# taz.de -- Hamburger Kirche diskutiert über Olympia: „‚Dabei sein ist alles‘ entspricht auch unserem Weltbild“
       
       > Soll sich Hamburg für Olympia bewerben? Theologisch betrachtet gibt es
       > für beide Seiten gute Argumente, sagt Pröpstin Anja Botta.
       
 (IMG) Bild: Passten schon 2024 in Paris hervorragend zusammen: Olympia und Kirche
       
       taz: Frau Botta, wie lässt sich auf einer theologischen Ebene
       argumentieren, dass sich Hamburg für Olympia bewerben sollte? 
       
       Anja Botta: Beim olympischen Gedanken sind wir ganz nah an kirchlichen
       Werten von der Gleichheit der Menschen, auch von der Würde des Menschen,
       weil wir uns, theologisch gesprochen, alle als gottgewollte Kreaturen
       sehen: Gott liebt uns Menschen vorbehaltlos, wie wir sind. Wenn wir uns
       [1][den olympischen Gedanken] „Dabei sein ist alles“ ansehen – da würde ich
       sagen, dass das auch unserem Weltbild entspricht. [2][Die ganze Welt nimmt
       daran teil, alle Sportler*innen ungeachtet ihres Glaubens, ihres
       Geschlechtes oder ihrer Identität.] Olympia folgt also dem Gedanken der
       Völkerverständigung, in dem der Sport friedvoll die Menschen verbindet.
       
       taz: Dagegen ließe sich direkt nichttheologisch argumentieren, dass von
       Olympischen Spielen aus der Frieden bei einem bewaffneten Konflikt bislang
       noch nicht eingezogen ist … 
       
       Botta: Bei allen Olympischen Spielen spielen die Machtverhältnisse in der
       Welt eine Rolle. Länder können Olympia ausrichten und trotzdem danach einen
       Krieg führen. Die olympische Idee ist zumindest: So friedlich, wie es hier
       zugeht, – davon kann die Welt lernen.
       
       taz: Und was spricht, wieder auf der theologischen Ebene, gegen eine
       Olympia-Bewerbung? 
       
       Botta: [3][Wir sehen ja anhand der Spiele der vergangenen Jahrzehnte, dass
       es eine Kehrseite gibt.] Bei der Ausrichtung spiegeln sich die
       Machtverhältnisse auch ganz konkret vor Ort wider, die bei uns in der
       Kirche Fragen aufwerfen: Wie steht es um das Versprechen der
       Nachhaltigkeit, die wir theologisch ja als Bewahrung der Schöpfung
       bezeichnen? Haben nur wenige Menschen vor Ort etwas von den Spielen oder
       kommen sie allen zugute? Wie wird mit den Menschen am Rande der
       Gesellschaft während der Spiele und auch danach umgegangen?
       
       taz: Wenn es um Ausgrenzung geht: Da könnte wiederum proolympisch, mit den
       Paralympics argumentiert werden, richtig? 
       
       Botta: Genau, da wird Inklusion gelebt. Die grundlegende Frage ist aber:
       Wird da nur ein schönes Bild für die Dauer der Spiele geschaffen, oder gibt
       es einen nachhaltigen Nutzen für die Menschen?
       
       taz: Sie sprachen schon die Losung „Dabei sein ist alles“ an. „Schneller,
       höher, weiter“ ist ja der andere berühmte olympische Ausspruch. Finden Sie
       sich darin auch wieder? 
       
       Botta: Dieser Gedanke lässt sich an vielen Stellen in unserer Gesellschaft
       finden. Sich mit Erfolg zu profilieren, hat seine Schattenseiten. Durch den
       ständigen Druck sehen wir viele Menschen, die das psychisch belastet. Damit
       will ich nicht den sportlichen Leistungsgedanken kritisieren, aber wir
       müssen auch die Kehrseite benennen.
       
       taz: Dass Olympia mittlerweile eine ziemlich durchkommerzialisierte
       Veranstaltung ist, die hehre Werte für Werbung nutzt, – das müsste doch aus
       religiöser Perspektive eigentlich für eine Ablehnung sprechen. 
       
       Botta: Genau diese Frage müssen wir diskutieren. Steht Olympia heute noch
       [4][für die ursprünglichen Werte oder ist das nur eine coole Kampagne?] Als
       Kirche wollen wir da kein Dogma setzen, sondern den Raum bieten für genau
       so eine Diskussion, um Standpunkte auszutauschen und den – gern auch
       kontroversen – Dialog zu ermöglichen.
       
       taz: Weil es auf beiden Seiten gute Argumente gibt?
       
       Botta: Weil wir als Kirche wissen, dass sich erst im Zuhören mancher
       Standpunkt erschließt.
       
       taz: Immer wieder ist ja zu lesen, Sport – ob nun Olympia oder Fußball –
       sei die Religion der modernen Gesellschaft. Das muss Sie als
       Kirchenvertreterin doch ärgern, oder? 
       
       Botta: Nein, überhaupt nicht. Es zeigt nur, dass Menschen ein Bedürfnis
       nach Ritualen haben, die Sicherheit und Orientierung bieten. Auf eine Weise
       auch nach Spiritualität. Ich habe mal ein Seminar besucht, in dem die
       Dramaturgie eines Fußballspiels mit der eines Gottesdienstes verglichen
       wurde. Da gab es keine allzu großen Unterschiede. Ich sehe darin eine
       Aufgabe für uns als Kirche, dass wir wieder lernen müssen, wie wir ebenso
       erfolgreich mit unserer Botschaft die Menschen erreichen.
       
       11 Dec 2025
       
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