# taz.de -- Roman „Frau Fünf“ von Juliane Baldy: Ausgeträumte Zweisamkeit
> Juliane Baldy erzählt in ihrem Roman „Frau Fünf“ die Geschichte einer
> verlassenen Frau, die versucht klarzukommen – und scheitert.
(IMG) Bild: Die Autorin Juliane Baldy
Männer sind das Wichtigste in Mirjams Leben. Genaugenommen ein Mann: Martin
[1][Mustermann.] Was gäbe es Schöneres, als auch Mustermann mit Nachnamen
zu heißen? Das war zumindest immer Mirjams Traum. Für immer und ewig mit
diesem unterdurchschnittlichen Mann zusammen zu sein, und dazu das ganze
Programm: Kinder, schönes Zuhause, stetige subtile Abwertung.
Aber Martin hat sie gerade nach jahrelanger Beziehung ohne Vorwarnung oder
Erklärung verlassen. Mirjam bleibt in der ausgeräumten Wohnung zurück –
arbeitet zwar für ein Möbelunternehmen, aber die Wohnung hat Martin
eingerichtet – und dreht frei.
Gut, Martin ist eindeutig ein Arschloch, das ist auch Mirjam klar. Trotzdem
kreisen ihre Gedanken krampfhaft um mögliche Strategien, wie sie ihn
zurückgewinnen könnte, wie sie ihn überzeugen kann, dass „der Martin und
die Miri“ einfach zusammengehören. Schon allein wegen der zwei Ms. Auf
jeden Fall nicht er und diese mysteriöse neue Frau. Mirjam ist zu allem
bereit und greift zu drastischen Mitteln.
Seit ihr Leben aus den Fugen geraten ist, verbringt sie die Nächte im
Vollrausch und die Tage zwischen Kotzen und Martin Nachschnüffeln.
Jahrelang hat sie sich an Martin angepasst, nur damit er sie durch eine
neue Frau ersetzt, die sich nicht für seine Regeln interessiert. Wie konnte
das passierten? Ist sie zu langweilig geworden? Sollte sie sexyer werden?
Sollte sie sich anderen Männern hingeben? Schließlich muss sie mit Martin
gleichauf bleiben, damit sie sich später, in der gemeinsamen Zukunft, auf
Augenhöhe begegnen können.
Mirjam erstellt ohne Pause To-do-Listen und Schlachtpläne für Miri + Martin
2.0. Sie verliert sich in dem krampfhaften Versuch, die Kontrolle zu
behalten und ihrem an Martin verschwendeten Leben einen Sinn zu geben. Mit
ihrem Alter Ego Frau Fünf – sie war Martins fünfte – geht Mirjam über ihre
eigenen Grenzen. Und die ihrer Mitmenschen.
## Im Strudel von Heuchelei und Hass
Juliane Baldys zweiter Roman – ihr Debüt, der Jugendroman [2][Paul]
erschien 2020 – spielt mit überzogenen Genderrollen, die bei genauerer
Betrachtung aber gar nicht sonderlich übertrieben sind. In einem Strudel
von Heuchelei und Hass zeichnet sie eine Protagonistin, die – zumindest
äußerlich – das Leben einer modernen, erfolgreichen Frau lebt. Die
gesellschaftlichen Ansprüche, die damit einhergehen, sind aber nicht so
leicht zu jonglieren.
Denn eine selbstbewusste Frau soll [3][alles im Griff haben,] Perfektion
ausstrahlen, gleichzeitig aber lässig sein, zugänglich und unkompliziert.
Mirjam gelingt das nicht. Sie krampft und klammert ohne Ende und lässt sich
dann trotzdem völlig gehen.
Sprachlich mal abgehackt und mal ausführlich beschreibend – und immer
wieder mit Fußnoten gespickt –, zieht der Roman einen hinein in den
Gedankenstrom seiner gestressten Protagonistin. In Großbuchstaben
hervorgehobene Stellen schreien einen geradezu an. Die eingeschobenen
Ermahnungen, ruhig ein- und auszuatmen (!!!), helfen auch nicht gegen die
sich beständig aufbauende Anspannung. Ganz im Gegenteil. Baldy gelingt es,
dass das Unbehagen, das einen beim Lesen ergreift, an keiner Stelle
abflaut. Ein feel good read ist das wirklich nicht.
## Männer als bloße Randfiguren
Baldy lässt Mirjams Spagat zwischen der Bereitschaft, anderen
entgegenzukommen, und dem Versuch, für sich selbst einzustehen, misslingen.
Am Ende steht [4][Selbstaufgabe] neben aggressivem Egoismus. Ihre
Protagonistin kann andere Menschen nicht leiden, am wenigsten die, die ihr
nahestehen, eigentlich nicht mal Martin. Allerdings kann sie auch sich
selbst nicht ertragen und sucht händeringend nach Anerkennung und einer
Rolle, die sie vor sich selbst und anderen annehmen kann. Es ist, als
beobachte man sie dabei, wie sie auf eine Wand zurast.
Obwohl Mirjams Gedanken von Martin und anderen Männern besessen sind,
kommen männliche Charaktere – anders als in vielen anderen Romanen über
heterosexuelle Beziehungen – nur als blasse Randfiguren vor. „Frau Fünf“
läuft auf eine einfache Frage hinaus, die allerdings nur unter größter
Anstrengung zu beantworten ist: Was ist eine Frau, deren Leben um ihren
Mann kreist, ohne ihn? Bleibt da überhaupt etwas übrig?
Juliane Baldys ungewöhnlicher Roman zeichnet das fesselnde Bild einer
verlassenen Frau, die stets versucht hat, es allen recht zu machen, die
unbedingt gemocht werden will und dabei unausstehlich geworden ist. Ist das
nicht irgendwie relatable? Anstrengend zu lesen ist der Roman aber
trotzdem.
17 Dec 2025
## LINKS
(DIR) [1] https://praxistipps.chip.de/wer-ist-max-mustermann-einfach-erklaert_181315
(DIR) [2] https://literaturkritik.de/baldy-paul-slang-zeit-juliane-baldy-erzaehlt-ihrem-romandebuet-paul-coming-of-age-geschichte-eines-siebzehnjaehrigen,26678.html
(DIR) [3] /Neues-Buch-ueber-das-Muttersein/!5762202
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