# taz.de -- Ehrung für Rio Reiser: König von Kreuzberg
       
       > Kreuzberg bekommt einen Rio-Reiser-Platz. Jetzt geht es darum, die
       > Erinnerung an diesen anarchisch-protoqueeren Geist mit Leben zu füllen.
       
 (IMG) Bild: Rio I.
       
       Schon mal am Beatles-Platz in Hamburg gewesen? Ich bin an den dort
       installierten Skulpturen der Fab Four (beziehungsweise Five) meist
       vorbeigelaufen. Für mich ist dies eines der abschreckendsten Beispiele, wie
       man Musealisierung von Pop im öffentlichen Raum betreiben kann: Als
       Selfie-Kulisse, als Touristendurchlauferhitzer, als Futter für
       Instagrammer. Jedes abgewetzte „White Album“ auf dem Flohmarkt hat mehr
       Seele.
       
       Wenn nun der Heinrichplatz nach Rio Reiser benannt wird, wie die
       Bezirksverordnetenversammlung (BVV) es am Mittwochabend [1][final
       beschlossen] hat, ist das erst mal eine tolle Nachricht. Denn Rio hat es
       allemal verdient, erinnert zu werden, auch von den jüngeren Generationen.
       Als Stimme des Aufbegehrens, als humanistische Stimme, als naiv-fragende
       Stimme, die die eines Künstlers sein darf, sein muss. Songs wie „Der Traum
       ist aus“, „Der Rauch-Haus-Song“ oder „Macht kaputt, was euch kaputt macht“
       erzählen ein Stück bundesdeutsche Emanzipationsgeschichte,
       Stadtteilgeschichte sowieso.
       
       Und dass als Namensgeber des Platzes an die Stelle eines Generals
       (Friedrich Heinrich Karl von Preußen) ein anarchisch-protoqueerer Geist
       tritt, ist eine feine Volte. Gut also, dass die BVV sich die Ausnahme
       erlaubt hat, den Platz nach einem Mann statt einer Frau zu benennen – wie
       es die eigentlich sinnvolle Quote vorgesehen hätte.
       
       Doch entscheidend wird sein, wie der Platz nun mit Leben gefüllt wird.
       Angedacht ist, dort eine an den Sänger erinnernde visuelle oder
       audiovisuelle Installation zu errichten. Wenn sie einem das Werk Reisers
       wirklich näher bringt und Musikgeschichte erzählt – und bitte jenseits von
       „König von Deutschland“ und Hausbesetzer-Mythisierung –, kann das eine gute
       Sache sein. Nur nichts Denkmalmäßiges, das widerspräche so ziemlich allem,
       wofür Rio Reiser stand. Nostalgie gibt es in Berlin und Kreuzberg nun
       wirklich genug, bloß nicht noch mehr davon!
       
       Der neue Name des Platzes sollte, im Gegenteil, ein Anlass sein, sich im
       Hier und Jetzt mit Rios Reisers Werk auseinanderzusetzen. Vielleicht sollte
       der Platz auch einfach nur den Namen tragen ohne viel Aufhebens und
       Schnickschnack.
       
       Und wenn Mütter und Väter im mittleren Alter mit ihren Kindern zukünftig an
       dem Straßenschild entlangschlendern und der Nachwuchs fragt: „Mama, wer war
       Rio Reiser?“, dann könnte dies einfach ein willkommener Anlass sein, die
       angestaubte „Keine Macht für Niemand“ aus dem Regal zu holen und anzuhören.
       Und zu antworten: „Das war Rio Reiser.“
       
       28 Nov 2019
       
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