# taz.de -- Ausstellung Robert Grosvenor in Kassel: Die Wahnsinnshütte zelebriert den Westen aufs Allerschönste
       
       > Im Fridericianum Kassel ist eine Ausstellung des US-Künstlers und
       > Minimal-Art-Adepten Robert Grosvenor zu sehen. Das Vergängliche
       > kennzeichnet sein Werk.
       
 (IMG) Bild: Weniger ist mehr: Eine verpackte Porsche-Karosserie von Robert Grosvenor ist in Kassel zu sehen
       
       Robert Grosvenor war so etwas wie ein Partygast, der absolut nicht fehlen
       durfte, ohne den es öde und fad gewesen wäre, doch nur wenig später kann
       sich niemand mehr an ihn erinnern. Er war das Salz in der Suppe, der
       liebenswerte Spinner, der Abweichler ohne Theorie. Kunsthistoriker Manfred
       Schneckenburger hat ihn zu beiden seiner Documentas eingeladen.
       
       „Es kann gern eine große Arbeit für den Innenraum sein“, schrieb er 1987
       aus dem Büro in der Kasseler Wolfsschlucht nach New York. Damit nicht
       wieder verkohlte Telefonmasten kamen, die man auf der Wiese kaum findet,
       wie zehn Jahre zuvor. Obwohl die natürlich auch sensationell waren, weil
       man damals emphatisch einen Sinn für das Ephemere entwickelte, die „Macher“
       und das große Publikum zugleich.
       
       Wenige Tage nach der Eröffnung seiner Ausstellung [1][im Museum
       Fridericianum] Anfang September ist der Künstler im Alter von 88 gestorben.
       Es war wahrscheinlich nicht lustig gemeint, aber das Museum rief ihm nach
       und erklärte, man hätte ihn zu gern persönlich begrüßt. Vielleicht war es
       aber der richtige Augenblick, um das Werk von der Person zu lösen und im
       großen Überblick die Frage nach seiner Bedeutung zu stellen.
       
       ## Imposant und ungemütlich
       
       Diejenigen, die 1977 die Documenta, gesehen hatten, wird es rühren, die
       fünf großen und zwei kleinen Räume im ersten Stock des Museums hinter dem
       imposanten Portikus mit Kunst aus jener Zeit bestückt zu sehen. Grosvenors
       Skulpturen kommen als Rohre aus den Wänden oder stehen imposant und doch
       ein wenig ungemütlich im Raum. Sie brauchen also Platz, aber auch nicht zu
       viel, weil der Grad der Spannung – das, was gleich kippt oder bricht –
       niedrig gehalten ist. Man könnte das Beste daran locker übersehen. Oder mit
       etwas Dilettantischem verwechseln.
       
       Vermisst man die Säle mit dem Kompass, ergibt sich eine höchst
       eigentümliche Taxonomie. Im östlichsten Saal steht ein grellroter Torbogen
       aus Plüsch hinter einem Eisernen Vorhang, am westlichen Ende ist eine
       ziemlich große, begehbare Baracke aus völlig verrostetem Wellblech
       dagegengestellt. Wenn nicht Zufall, dann ist dies kuratorischer Scharfsinn:
       Denn die Documenta war ja das fröhlich-experimentelle Versuchslabor des
       Kalten Krieges.
       
       Man schaute nicht ohne Grausen, aber auch nicht ohne Lachen auf die
       Marionettenkunst des allwissenden Sozialismus, und elaborierte im Westen
       dagegen alles, was auch immer Platz haben konnte in einer Arena des
       erweiterten Kunstbegriffs. Dieser schloss das Maschinelle, das Eklige und
       das Unsichtbare mit ein. Robert Grosvenors korrodierte Wahnsinnshütte
       zelebriert also aufs Allerschönste den Westen, den Kapitalismus, den
       Größenwahn, die Flucht in die Einsamkeit und das Vergessen – das an
       Geschichtsvergessenheit grenzt.
       
       ## Leihgeberin Paula Cooper
       
       Er gehörte zu den Gründern einer Künstlerkooperative am Park Place 1963,
       zwei Blocks entfernt vom World Trade Center, das damals noch ein Bauplatz
       war. Die Assistentin war Paula Cooper, die (wie sie später zu Protokoll
       gab), den Künstlern damals „nur diente“. Daraus entstand die Paula Cooper
       Gallery, die in der Beschilderung als Leihgeberin auftaucht.
       
       Die Museumsweihe der jungen Künstler erfolgte durch die Ausstellung
       „Primary Structures“ im Jewish Museum, abgelöst durch das verführerische
       Wort [2][„Minimalismus“. Viele haben mit diesem Etikett den Durchmarsch
       gemacht] – Sol LeWitt, Walter de Maria, Donald Judd, [3][Carl Andre] –,
       auch wenn sie es zurückwiesen. Was Grosvenor ebenfalls tat. Es mag ihm aber
       mehr geschadet haben als den anderen. Wer hebt schon die Dachbalken hoch
       für Caspar Hauser?
       
       Der übrigens nicht in den USA studiert hatte, sondern in Dijon und Perugia.
       Die Rückkehr in die USA hatte etwas endgültig Provisorisches, Unbehaustes,
       Utopisches. Er sammelte Bastlerobjekte, Kinderspielzeug, die futuristische
       Fahrzeuge und Fluggeräte darstellen sollten. 25 davon sind in der Rotunde
       in Kassel ausgestellt. Auch er versuchte sich an Metakarikaturen von
       Düsenflugzeugen und Rennautos.
       
       Das undurchdringliche Vehikel und das gefledderte Haus stehen sich in
       seltsamer Fremdheit gegenüber. Man braucht also immer zwei Grosvenors, um
       seine Ambivalenz zu ergründen. Gegensätze funktionieren erst dann, wenn man
       den Gedanken zulässt, dass sie sich nicht gegenseitig kommentieren. Das
       haben Luise von Nobbe und Moritz Wesseler kuratierend sichtbar werden
       lassen und spürbar auch. Robert Strawbridge Grosvenor nannte er sich im
       Katalog [4][der achten Documenta], mit dem Familiennamen der Mutter
       spielend. Seine Rückkehr nach Kassel ist ein Trip.
       
       7 Nov 2025
       
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