# taz.de -- Hochhaus ohne Aufzug: 21 Etagen, 336 Stufen, kein Aufzug
> Seit drei Wochen ist in einem Berliner Deutsche-Wohnen-Haus der Fahrstuhl
> kaputt. Die taz hat mit Bewohnenden gesprochen, die kaum mehr das Haus
> verlassen.
(IMG) Bild: Ist ganz schön hoch: das Wohnhaus der Deutschen Wohnen
Evelyn* schnauft schwer, als sie mit ihrem Kleinkind auf dem Arm hoch in
die 17. Etage läuft. Sie schwitzt unter ihrer dicken Winterjacke. Als ihr
Sohn zu schwer wird, versucht sie ihn die vielen Treppen selbst steigen zu
lassen. Wie alle anderen in der Straße der Pariser Kommune 21 in Berlin
müssen die beiden laufen. Vor den Aufzügen klebt rot-weißes Absperrband,
sie sind kaputt, seit 3 Wochen schon. Auf ihrem Weg nach oben muss sich
Evelyn immer wieder hinsetzen, mal auf eine Treppenstufe, mal auf einen
Stuhl. Anfangs befand sich noch ein Stuhl auf jeder zweiten Etage,
mittlerweile gibt es nur noch wenige, die in den oberen Stockwerken stehen.
„Die wurden bestimmt geklaut“, meint die 66-jährige Anja* über die
fehlenden Stühle. Sie wohnt im fünften Obergeschoss und hält ihren acht
Monate alten Hund auf dem Arm. „Die Rasse heißt Maltipoo. Da er so klein
ist, soll er laut Tierarzt eigentlich keine Treppen laufen“, erklärt Anja.
Wenigstens viermal am Tag trägt sie ihren Hund deshalb die Treppen hoch und
runter, um mit ihm vor das Haus zu gehen.
Die Außenfassade des Plattenbaus ist in matten Blau-Grautönen gestrichen,
die Balkone sind weiß. Der Eigentümer ist [1][Deutsche Wohnen]. Deren
Sprecher Christoph Metzner sagt der taz: „Am 24. November kam es aufgrund
eines defekten Überlaufventils in der 21. Etage zu einem Wasserschaden.“
Die beiden Aufzüge seien deshalb von der Feuerwehr außer Betrieb genommen
worden. Die Deutsche Wohnen habe umgehend eine Fachfirma mit der Reparatur
beauftragt. Trotzdem waren die Aufzüge mehr als drei Wochen lang defekt.
Anja hält sich auf dem Weg nach unten mit einer Hand am Geländer fest und
nimmt jede Stufe einzeln. „Meine Knie waren Anfang des Jahres kaputt“,
erzählt sie. Zwischendurch seien sie geheilt gewesen, aber durch das viele
Treppensteigen nun wieder kaputt. Anjas Kinder wohnen in Köpenick und
erledigen einmal pro Woche den Großeinkauf für sie, erzählt sie. Zum Glück
ist ihre Lust am Singen noch da. „Mit 66 Jahren fängt das Leben an“, singt
Anja und wippt dabei hin und her.
## Empfehlung zur Klage
Auf der Höhe des 20. OGs öffnet die 78-jährige Anna* ihre Wohnungstür einen
kleinen Spalt breit. Sie ist erst zögerlich, mit der taz zu sprechen. Hat
Angst vor Druck seitens des Vermieters und möchte daher auf keinen Fall
ihren echten Namen in der Zeitung lesen. Seit über 50 Jahren bewohnt Anna
ihre Wohnung hier im Haus, das nur wenige Fußminuten vom Ostbahnhof gelegen
ist. „Ich bin Mitglied im Mietverein und die empfehlen zu klagen. Aber ich
bin so alt, dass ich diesen Stress nicht haben kann“, erzählt Anna. Eine
Mietminderung stehe ihr sowieso zu, schiebt sie hinterher.
„Das gab’s zu DDR-Zeiten nicht, dass der Aufzug so lange kaputt war. Schon
gar nicht beide Aufzüge“, erinnert sich Anna und öffnet ihre Tür einen
kleinen Spalt breiter. In den vergangenen Jahren aber sei das öfter
passiert, erzählen einige MieterInnen. „Im Nachhinein habe ich immer eine
Mietminderung bekommen“, sagt Anna. Sie habe eine künstliche Schulter und
könne keine schweren Einkäufe tragen. Mehr als ein Kilogramm, mehr als eine
Packung Milch, das gehe nicht. Annas Enkel würde deshalb ab und zu kommen
und sie unterstützen. „Ich gehe nur raus, wenn ein dringender Arzttermin
ansteht“, sagt sie – also etwa einmal pro Woche.
Eigentlich habe heute die Reinigungskraft kommen sollen. „Sie hat abgesagt.
In den 20. Stock würde sie nicht hochlaufen. Sie ist auch schon älter“,
bedauert Anna. Ein Nachbar hätte ihr im Treppenhaus erzählt, er habe sogar
seine Operation verschieben müssen. Denn nach der OP könne er nicht die
Treppen rauf und runter laufen.
Im Haus verteilt hängen verschiedene Aushänge von der Deutschen Wohnen.
Einer weist auf einen Tragedienst hin, für den man sich an den Hausmeister
telefonisch oder persönlich wenden solle. Doch im Haus heißt es, unter der
Nummer sei niemand erreichbar. Niemand erzählt der taz, von dem Dienst
Gebrauch gemacht zu haben. „Alle helfen sich untereinander“, erzählt der
29-jährige Chris auf seinem Weg in die 19. Etage. Er wohnt hier seit drei
Jahren. „Ich bin jung. Ich habe nicht die Probleme der anderen“, meint
Chris und verabschiedet sich mit: „Ich werd dann mal weiterwandern.“
## „Jede Sekunde zählt“
Was normalerweise mit dem Aufzug in wenigen Minuten möglich ist, wird über
die Treppen stark in die Länge gezogen. Dafür bietet der Blick aus dem
Treppenhaus eine mit jedem Stockwerk immer bessere Aussicht auf Berlins
weiß-graue Betonlandschaft – inklusive Fernsehturm. Wie überall im Haus
führt der Weg zu den Wohnungen über einen Balkon. Auf einem dieser Balkone
steht Jannis*, in der 11. Etage. Seit 10 Jahren wohnt er hier. „Ich finde
das unverschämt für die alten Menschen“, sagt er. Und seit die Aufzüge
kaputt sind, würde noch nicht einmal mehr die Treppe gereinigt, fügt er
hinzu.
Jannis zündet sich eine Zigarette an. Er beginnt zu erzählen, was sonst
noch schiefläuft. „Vergangenes Weihnachten hatten wir kein [2][Warmwasser]
für drei Wochen. Das juckt mich mehr als der Aufzug. Ich sehe den fehlenden
Aufzug als Ansporn, mehr Sport zu machen“, sagt der 46-Jährige und lacht.
2023 sei der Aufzug das letzte Mal kaputt gewesen. Damals habe er, anders
als Anna, keine Mietminderung bekommen. „Wir haben auch einige
pflegebedürftige Menschen hier im Haus. Ich habe selbst in der Pflege
gearbeitet. Da muss dreimal am Tag jemand kommen. Dabei ist man so
getaktet, dass jede Sekunde zählt“, erzählt Jannis. Zeit, dreimal am Tag 21
Etagen hoch und runter zu laufen, ist da nicht.
Neben der verlorenen Zeit und der Anstrengung kommt noch etwas hinzu. „Ab
16 Uhr geht die Sonne unter und man sieht nur noch schlecht im Treppenhaus.
Es ist ganz funzelig“, beschwert sich die 78-jährige Anna. Denn in vier
Stockwerken würde nur die Notbeleuchtung funktionieren. Der Hausmeister
habe es gemeldet, aber er dürfe die Glühbirnen nicht selbst wechseln.
DW-Sprecher Metzner sagt am Folgetag der taz, die defekte Beleuchtung sei
nun repariert und fügt hinzu: „Die Beleuchtung im Treppenhaus wird nun
dauerhaft aktiviert.“
## Ein Aufzug vorerst repariert
Genau wie Anna wohnt auch Nay El Ora im 20. Stockwerk. Pro Etage sind es um
die acht Parteien, insgesamt knapp 170 Personen. Als El Ora ihre
Wohnungstüre öffnet, hört man im Hintergrund ein weinendes Baby. Die junge
Mutter wohnt hier mit ihrem sieben Monate alten Kind. „Die erste Woche seit
den defekten Aufzügen haben wir bei meiner Mutter gewohnt, aber das ist
keine Dauerlösung. Ich habe gezögert, aber eine Mietminderung angefragt“,
erzählt sie. El Ora habe eine kurze Antwort erhalten, sie solle sich nach
der Reparatur des Aufzugs erneut melden. „Wir sind immer spazieren
gegangen, aber seit dem Ausfall waren wir nur dreimal draußen“, berichtet
sie.
„Wir verstehen, dass die Situation für unsere MieterInnen vor Ort zuletzt
nicht einfach war“, meint DW-Sprecher Metzner. Die meisten BewohnerInnen
beschweren sich darüber, keine neuen Informationen zu bekommen. Auf den
Aushängen heißt es, die nötigen Ersatzteile sollten am 11. Dezember
geliefert und montiert werden. „Sollte es zu Verzögerungen kommen, werden
Sie schnellstmöglich informiert.“ Doch auch knapp eine Woche nach dem 11.
Dezember sind die Aufzüge nach wie vor defekt.
Dann, am Abend des 17. Dezember, einen Tag nachdem die taz vor Ort war,
schreibt Metzner der taz: „Einer der beiden Aufzüge, der größere, wurde
repariert und kann genutzt werden. Die Reparatur des zweiten Aufzugs plant
unser Wartungspartner für Mitte Januar – vorher ist dafür nötiges Material
nicht verfügbar.“ Vorerst können die BewohnerInnen also aufatmen. Aber die
Sorge vor dem nächsten Ausfall bleibt.
*Namen von der Redaktion geändert.
23 Dec 2025
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## AUTOREN
(DIR) Marlene Thaler
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