# taz.de -- Politikwissenschaftler über Graue Wölfe: „Es geht um eine Dominanz in der türkischen Community“
       
       > Die Grauen Wölfe gelten als die zweitgrößte rechtsextremistische Bewegung
       > in Deutschland. Ismail Küpeli zeigt in seinem Buch, wie gefährlich sie
       > ist.
       
 (IMG) Bild: Symbol des aggressiven türkischen Nationalismus: Wolfsgruß
       
       taz: Herr Küpeli, wer sind die Grauen Wölfe? 
       
       Ismail Küpeli: Die Bewegung der Grauen Wölfe geht auf verschiedene in den
       1940er-Jahren in der Türkei entstandene rechtsextreme Netzwerke zurück.
       Schon zu Beginn war es eine nationalistische und autoritäre Bewegung, die
       sich stark mit dem Staat identifizierte. Sie versteht sich als
       unterstützende Kraft im Kampf gegen gemeinsame Feinde. Das unterscheidet
       die Grauen Wölfe auch von anderen rechtsextremen Bewegungen weltweit.
       Während andere auf einen Umsturz des bestehenden Systems zielen, sehen sie
       sich als loyale Bewegung. Sie wollen den türkischen Staat nicht abschaffen,
       sondern ihn nach ihren nationalistischen Vorstellungen formen.
       
       taz: Wie kamen Sie darauf, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen? 
       
       Küpeli: Als jemand, der sich auch politisch für die pluralistische
       Demokratie in Deutschland engagiert, finde ich es naheliegend, sich auch
       mit der zweitgrößten rechtsextremen Bewegung zu beschäftigen. Zum anderen
       ergibt sich mein Interesse auch aus meiner wissenschaftlichen Arbeit. Bis
       heute sind sie für das politische System in der Türkei von erheblicher
       Bedeutung. Über die MHP, Partei der nationalistischen Bewegung, sind sie
       Teil der Regierungskoalition.
       
       taz: Welche Ziele verfolgen sie konkret? 
       
       Küpeli: Die Ziele unterscheiden sich in der Türkei und im Ausland. In der
       Türkei steht vor allem die Idee einer ethnisch homogenen,
       türkisch-sunnitischen Nation im Vordergrund – das bedeutet, Gruppen wie
       Alevit*innen, Kurd*innen oder linke Oppositionelle zu marginalisieren und
       den türkischen Nationalismus dominant zu halten.
       
       taz: Und jenseits der Türkei? 
       
       Küpeli: Zunächst geht es um die Herstellung einer Dominanz innerhalb der
       türkischen Community, etwa indem Vereine oder Moscheen so beeinflusst
       werden, dass kritische Akteure verdrängt werden. Da sich ein ethnisch
       homogenes Staatsbild in Deutschland nicht umsetzen lässt, konzentrieren
       sich die Grauen Wölfe auf eine innergemeinschaftliche Machtpolitik und die
       Förderung türkisch-nationalistischer Positionen, auch mithilfe anderer
       rechtsextremerAkteure.
       
       taz: Inwiefern? 
       
       Küpeli: In den 1990er-Jahren gab es Kontakte zu einzelnen Personen aus der
       NPD und [1][rechtsextremen Kameradschaften]. Ihre Gemeinsamkeit ist die
       Rekrutierung von Mitgliedern in Fußball- und Kampfsportvereinen. Daneben
       läuft die Mobilisierung aber vor allem über [2][lokale Moscheevereine].
       Allerdings ist in letzter Zeit ein anderer Trend zu beobachten: In Teilen
       der Wählerschaft mit türkischen Wurzeln gibt es zunehmend Sympathien für
       die AfD. Inhaltliche Schnittmengen zeigen sich beim Antifeminismus, bei der
       Queerfeindlichkeit und Ablehnung von Geflüchteten aus Syrien, Afghanistan
       oder dem Irak.
       
       taz: Wie sind die Grauen Wölfe in Deutschland organisiert? 
       
       Küpeli: Der Kern ihrer Strukturen besteht aus drei Moschee- und
       Dachverbänden. Insgesamt gibt es 10.000 organisierte Anhänger*innen.
       Darüber hinaus gibt es eine Szene von weiteren 2.000 Personen, über die es
       weniger gesicherte Erkenntnisse gibt. Dabei handelt es sich um
       gewaltbereite, teils militante Netzwerke. Ihre Strukturen ähneln oft denen
       von Rockerclubs.
       
       taz: In Frankreich sind die Grauen Wölfe verboten, in Österreich ihr Gruß –
       in Deutschland aber weder das eine noch das andere. Warum? 
       
       Küpeli: Sowohl das Verbot der Grauen Wölfe in Frankreich als auch das
       Verbot ihrer Symbole in Österreich sind auf Gewaltereignisse
       zurückzuführen. In Frankreich hat es eine Welle anti-armenischer Angriffe
       gegeben. In Österreich kam es 2020 in Wien zu massiven Ausschreitungen
       gegen Kurd*innen. Der Bundestag hat 2020 einen Antrag verabschiedet, der
       das Bundesinnenministerium aufforderte, ein [3][Verbot der grauen Wölfe] zu
       prüfen – bislang aber ohne Konsequenzen. Das hat auch außenpolitische
       Gründe. Ein Verbot der Grauen Wölfe würde einem [4][Verbot des
       Regierungspartners von Erdoğan, der MHP], in Deutschland gleichkommen.
       
       16 Nov 2025
       
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