# taz.de -- CSU-Parteitag in München: „Schwarz-Grün isch over“
       
       > Markus Söder hat seine Partei hinter sich – fast einstimmig wählt sie ihn
       > erneut zum Chef. Eine Prozentzahl für die Landtagswahl verspricht er
       > nicht.
       
 (IMG) Bild: Daumen hoch für 96,5 Prozent Zustimmung zur Wiederwahl
       
       München taz | Diese Wahl wäre schon einmal geschafft. Am Samstagmittag
       steht Markus Söder in der Halle C6 der Münchner Messe und hört, wie Joachim
       Herrmann beim CSU-Parteitag das Wahlergebnis verkündet: Mit 96,5 Prozent
       der Delegiertenstimmen ist Söder gerade zum CSU-Chef wiedergewählt worden.
       Das ist weniger als die 99 Prozent, die Franz Josef Strauß einmal – im Jahr
       1979 war das – geholt hat, aber es ist deutlich mehr als die 87,4 bis 91,3
       Prozent, die Söder selbst in der Vergangenheit bekommen hat.
       
       Doch die eigentliche Wahl, die, die Söder in der Vergangenheit gern als
       Schicksalswahl bezeichnet hat, findet erst in zwei Wochen statt: die
       bayerische Landtagswahl. „Ich versprech’ euch jetzt keine Prozentzahl für
       den 8. Oktober“, sagt Söder vorsorglich in seiner Parteitagsrede. Denn bei
       dieser Wahl steht Söder und seiner CSU, glaubt man den letzten Umfragen,
       ein Wahldesaster bevor. Auf 36 Prozent wurde die Partei, die früher oft mit
       absoluter Mehrheit, mitunter sogar mit Zwei-Drittel-Mehrheit, regierte,
       zuletzt taxiert.
       
       Söder, der seine Partei schon vor fünf Jahren auf ein Rekordtief von 37,2
       Prozent führte, könnte damit als der Ministerpräsident Bayerns in die
       Geschichtsbücher eingehen, der den Niedergang der CSU einleitete. Sein
       Selbstbewusstsein, die Überzeugung, auch nach dem 8. Oktober den Freistaat
       weiter regieren zu dürfen, kann Söder derzeit aus der relativen Schwäche
       der übrigen Parteien, vor allem aber auch aus dem Mangel an parteiinternen
       Alternativen ziehen. Säße Söder jemand mit demselben Nachdruck im Nacken
       wie einst er selbst seinem Vorgänger Horst Seehofer, wäre seine Zukunft
       aktuell höchst ungewiss.
       
       Das Tief der Partei hängt freilich auch mit der Flugblattaffäre von
       Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger und den folgenden
       Solidarisierungseffekten zusammen – was für Söder zumindest einen Vorteil
       hat: Selbst wenn die CSU das Ergebnis von 2018 noch unterbietet, lässt sich
       die Verantwortung dafür mit einiger Glaubwürdigkeit vor allem Aiwanger
       anlasten.
       
       Natürlich hofft die CSU, das Ruder noch herumreißen zu können. In seiner
       rund anderthalbstündigen Rede stimmt Söder seine Parteifreunde entsprechend
       kämpferisch auf die letzten Tage des Wahlkampfs ein. Allzu viel Zeit wird
       der CSU-Chef für deren Vorbereitung nicht aufgebracht haben, tingelt er
       doch schon seit Monaten mit dem weitgehend gleichbleibenden Programm durch
       Bayerns Bierzelte.
       
       ## Söder wettert über die Grünen
       
       In der Münchner Messehalle hat er zwar den Trachtenjanker durch Anzug und
       Krawatte ersetzt, auch die Tonalität leicht gedämpft, präsentiert ansonsten
       jedoch die bekannten Evergreens: In Bayern lebe es sich einfach besser als
       anderswo, die Ampel sei die schlechteste Regierung, die Deutschland je
       hatte, und man solle sich doch nun endlich wieder mehr „um die normalen
       Leute und die einheimische Bevölkerung“ kümmern. Es geht um die
       Kernenergie, die so lange laufen sollte, wie die Krise andauere, um Bayerns
       Hightech-Agenda oder das geplante Mondkontrollzentrum in Oberpfaffenhofen.
       Und darum, dass künftige Generationen weiter stolz sagen können müssten:
       „Ich hab ein bayerisches Abi und keines aus Bremen oder Berlin.“
       
       Natürlich fehlen auch die Attacken gegen die „Umerziehungspartei“, die
       Grünen, nicht, die „kein Bayern-Gen“ hätten: „Bayern und Grüne passt so gut
       zusammen wie Oktoberfest und Kamillentee“, sagte der leidenschaftliche
       Cola-light-Trinker und erteilte erneut allen eventuellen Hoffnungen auf
       eine Zusammenarbeit mit den Grünen eine Absage: „Schwarz-Grün isch over.“
       
       Eine knappe Viertelstunde spricht Söder über die Zuwanderung – ein Thema,
       das er nach der „politischen Nahtoderfahrung“ (O-Ton Söder) im Wahlkampf
       2018 stets sehr zurückhaltend behandelt hat. Es gebe aber einen gewaltigen
       Unterschied zu 2018, sagt Söder: Heute bestehe innerhalb der Union völlige
       Einigkeit. Söder fordert eine Wende in der Migrationspolitik, zu der auch
       eine „Integrationsgrenze“ von 200.000 Zuwanderern pro Jahr gehöre. Wie
       zuletzt auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann schlägt er einen
       Deutschlandpakt zur Verhinderung unkontrollierter Zuwanderung vor – in
       einer überparteilichen Kraftanstrengung entsprechend dem Asylkompromiss in
       den neunziger Jahren.
       
       Einer der ersten, die Söder zu seinem Wahlerfolg als Parteichef
       gratulierten, ist CDU-Chef Friedrich Merz, der der Schwesterpartei die Ehre
       gibt. Auch Merz widmet sich in seiner Rede der Zuwanderungspolitik und
       bietet Bundeskanzler Olaf Scholz seine Zusammenarbeit an: „Wenn Sie das mit
       den Grünen nicht hinbekommen, dann werfen Sie sie raus, dann machen wir es
       mit Ihnen – aber wir müssen dieses Problem lösen.“ Merz spricht von
       „Sprengstoff für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft“ und warnt Scholz,
       er sei allein für die Folgen verantwortlich, wenn die Zuwanderungsfrage
       nicht gelöst werde – „einschließlich der weiteren Radikalisierung unseres
       Parteienspektrums in der Bundesrepublik Deutschland“.
       
       23 Sep 2023
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominik Baur
       
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