# taz.de -- Unruhen in Bangladesch: Wenige Wochen vor den Wahlen eskaliert die Gewalt
> In Bangladesch gibt es nach dem Mord an einem Studentenführer Unruhen.
> Sie richten sich gegen Indien und Medien und schwächen die
> Übergangsregierung.
(IMG) Bild: Trauerfeier für den Studentenführer Sharif Osman Hadi in Dhaka, Bangladesch
Zwei Monate vor den Wahlen sind in Bangladesch Unruhen ausgebrochen:
Auslöser war die Ermordung des Studierendenführers Sharif Osman Hadi. Der
32-Jährige war am Donnerstag in einem Krankenhaus in Singapur seinen
Verletzungen erlegen, nachdem er dort nach dem Angriff in seiner Heimat
behandelt worden war. Hadi zählte zu den prominenten Stimmen, die sich für
ein Verbot der Partei Awami Liga der gestürzten Ex-Premierministerin Sheikh
Hasina aussprachen. Zudem galt er als [1][scharfer Kritiker Indiens,] das
Hasina aufgenommen hat. [2][Sie wurde inzwischen zum Tode verurteilt].
2024 war Hadi während der politischen Unruhen als Gründer und Sprecher der
Plattform [3][Inqilab Moncho] („Plattform der Revolution“) bekannt
geworden. Die Massenproteste mündeten im Sturz von Hasina Anfang August
2024. Der Sohn eines Imams wollte jetzt bei der für den 12. Februar
geplanten Parlamentswahl als unabhängiger Kandidat in der Hauptstadt Dhaka
antreten. Doch zwei Maskierte schossen ihm am 12. Dezember in den Kopf.
Nachdem sein Tod am Donnerstag bekannt wurde, demonstrierten Zehntausende,
um die Verhaftung seiner Mörder zu fordern. Die sollen unbestätigten
Berichten zufolge nach Indien geflohen sein. Ihre Spur soll mutmaßlich auch
zum Jugendflügel der Awami Liga führen, der Partei, deren Aktivitäten
[4][seit Mai verboten sind].
Am Wochenende kamen in Dhaka Hunderttausende zur Beisetzung Hadis.
Übergangspremier Muhammad Yunus würdigte ihn als „Revolutionsführer“: „Du
bist in unseren Herzen, und solange Bangladesch existiert, wirst du in den
Herzen aller Bangladescher bleiben“, sagte der [5][85-jährige
Friedensnobelpreisträger].
## Journalisten konnten nur knapp gerettet werden
Dessen Übergangsregierung scheint nach den Massenprotesten geschwächt. Denn
sie hatte nicht verhindern können, dass am Donnerstag in Dhaka
Demonstranten die Redaktionsräume von zwei Tageszeitungen in Brand setzten.
Zahlreiche Journalisten von The Daily Star und Prothom Alo konnten erst
nach Stunden aus den brennenden Gebäuden gerettet werden. Den Medienhäusern
wird vorgeworfen, Indien nahe zu stehen.
Studentenführer machten bei einer Kundgebung Indien mitverantwortlich für
den Mord und kündigten Widerstand gegen Delhis „Hegemoniestreben“ an.
„Schon vor der Ermordung Hadis nahmen die Gewaltrisiken in Bangladesch zu.
Zudem gibt es Bedenken hinsichtlich der Fähigkeit der Polizei, auf Unruhen
zu reagieren“, erklärte der Südasienexperte [6][Michael Kugelman] vom
Atlantic Council in Washington. Die Wochen vor den Wahlen seien jetzt
Yunus' „größte Bewährungsprobe“.
Kugelmann ist skeptisch, ob sich das Verhältnis zwischen Indien und
Bangladesch nach der Wahl entspannen wird. Die Beziehungen werden durch den
Mord an Hadi weiter belastet, die seit der Flucht Hasinas dorthin auf einem
Tiefpunkt sind. Dhaka beschuldigt Delhi immer wieder, sich in innere
Angelegenheiten einzumischen und fordert vergebens Hasinas Auslieferung.
Auch mehrere hochrangige Mitglieder der Awami Liga sollen sich im indischen
Asyl befinden.
Schon vor dem Angriff auf die Medienhäuser hatten Journalist:innen auch
der taz gegenüber geschildert, dass die Selbstzensur aus Sorge vor
Übergriffen islamistischer Kräfte zugenommen habe. Der EU-Botschafter in
Dhaka, Michael Miller, sprach von „Angriffen auf Medienfreiheit und
Meinungsfreiheit“. Dies sei ein schrecklicher Rückschlag für die
Demokratie. „Ich kann nur betonen, wie wichtig es ist, den Raum für
Meinungsfreiheit in Bangladesch im Vorfeld der Wahlen zu erhalten“, sagte
er bei einem Solidaritätsbesuch der Zeitung The Prothom Alo [7][am
Sonntag].
## Vorwurf an Yunus, zu nachsichtig mit Islamisten zu sein
Die Stimmungsmache der Islamisten nimmt zu. Hasina wusste als eiserne
Regentin diese Kräfte in Schach zu halten. Kritiker:innen werfen
Übergangspremier Yunus jetzt vor, ihnen gegenüber zu nachsichtig zu sein.
Ein Vorfall am Donnerstag erhärtet das: Der 27-jährige Hindu [8][Dipu
Chandra Das] wurde nördlich von Dhaka wegen angeblicher Blasphemie aus
seiner Arbeit gedrängt und danach gelyncht.
Während sich Dhakas Verhältnis zu Delhi verschlechtert hat, verbesserte es
sich ausgerechnet zu Islamabad. Dabei hatte Bangladesch, damals noch
Ostpakistan genannt, 1971 mithilfe Indiens seine Unabhängigkeit von
Islamabad erkämpft. Im Sommer 2024 hatten die von Hasina durchgesetzte
Privilegien für die Kinder von Unabhängigkeitskämpfern die Proteste
ausgelöst, die ihre Regierung zu Fall brachten. Diese hatte vergeblich
massive Polizeigewalt eingesetzt, die laut [9][Schätzungen der Vereinten
Nationen] 1.400 Tote forderte.
21 Dec 2025
## LINKS
(DIR) [1] https://www.ndtv.com/world-news/bangladesh-crisis-live-sharif-osman-hadi-radical-islamist-student-leader-death-led-to-bangladesh-protests-9844377
(DIR) [2] /Bangladeschs-Ex-Premier-verurteilt/!6130367
(DIR) [3] https://inqilabmoncho.org/
(DIR) [4] https://www.dhakatribune.com/bangladesh/government-affairs/381050/government-bans-awami-league-activities-amid-war
(DIR) [5] https://en.prothomalo.com/bangladesh/irfjz7cafi
(DIR) [6] https://x.com/michaelkugelman/status/2002094681040302398?s=46&t=lvjJNiNkApAnss-wx8XQHw
(DIR) [7] https://en.prothomalo.com/bangladesh/lt2oy3qoc6
(DIR) [8] https://en.prothomalo.com/bangladesh/ctr8y8t4z3
(DIR) [9] https://www.ohchr.org/en/documents/country-reports/ohchr-fact-finding-report-human-rights-violations-and-abuses-related
## AUTOREN
(DIR) Natalie Mayroth
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