# taz.de -- Klarnamenpflicht im Internet: Bayern will Diskurskultur im Netz zivilisieren
       
       > Ex-Verfassungsrichter Andreas Voßkuhle ist für eine Pflicht, im Internet
       > Klarnamen zu benutzen. Unterstützung erhält er aus Berlin und Bayern.
       
 (IMG) Bild: Anonym im Netz oder nicht?
       
       afp | Die Debatte über eine Klarnamenpflicht im Internet nimmt an Fahrt
       auf. Nach dem früheren [1][Verfassungsgerichtspräsidenten Andreas Voßkuhle]
       sprach sich nun auch [2][Bayerns Digitalminister Fabian Mehring] (Freie
       Wähler) dafür aus. „Das Recht auf freie Meinungsäußerung beinhaltet
       schließlich keinen Anspruch auf Anonymität – man muss schon zu seinen
       Äußerungen stehen; analog wie digital“, sagte er dem „Tagesspiegel“ vom
       Freitag. [3][Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg] (CDU) forderte in der
       Zeitung eine „ergebnisoffene, aber zielgerichtete Debatte über eine
       Klarnamenpflicht im digitalen Raum“.
       
       ## Voßkuhle: „paradoxe Welt“
       
       Voßkuhle hatte dem „Tagesspiegel“ zuvor gesagt: „Um die Diskurskultur etwas
       zu rationalisieren, sollte es im Internet Pflicht werden, seinen Klarnamen
       zu benutzen.“ Der frühere Verfassungsrichter, Leiter des Instituts für
       Staatswissenschaft und Rechtsphilosophie an der Universität Freiburg,
       begründete seine Forderung mit einer „paradoxen Welt“. Bürger wünschten
       sich mehr Führung, gleichzeitig werde aber jede einzelne Äußerung von
       Politikern „im Netz und von den Medien hochgejazzt und zu einer Staatskrise
       stilisiert“. Das trage zu einer „permanent erregten“ und „gewissermaßen
       orientierungslosen“ Gesellschaft bei.
       
       Mit dem einfachen Mittel einer Klarnamenpflicht könne man „öffentliche
       Diskussionen im Netz entgiften“, sagte Voßkuhle der Zeitung. Die „Verrohung
       im Netz“ halte die Gesellschaft „auf Dauer nicht aus“. Er führte aus, dass
       er eine Klarnamenpflicht im Internet zwar für „nicht ganz einfach“ halte.
       Ein solcher Schritt sei aber verfassungsrechtlich zulässig. Allerdings
       brauche es für eine Klarnamenpflicht eine genaue Begründung. Es müsse
       weiter möglich sein, „die Regierung zu kritisieren, ohne persönlich
       Sanktionen befürchten zu müssen“.
       
       ## Mehring: Diskurskultur im Netz zivilisieren
       
       Bayerns Digitalminister Mehring sagte der Zeitung nun, was am Stammtisch
       kriminell sei, müsse „auch im Netz sanktioniert werden können: Wer
       beleidigt, bedroht oder Volksverhetzung betreibt, muss auch im Digitalen
       dingfest gemacht werden können.“ Wer wisse, dass sein Handeln nicht
       folgenlos bleibe, verhalte sich verantwortungsvoller – „genau das kann
       öffentliche Debatten spürbar entgiften.“
       
       Es gehe dabei „dezidiert nicht um Einschränkung von Meinungen“, betonte
       Mehring, „sondern um einen wehrhaften Rechtsstaat, der auch im digitalen
       Raum funktioniert.“ Eine Klarnamenpflicht in den sozialen Medien, „um die
       Diskurskultur im Netz zu zivilisieren“, sei eine Kernforderung der Allianz
       gegen Desinformation im digitalen Raum, die er initiiert habe.
       
       ## Auch Berlin gegen Enthemmung
       
       Auch Berlins Justizsenatorin Badenberg sagte dem „Tagesspiegel“, die
       „zunehmende Enthemmung anonymisierter Meinungsäußerungen im Internet“
       bereite ihr „große Sorge“. Beleidigungen, Drohungen und gezielte
       Persönlichkeitsverletzungen seien „längst kein Randphänomen mehr, sondern
       prägen in Teilen den digitalen Diskurs“. Sie warnte: „Wenn wir dem tatenlos
       zusehen, droht eine schleichende Normalisierung von Hasskriminalität – mit
       spürbaren Folgen für Empathie, gesellschaftlichen Zusammenhalt und die
       Bereitschaft zur offenen Debatte.“
       
       Die „schiere Menge problematischer Inhalte in sozialen Netzwerken“ führe
       dazu, dass geltende rechtliche Normen faktisch immer häufiger nicht
       durchgesetzt werden könnten, führte Badenberg aus. „Der digitale Raum wird
       so als ein Ort wahrgenommen, an dem andere Regeln gelten als in der
       analogen Welt.“ Strafrechtlich relevante Äußerungen würden teilweise ohne
       Zurückhaltung und ohne Furcht vor Konsequenzen getätigt.
       
       ## Schutzfunktion, nicht Symbolpolitik
       
       Sie forderte: „Wir müssen den Staat dazu befähigen, seiner Schutzfunktion
       besser gerecht zu werden – insbesondere gegenüber Kindern und
       Jugendlichen.“ Es dürfe dabei aber weder um Symbolpolitik noch um einfache
       Antworten gehen. Juristisch sei die Lage komplex, betonte Badenberg, „und
       das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie legitime Gründe für
       Anonymität, etwa zum Schutz vor politischer Verfolgung, sind zu achten.“
       
       Ermittlungsbehörden bräuchten „in klar definierten Fällen eine verlässliche
       und praktikable Möglichkeit, Tatverdächtige schnell zu identifizieren“,
       führte sie aus. Außerdem müssten die Plattformen selbst stärker in die
       Verantwortung genommen werden. „ihren Beitrag zur Durchsetzung unserer
       Rechtsordnung zu leisten“.
       
       26 Dec 2025
       
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