# taz.de -- 1.374 Tage Krieg in der Ukraine: Freiwilligenarbeit als Hobby
       
       > In der Ukraine packen Freiwillige aus aller Welt dort an, wo Politiker
       > noch diskutieren. Für viele ist das auch sinnstiftende
       > Freizeitbeschäftigung.
       
 (IMG) Bild: Ein Freiwilliger der humanitären Mission Proliska unterstützt Einheimische, die von einem russischen Drohnenangriff betroffen sind
       
       Kürzlich war ich zufällig dabei, als ausländische Freiwillige der
       ukrainischen Armee Autos übergaben. Zum besseren Verständnis: diese
       Freiwilligen sind Teil einer Online-Community mit mehreren Zehntausend
       Mitgliedern aus verschiedenen Ländern, die gemeinsam die Ukraine
       unterstützen. Die Community hat den lustigen Namen [1][NAFO (North Atlantic
       Fella Organization)].
       
       Ursprünglich waren das mal ein paar Internet-Trolle, die russische
       Propaganda im Netz bekämpften, indem sie lustige Bilder repostet haben.
       Jetzt sammeln sie riesige Geldsummen für den Kauf und die Umlackierung
       Hunderter von Geländefahrzeugen, Pickups und Lkws, die sie seit einigen
       Jahren an ukrainische Militäreinheiten weitergeben.
       
       NAFO ist nur eines von zahlreichen Beispielen, das zeigt, wie Menschen auf
       der Suche nach Zerstreuung im Internet zum Ehrenamt kommen. [2][Sie sind
       Teil einer weltweiten Bewegung], deren Vertretern man in der Ukraine
       buchstäblich auf Schritt und Tritt begegnet.
       
       ## Tun, was man für richtig hält
       
       Während Diplomaten „zutiefst beunruhigt“ darüber streiten, ob man die
       Ukraine nun unterstützen solle oder nicht, sind diese Menschen bereits vor
       Ort. Sie jammern nicht über „Kriegsmüdigkeit“. Sie behaupten nicht, dass
       sie „in den Krieg hineingezogen werden“ oder dass „die Ukraine selbst
       schuld ist“. [3][Sie tun schlicht, was sie für richtig halten].
       
       Ich habe bemerkt, dass diese Freiwilligenarbeit für viele Menschen zu einer
       Art Hobby geworden ist. Es gibt ihnen das Gefühl, gebraucht zu werden und
       vielleicht sogar einen Adrenalinkick. Die Menschen haben einfach ihre
       Nische gefunden und tun Nützliches, so wie andere Briefmarken sammeln oder
       Modellflugzeuge bauen. Und die Ukraine gehört zu den Ländern, in denen man
       sich relativ einfach ehrenamtlich engagieren kann.
       
       Die Freiwilligen entdecken die Ukraine für sich, lernen einfache Wörter wie
       „djakuju“ („danke“) und „do pobatschennja“ („auf Wiedersehen“), knüpfen
       neue Bekanntschaften oder gründen gar Familien. Für einige von ihnen ist
       die Ukraine schon so etwas wie das zweite Zuhause. Weil sie im ganzen Land
       unterwegs sind, kennen manche von ihnen die Ukraine besser als die
       Ukrainer*innen selbst.
       
       ## Lebensgefährliche Freiwilligeneinsätze im Frontgebiet
       
       Und bei uns gibt es ja auch viel zu tun: Einige [4][evakuieren ehrenamtlich
       Zivilist*innen]. Das ist eine harte und gefährliche Arbeit, nahe der
       Frontlinie. Erst neulich wurde ein Fahrzeug [5][der gemeinnützigen
       Organisation „Proliska“] von einer Granate durchschossen. Zum Glück konnten
       die Insassen vorher noch herausspringen. Andere Organisationen haben sich
       [6][auf die medizinische Versorgung] und den [7][Transport verwundeter
       Soldaten] aus frontnahen Stabilisierungsstellen in Krankenhäuser
       spezialisiert.
       
       Im Mai habe ich in der Südukraine Sven aus Schweden kennengelernt, der
       schon seit zwanzig Jahren humanitäre Hilfstransporte fährt. Eigentlich
       nichts Besonderes, aber Sven ist 84… Und doch setzt er sich immer wieder
       hinters Lenkrad, um Dinge wie Decken, Babywindeln und Rollstühle aus
       Schweden in die Ukraine zu bringen. Sven bringt diese Dinge in das Dorf
       Staroschwedske (historisch: Altschwedendorf) im Gebiet Cherson. Vor 250
       Jahren wurde es von Schweden gegründet. Jetzt ist es zerstört, die Menschen
       wurden in umliegende Dörfer evakuiert und sind auf Hilfe angewiesen.
       
       ## Fahrzeuge für die Armee
       
       Wie oben schon erwähnt, überführen viele Freiwillige Autos für die Armee.
       „Wir sind hier, um 50 Fahrzeuge an das Militär zu übergeben“, erzählten mir
       zwei norwegische Freiwillige in Kyjiw. Viele dieser Menschen [8][stehen in
       Kontakt mit Armee-Einheiten und kennen genau deren Bedarf]. Für die
       Soldaten sind solche Menschen trotz der Sprachbarriere bereits wie ein Teil
       der Familie.
       
       Freiwillige trifft man in der Ukraine überall: während der Arbeit und im
       Urlaub, an der Front und in Kneipen, im Rahmen großer Missionen und als
       „Einzelkämpfer“. Sie kommen aus Deutschland, der Schweiz, Skandinavien,
       Italien, Polen, den baltischen Staaten – wen trifft man nicht alles auf den
       staubigen Militärstraßen. Sie alle finden in der Ukraine vor allem eines –
       zu sich selbst.
       
       Aus dem Russischen [9][Gaby Coldewey]
       
       28 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://nafo-ofan.org/en-de
 (DIR) [2] https://ukrainesolidaritybus.org/
 (DIR) [3] /Drohnenkrieg-in-der-Ukraine/!6099721
 (DIR) [4] /An-der-Front-bei-Charkiw/!6020744
 (DIR) [5] https://proliska.org/
 (DIR) [6] /1356-Tage-Krieg-in-der-Ukraine/!6127838
 (DIR) [7] /1344-Tage-Krieg-in-der-Ukraine/!6123810
 (DIR) [8] /Tamara-Dudas-Roman-Donezk-Girl/!6086521
 (DIR) [9] /Gaby-Coldewey/!a23976/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Artem Perfilov
       
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