# taz.de -- Friedensgespräche in Berlin: Selenskyj gibt Nato-Beitritt auf
       
       > Der ukrainische Präsident pocht als Ausgleich dafür auf andere
       > Sicherheitsgarantien. Die Gespräche werden heute fortgesetzt.
       
 (IMG) Bild: Viel dringt nicht nach draußen: Bundeskanzler Merz sitzt mit seinen Beratern während der Ukraine-Beratungen im Kanzleramt
       
       reuters | Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den von seinem
       Land angestrebten Nato-Beitritt aufgegeben. Ersatzweise seien
       Sicherheitsgarantien der USA sowie europäischer und anderer Partner ein
       Kompromiss, erklärte Selenskyj am Sonntag in einem WhatsApp-Chat mit
       Journalisten.
       
       „Von Anfang an war es der Wunsch der Ukraine, der Nato beizutreten, denn
       das sind echte Sicherheitsgarantien.“ Doch „einige Partner aus den USA und
       Europa haben diesen Weg nicht unterstützt.“ Dies markiert eine bedeutende
       Wende für die Ukraine, die sich für einen Beitritt zu dem
       Verteidigungsbündnis zum Schutz vor russischen Angriffen eingesetzt und
       dieses Ziel in ihrer Verfassung verankert hat.
       
       Selenskyj äußerte sich vor Gesprächen mit US-Vertretern im Bundeskanzleramt
       in Berlin über eine Beendigung des von Russland geführten Kriegs gegen die
       Ukraine. Nach Angaben der Ukraine und der USA soll das Treffen am Montag
       fortgesetzt werden. Danach werde sich Selenskyj äußern, kündigte dessen
       Berater Dmytro Lytwyn auf Whatsapp an.
       
       Der US-Sondergesandte Steve Witkoff erklärte auf X, es seien „große
       Fortschritte“ erzielt worden. Zu Beginn hatte Bundeskanzler Friedrich Merz
       Selenskyj und dessen Vertrauten Rustem Umjerow sowie die von US-Präsident
       Donald Trump entsandten Unterhändler Witkoff und Jared Kushner empfangen.
       Danach zog sich Merz zurück, während sein außenpolitischer Berater Günter
       Sautter in der Runde blieb, wie die Nachrichtenagentur Reuters aus
       Regierungskreisen erfuhr.
       
       Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius äußerte Vorbehalte [1][gegen
       den Geschäftsmann Witkoff] und Trumps Schwiegersohn Kushner als
       US-Vertreter. „Es ist zumindest alles andere als eine ideale Aufstellung
       für eine solche Verhandlung“, sagte Pistorius im ZDF. Doch „man kann nur
       mit den Menschen tanzen, die auf der Tanzfläche sind“.
       
       Er begrüße es sehr, dass beide nach Berlin gekommen seien: „Es ist erstmal
       ein gutes Zeichen.“ Pistorius äußert sich allerdings skeptisch, dass der
       russische Präsident Wladimir Putin auf Friedensvorschläge eingehe, statt
       den Krieg fortzusetzen: „Wir erleben das ja nicht zum ersten Mal. Deswegen
       wäre ich nicht überrascht, wenn es so ausginge. Hoffen tue ich auf ein
       anderes Ergebnis.“
       
       ## Europäer wollen Ukraine demonstrativ den Rücken stärken
       
       [2][Am Montag sollen außer den Deutschen weitere Europäer aus EU und Nato
       mit am Tisch sitzen.] Die neue Woche gilt als vorentscheidend für die Suche
       nach einem Waffenstillstand zwischen der 2022 von Russland überfallenen
       Ukraine und der Regierung in Moskau.
       
       Am Montag findet in Berlin nicht nur eine deutsch-ukrainische
       Wiederaufbaukonferenz statt. Merz hat zudem neben Selenskyj fast ein
       Dutzend europäischer Staats- und Regierungschefs sowie die Spitzen der EU
       und der Nato eingeladen. Bei dem Treffen wollen die Europäer – ungeachtet
       der amerikanisch-russischen Kontakte – die Ukraine ihrer Solidarität
       versichern.
       
       Am Donnerstag wollen die Europäer auf einem EU-Gipfel den Weg frei machen,
       [3][um mehr als 200 Milliarden Euro an eingefrorenem russischen
       Staatsvermögen für die Finanzierung des ukrainischen Abwehrkampfes zu
       nutzen.] Dies würde den Militäretat der Ukraine für die kommenden zwei bis
       drei Jahre finanzieren und gilt als entschiedenes Signal an Putin, dass er
       nicht mit einem Kollaps der Ukraine rechnen kann. Dies gilt auch deshalb
       als wichtig, weil Selenskyj innenpolitisch durch einen Korruptionsskandal
       im engsten Mitarbeiterkreis als angeschlagen gilt.
       
       Sowohl Russland als auch die USA lehnen die Nutzung dieser sogenannten
       „frozen assets“ ab. Umgekehrt hat Merz Trump mehrfach gewarnt, die Ukraine
       nicht in einen Diktatfrieden zu drängen, in dem sie besetztes Land an den
       Aggressor abtreten muss. Russland könnte sich ermutigt fühlen, den Krieg
       gegen die Ukraine später fortzusetzen oder weitere europäische Staaten
       anzugreifen.
       
       „Putin hört nicht auf“, sagte CDU-Chef Merz am Samstag auf einem
       CSU-Parteitag in München. „Und wenn die Ukraine fällt, dann hört er nicht
       auf.“ Merz zog eine Parallele zur gescheiterten Appeasement-Politik
       europäischer Mächte gegenüber Adolf Hitler, der daraufhin 1939 den Zweiten
       Weltkrieg begonnen hatte.
       
       ## USA dringen auf Zugeständnisse der Ukraine
       
       Die US-Regierung versuchte, mit den Gesprächen am Sonntag die Ukraine noch
       vor der angestrebten europäischen Stärke-Demonstration zu Zugeständnissen
       zu bewegen. Trump dringt auf einen schnellen Waffenstillstand. Selenskyj
       sagte in Kyjiw vor Journalisten, ein Ersatz für eine Nato-Mitgliedschaft
       seien aus seiner Sicht bilaterale Sicherheitsgarantien der USA sowie
       weiterer westlicher Länder. Solche Garantien sollten dem Beistandspakt der
       Nato-Mitglieder (Artikel fünf) entsprechen. „Das ist bereits ein Kompromiss
       unsererseits“, sagte er.
       
       Selenskyj hatte zuvor einen „würdevollen“ Frieden verlangt. Er bezeichnete
       einen Waffenstillstand mit Russland entlang der aktuellen Frontlinien als
       eine faire Option. Die russische Forderung nach einem Abzug ukrainischer
       Truppen aus unbesetzten Teilen der östlichen Regionen Donezk und Luhansk
       sei hingegen unfair. Der ukrainische Präsident verwies darauf, dass
       Russland tägliche Angriffe auf sein Land unternehme: „Insgesamt haben die
       Russen diese Woche mehr als 1.500 Kampfdrohnen, fast 900 gelenkte
       Luftbomben und 46 Raketen verschiedener Typen gegen die Ukraine
       eingesetzt.“
       
       Anfang Dezember hatte Putin Witkoff und Kushner empfangen. Der Kreml hatte
       die Gespräche als „konstruktiv“ gelobt, Durchbrüche gab es aber keine. Die
       europäischen Verbündeten der Ukraine werfen der Trump-Regierung vor, die
       Ukraine mit ihren Angeboten an Russland zu schwächen. Die einst
       umfangreichen US-Waffenhilfen für die Ukraine hatte Trump schon früh in
       seiner Amtszeit fast vollständig eingestellt.
       
       15 Dec 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Steve-Witkoff/!6138038
 (DIR) [2] /Ukraine-Verhandlungen-in-Berlin/!6134646
 (DIR) [3] /Streit-um-russisches-Vermoegen/!6138133
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Ukraine
 (DIR) Russland
 (DIR) Donald Trump
 (DIR) Kanzler Merz
 (DIR) Friedensgespräche
 (DIR) Friedensverhandlungen
 (DIR) Wladimir Putin
 (DIR) GNS
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt USA unter Trump
 (DIR) Reden wir darüber
 (DIR) Schwerpunkt USA unter Trump
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Krieg in der Ukraine: Informationsschlacht um Kupjansk
       
       Russische Truppen wollen die ostukrainische Stadt Kupjansk eingenommen
       haben. Die ukrainische Armee spricht demgegenüber von einer erfolgreichen
       Gegenoffensive.
       
 (DIR) +++ Nachrichten im Ukrainekrieg +++: Ukraine-Gespräche in Berlin zu Ende
       
       Zwei Tage haben die US-Gesandten Witkoff und Kushner mit Ukraines Präsident
       Selenskyj in Berlin verhandelt. Die EU streitet weiter über eingefrorenes
       russisches Vermögen.
       
 (DIR) Verhandlungen über ein Ende des Kriegs: Worum es beim Ukraine-Gipfel in Berlin geht
       
       Die Gespräche über einen möglichen Friedensschluss in der Ukraine gehen in
       Berlin in eine entscheidende Phase. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
       
 (DIR) Steve Witkoff: Putins Mann in Berlin
       
       Zu den Ukraine-Verhandlungen schickt Trump seinen Sondergesandten. Dem
       werfen sogar Republikaner Interessenkonflikte vor. Was ist das für ein Typ?
       
 (DIR) Verhandlungen in Berlin: Treffen sich ein Amerikaner, ein Russe und ein Ukrainer…
       
       Klingt wie ein Witz, aber ist bitterernst: Der US-Sonderbeauftragte Steve
       Witkoff, russischer Unterhändler, Selenskyj und EU-Regierungschefs
       verhandeln in Deutschland über die Ukraine.
       
 (DIR) Eingefrorenes russisches Vermögen: Unterstützt Europa die Ukraine, stützt es sich auch selbst
       
       Die EU muss das eingefrorene Vermögen Russlands der Ukraine rasch zur
       Verfügung stellen. Sonst könne eine De-facto-Kapitulation des Landes
       drohen.