrmeister
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