# taz.de -- HBO-Serie „The Chair Company“: Der weiße Mann als Opfer
       
       > In „The Chair Company“ zeigt Tim Robinson den alltäglichen Wahnsinn eines
       > Verschwörungsopfers. Die Serie setzt die US-Vorstadthölle genial in
       > Szene.
       
 (IMG) Bild: Szene aus der Serie „The Chair Company“ mit Tim Robinson
       
       Eigentlich läuft es für den Mittvierziger Ron Trospor (Tim Robinson) gerade
       richtig gut. Dem Familienvater aus der Kleinstadt Canton in Ohio wurde als
       Projektentwickler einer Immobilienfirma erstmals die Bauleitung eines
       Einkaufszentrums übertragen. Als er zum Projektstart vor versammelter
       Mannschaft eine Rede hält, erntet er jede Menge Applaus, auch sein Boss ist
       begeistert.
       
       Aber als Ron sich wieder hinsetzt, bricht der Bürostuhl unter ihm zusammen.
       Er fällt, alle erschrecken, lachen dann und auch wenn Ron gute Miene zum
       bösen Spiel macht, geht ihm der Vorfall unglaublich an die Nieren.
       
       Die HBO-Serie „The Chair Company“ von [1][Tim Robinson], der auch schon
       Comedy-Star der legendären Saturday Night Live-Show auf NBC war, erzählt
       vom ganz normalen alltäglichen Wahnsinn eines weißen Mittelklasse-Mannes,
       der sich als gedemütigtes Opfer in eine [2][Verschwörungsgeschichte]
       hineinsteigert. Denn als Ron sich beim Bürostuhlhersteller beschweren will,
       landet er bei einer Hotline. Persönlicher Kontakt? Fehlanzeige! Auch auf
       der Webseite der Firma gibt es keine Möglichkeit der Beschwerde. Bis Ron
       dann doch eine Adresse findet, dorthin fährt, sich in einer leeren
       Fabrikhalle wiederfindet und kurz darauf auf einem Parkplatz
       niedergeschlagen wird.
       
       ## Eskalative Comedy
       
       „The Chair Company“ ist absurde Comedy, die zum einen vom Büroalltag
       erzählt, aber auch Elemente eines 70er-Jahre-Thrillers hat. Als träfe
       „[3][The Office]“ auf „[4][Die drei Tage des Condor]“. Denn Ron ist bald
       davon überzeugt, einer großen Verschwörung auf der Spur zu sein. Einmal
       geht es seiner Meinung nach um internationalen Drogenhandel, dann um die
       Veruntreuung öffentlicher Gelder im großen Stil. Aber Ron bleibt nicht
       allein, denn in seinem Wahn begegnen ihm laufend weitere Männer, die ebenso
       verrückt sind und sich von ihm anstecken lassen.
       
       Daneben kämpft er mit seinem Familienleben. Ehefrau Barb (Lake Bell) sucht
       seit Jahren vergeblich einen Geldgeber für eine Geschäftsidee, seine queere
       Tochter Natalie (Sophia Lillis) liegt im Clinch mit ihren zukünftigen
       Schwiegereltern und Teenager-Sohn Seth (Will Price) zieht sich gerne mit
       einem Sixpack Bier ins Kinderzimmer zurück und entwickelt ein handfestes
       Alkoholproblem.
       
       Der rasant erzählte Achtteiler mit jeweils gerade mal 30 Minuten Länge pro
       Episode setzt die amerikanische Vorstadthölle genial in Szene. Ron läuft
       stets leicht gebeugt, flucht vor sich hin, hadert mit all seinen
       Arbeitskollegen und explodiert regelmäßig. Musikalisch unterlegt wird diese
       zum Teil ungemein anstrengend anzuschauende eskalative Comedy immer wieder
       mit schnellem Punksound.
       
       ## Die Paranoia hat längst Oberhand
       
       Ron ist das personifizierte Opfer, egal ob er Stress mit der
       Gleichstellungsbeauftragten im Betrieb bekommt, in eine Schlägerei in einer
       Bar gerät oder nachts unruhig im Bett liegt, nicht schlafen kann und
       plötzlich frustriert ausruft: „Ich habe das schlechteste Kissen der ganzen
       Stadt!“. Dabei versucht Ron als Prototyp des männlichen Wutbürgers
       mehrmals, die obsessive Bürostuhl-Verschwörung aufzugeben. Aber die
       Paranoia hat längst Oberhand.
       
       Unterstützung bekommt er auf seinem Kreuzzug gegen die vermeintlichen
       Ungerechtigkeiten des Systems vom pornosüchtigen Security-Mitarbeiter Mike
       Santini (Joseph Tudisco), der sich zusammen mit Ron in die Abgründe der
       amerikanischen Kleinstadtwelt stürzt. Die zwei treffen auf alle möglichen
       schrägen Charaktere – vom Hausmeister, der gerade fremdgeht, über
       gescheiterte Schauspielexistenzen bis zum Büro-Chef, der seine Sinnkrise
       bekämpft, indem er Angestellte schikaniert.
       
       Wer mehr wissen will vom Alltag in amerikanischen Kleinstadtbüros, der
       Idiotie [5][männlicher Wut] und dem dazugehörigen Opfergehabe, von
       verkorksten Internetrecherchen, Schlägereien in heruntergekommenen
       Restaurants und der pathologischen Halluzination von Familienidylle, ist
       bei dieser Serie genau richtig.
       
       24 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.imdb.com/de/name/nm4200503/
 (DIR) [2] /Paedagoge-ueber-Verschwoerungstheoretiker/!5993558
 (DIR) [3] https://www.imdb.com/de/title/tt0386676/
 (DIR) [4] https://www.rbb-online.de/film/die/die-drei-tage-des-condor.html
 (DIR) [5] /Debatte-um-toxische-Maennlichkeit/!5426480
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Florian Schmid
       
       ## TAGS
       
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