# taz.de -- Nach Massaker in Sudan: 250.000 Menschen spurlos verschwunden
       
       > Ende Oktober verübte die RSF-Miliz im westsudanesischen El Fasher ein
       > Massaker an rund 2.000 Zivilisten. Wer entkommen konnte, floh. Doch
       > wohin?
       
 (IMG) Bild: Eine Frau, die aus El Fasher geflohen ist, ruht sich in einem Lager in Tawila, Sudan, aus, am 7.11.2025
       
       taz | „Es ist sehr schockierend“, so Shashwat Saraf, Landesdirektor für
       Sudan des Norwegischen Flüchtlingsrates (NRC) gegenüber der taz:
       „Ursprünglich hatten noch rund 260.000 Menschen in El Fasher ausgeharrt,
       doch bisher sind nur 6.000 hier bei uns angekommen. Ich befürchte, wir
       wissen nicht, wo die restlichen 254.000 sind.“
       
       Saraf sitzt in einem klimatisierten Containerbüro im Flüchtlingslager von
       Tawila vor dem Computer – einem der wenigen mit Internetverbindungen in
       Darfur. Tawila war vor Kriegsbeginn 2023 eine Kleinstadt. Mittlerweile
       beherbergt das Vertriebenenlager bis zu 650.000 Menschen. Bereits im April,
       als die Milizen der Rapid Support Forces (RSF) das Lager ZamZam am
       Stadtrand von El Fasher zerstört hatten, waren die Menschen nach Tawila
       geflohen.
       
       Täglich kommen nun wieder Leute aus El Fasher an. Die RSF nahm die letzte
       Hochburg der sudanesischen Regierungsarmee in Darfur [1][am 26. und 27.
       Oktober ein] und beging [2][ein Massaker] an rund 2.000 Zivilisten.
       Diejenigen, die entkommen konnten, flohen auch diesmal. Wieviele es genau
       waren, ist unklar.
       
       „Es ist erschreckend, in welchem Zustand sie sind“, seufzt Saraf. Man sieht
       ihm die Betroffenheit in der Videoschalte förmlich an. „Wir sind damit
       beschäftigt, die Leute zu registrieren und ihnen etwas Geld und
       psychologische Hilfe zu geben“, so Saraf: „Doch was uns wirklich Sorgen
       bereitet, ist die große Zahl an Menschen, von denen wir nicht wissen, wo
       sie sich nun aufhalten.“
       
       ## Satellitenbilder zeigen verscharrte Leichen
       
       75 Kilometer liegen zwischen El Fasher und Tawila – unwegsames Gelände
       durch die Wüste. Die Befürchtung steht im Raum, dass viele zu schwach
       seien, um es zu schaffen. „Rund 18 Monate lang war El Fasher zuvor
       belagert“, erklärt Mathilde Vu von NRC. „Hunger wurde als Kriegswaffe
       eingesetzt.“ Der Weg nach Tawila sei vor allem für Frauen und Kinder zu
       weit, um ihn zu Fuß zu bewältigen.
       
       Einige hätten ihre letzten Vorräte eingetauscht, um von Fahrzeugen
       mitgenommen zu werden. Diejenigen, die es bis nach Tawila schafften,
       berichten, dass sie auch auf der Flucht von der RSF angegriffen wurden:
       „Einige erzählen, sie seien auf Knien und Ellenbogen tagelang durch die
       Wüste gerobbt, um nicht von der RSF entdeckt zu werden“, so Vu.
       
       [3][Satellitenaufnahmen] zeigen: Die RSF hat offenbar rund um El Fasher
       Erdwälle ausgehoben, um die Menschen an der Flucht zu hindern.
       Satellitenbilder vom Donnerstag, die [4][Forensikexperten der
       US-Universität Yale] analysiert haben, lassen darauf schließen, dass die
       RSF nahe den Erdwällen in den vergangenen Tagen im großen Stil Leichen
       verbrannt und die Wälle dann zugeschüttet hat. Die Satellitenbilder zeigen
       schwarzen Rauch und im Kontrast weiße Objekte am Boden, „die von ihren
       Umrissen her Leichen sein könnten“, so deren Bericht.
       
       Dies erschwere künftige Bemühungen, „die Zahl der seit dem Fall von
       El-Fasher Getöteten zu ermitteln und die sterblichen Überreste zu
       identifizieren und an die Familienangehörigen zurückzugeben“, so die
       Forensiker.
       
       ## Drei Tage bis Kinder ansprechbar waren
       
       Diejenige, die es nach Tawila geschafft haben, leben dort nun unter
       extremen Bedingungen. „Es gibt hier nicht einmal Seife“, so Saraf. Die
       Menschen hausen unter freiem Himmel, Hilfsorganisationen händigen ihnen aus
       Mangel an Hilfsgütern Bargeld aus, „doch es gibt nur sehr wenig zu kaufen“,
       räumt Saraf ein.
       
       Cholera sei ausgebrochen, viele sterben jetzt aus Schwäche an Malaria. NRC
       unterstütze zudem die psychosoziale Betreuung der schwer traumatisierten
       Kinder, die in Tawila ankommen. „Die Lehrer*innen berichten uns, dass es
       drei Tage benötige, bis die Kinder ansprechbar seien“, so Sarafs Kollegin
       Vu.
       
       Es sind nur wenige Hilfsorganisationen in Tawila aktiv: neben NRC auch
       Ärzte ohne Grenzen sowie das International Rescue Committee (IRC). Sie alle
       profitieren von der Lage, dass Tawila nicht [5][unter RSF-Kontrolle] sei,
       erklärt Arjan Hehenkamp, IRC-Krisenleiter für Darfur, gegenüber der taz.
       
       Der Ort am Rande der Jebel Marra Berge liege im Einflussgebiet der
       SLM-Miliz (Sudan Liberation Movement), die sich aus Kämpfern aus den
       lokalen Ethnien Darfurs rekrutiert und weder mit der RSF noch mit Sudans
       Armee verbandelt ist. Doch: „Wir fürchten derzeit, dass Tawila aufgrund der
       Präsenz der Hilfswerke ebenso zu einem fruchtbaren Ziel der RSF werden
       könne.“
       
       ## Die Suche nach Vermissten
       
       IRC versucht, die Vermissten zu finden. In den vergangenen Tagen hätten
       IRC-Teams die Umgebung abgesucht. Ohne Erfolg. „Wir versuchen zu verstehen,
       wo sich die 100.000 bis 200.000 Menschen befinden“, so Hehenkamp: „Bisher
       konnten wir jedoch ihren Aufenthaltsort nicht ermitteln.“
       
       Besorgniserregend sei, dass viele Kinder ohne Eltern ankämen, rund 170
       allein in den letzten Tagen. Hehenkamp kann sich dies nur so erklären: „Es
       gibt einige Transportmöglichkeiten, die von bewaffneten Gruppen gegen
       Bezahlung angeboten wurden.“ Die RSF hatte für den Sturm auf El Fasher
       zahlreiche Milizen zur Unterstützung angeheuert, diese seien jetzt mit
       Lastwagen auf dem Rückweg in ihre Stammregionen. Kinder berichten, sie
       seien umsonst transportiert worden – hätten aber ihre Eltern zurücklassen
       müssen.
       
       Immerhin, Saraf von NRC kann ein wenig Positives berichten: „Ich habe einen
       Vater getroffen, der auf der Flucht seinen Sohn verloren und ihn in Tawila
       wiedergefunden hat“, berichtet Saraf: „Wenn man auf der einen Seite Tränen
       und auf der anderen Seite die Freude über das Wiedersehen sieht“, so Saraf:
       „Dann ist das etwas, das einen nie wieder loslässt.“
       
       7 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schlindwein
       
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