# taz.de -- Buch über Modeschmuck: Glamour für alle
       
       > Der Bildband „Costume Jewelry“ zeichnet die Geschichte des Modeschmucks
       > nach. Warum das ein Genuss ist.
       
 (IMG) Bild: Die Brosche aus den 1940ern ist aus Kristallen, Strasssteinen und vergoldetem Sterlingsilber gefertigt
       
       Die größte Freiheit ist nicht immer dort, wo die größten Mittel sind.
       Manchmal fördern gerade bescheidene Mittel eine ganz und gar unbescheidene
       Kreativität. Man muss nur darauf kommen. So wie Coco Chanel, die sich
       fragte: Müssen es wirklich echte Perlen sein für den letzten Schick? Tun es
       nicht falsche genauso? Wo man dann doch zehn Schnüre aufs Mal tragen kann!
       
       Ihr demonstrativ unechter Schmuck war wohl die nachhaltigste ihrer
       revolutionären Ideen. Sie kam nicht nur dem Wunsch nach elegantem, dabei
       erschwinglichem Geschmeide nach, sondern auch dem nach brillanten
       Verrücktheiten.
       
       Um diese und fast 600 weitere Kapriolen geht es im Prachtband „Costume
       Jewelry“, der kürzlich [1][im Taschen Verlag erschienen ist] und
       Modeschmuck in all seinen Facetten zeigt, zusammengetragen über viele
       Jahrzehnte von der Kunstsammlerin Patrizia Sandretto Re Rebaudengo.
       
       Den Innenumschlag ziert unter anderem ein dickbäuchiger goldener Fisch, aus
       dessen Maul vier weiße Perlen blubbern. Er wurde 1954 von der New Yorker
       Firma Trifari lanciert, eine der berühmtesten Marken unter [2][den
       Modeschmuckherstellern], und womöglich hat er Nina Hagen später inspiriert,
       als sie 1978 dadaistisch dichtete: „Sie will ein Fisch im Wasser sein / Im
       flaschengrünen, tiefen See / Sie will mit Wasser sich besaufen / Und paar
       Blasen blubbern lassen.“
       
       Wer der Kopf hinter dem damals durchaus unkonventionellen Design war, ist
       nicht verbrieft; wie so oft bei Modeschmuck, da es sich eben um
       Industrieware handelt. Aber vermutlich wurde die Fischbrosche von Alfred
       Philippe entworfen, der zuvor als Designer für Cartier und Van Cleef &
       Arpels gearbeitet hatte – lauter große Namen, jedenfalls für Eingeweihte.
       
       ## Haute Joaillerie
       
       Die „Haute Joaillerie“ bildet also den Hintergrund, vor dem sich die
       Entwicklung des Modeschmucks in den USA vollzieht, auf die sich die
       Sammlung konzentriert. Und am spannendsten sind neben [3][Coco Chanels]
       falschen Perlen die vielfältigen Broschen.
       
       Da wäre etwa die in Form eines Rennradfahrers, um 1950 auf den Markt
       gebracht, Designer unbekannt. Sie belegt, dass nicht mehr die perfekte
       Imitation der Juwelen zählt, sondern der ästhetisch raffinierte Einfall und
       nicht zuletzt die Serientauglichkeit. Anders als Echtschmuck, der gepflegt
       und vererbt wird, werden die dank hoher Auflagen bezahlbaren Klunker als
       gestalterischer Bestand der aktuellen Mode mit dieser auch ad acta gelegt
       und vergessen. Eher wenige Stücke bleiben erhalten, was Modeschmuck zum
       Sammlerobjekt prädestiniert.
       
       Die bekanntesten Hersteller hatten ihren Sitz in New York. Anthony Aquilino
       war in den 1920er Jahren aus Neapel gekommen. Seine Brosche mit einer
       Katze, die auf einem roten Kristallkissen sitzt und versucht, einen
       Goldfisch aus seinem Glasbassin aus Lucite zu fischen, erlangte Kultstatus.
       Lucite, ein transparentes bruchsicheres Acrylharz, das wie ein echter
       Edelstein aussieht, war in den Jahren des Zweiten Weltkriegs als
       großartiger Ersatz für Strass- und Swarowskisteine aus Europa entdeckt
       worden.
       
       ## 26 unterhaltsam-funkelnde Kapitel
       
       Welche Motive haben die Künstler und Designerinnen mit diesen Materialien
       bearbeitet? Und wer waren sie überhaupt? Diese Fragen beantwortet Carol
       Woolton, die Herausgeberin von „Costume Jewelry“, in 26
       unterhaltsam-funkelnden Kapiteln. Zu den bedeutendsten Gestaltern zählen
       Miriam Haskell, die bis heute Schmuck von außergewöhnlicher Qualität
       herstellt, der Belgier William de Lillo, der für Tiffany und Cartier
       gearbeitet hatte, bevor er 1967 mit Robert F. Clark seine Firma gründete,
       sowie Joseff of Hollywood, der zunächst seine Schmuckstücke an
       Filmproduktionen verlieh und später davon Kopien anfertigte, die er über
       die großen Kaufhäuser vertrieb.
       
       Der Bildband strotzt vor Früchten und Blumen, Masken, Köpfen und Tieren,
       und natürlich ist auch der Weihnachtsbaum vertreten. Apropos: Obgleich
       Modeschmuck meist von Frauen und Fashion-Aficionados selbst gekauft wird,
       während manche Männer noch immer an „Diamonds Are a Girl’s Best Friend“
       glauben und gerne echten Schmuck verschenken – ein falsches funkelndes
       Juwel ist immer eine gute Geschenkidee.
       
       17 Dec 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.taschen.com/de/books/fashion/08045/costume-jewelry/
 (DIR) [2] /Welch-herrlich-verruecktes-funkelndes-Zeug/!5544970&s=modeschmuck/
 (DIR) [3] /Serien-ueber-Balenciaga-Chanel-und-Dior/!5995263
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Brigitte Werneburg
       
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