# taz.de -- ADHS, Masking und Beziehung: Durch ADHS die perfekte Frau für dich
       
       > AD(H)Sler sind lustig, spontan und interessant. Dahinter steckt häufig
       > Masking, eine Überlebensstrategie mit fatalen Folgen.
       
 (IMG) Bild: AD(H)sler sind oft Experten im „Masking“. So wie Alice: Ganz zeigt sie sich nur dem, der ihre Schatten akzeptiert
       
       Wer meine Freundin Alice zum ersten Mal sieht, verliebt sich meist sofort
       und unsterblich. Seit ich sie kenne, haben unzählige Männer sie für die
       Liebe ihres Lebens gehalten, – oft bereit, alles für sie zu opfern. Der
       Grund dafür ist ihre typische [1][AD(H)S-Fähigkeit], zu erspüren, was ihr
       Gegenüber braucht und sich blitzartig in eine dafür maßgeschneiderte
       Version zu verwandeln.
       
       Alice gibt Leuten das Gefühl, ihre unbemerkten Talente ebenso zu sehen, wie
       ihre sorgsam verborgenen Mängel – und sie trotzdem zu akzeptieren. Ohne es
       zu wollen, wird sie damit zum Spiegel Nerhegeb aus [2][Harry Potters]
       „Stein der Weisen“: Wer sich in ihr betrachtet, sieht die Erfüllung seiner
       geheimsten Träume. Und kommt nicht mehr von ihr los.
       
       Ironischerweise ist es genau das, was Menschen wie Alice selbst nicht
       bekommen haben: bedingungslose Akzeptanz und Wertschätzung dafür, wer sie
       wirklich ist. Stattdessen hat sie, wie viele Frauen mit AD(H)S, von Anfang
       an gelernt, sich zu verstellen, sich zu maskieren. Masking, das bedeutet,
       die eigene vermeintliche Unzulänglichkeit im Alltag mit aller Kraft zu
       überspielen, um in einer von neurotypischen Leuten gebauten Welt
       klarzukommen: überpünktlich zu Terminen kommen, super organisiert sein, nie
       „nein“ sagen, um die eigene Verlässlichkeit unter Beweis zu stellen.
       
       Besonders von weiblich sozialisierten Menschen wird erwartet, dass sie sich
       für die gute Laune anderer (vor allem von Männern) zuständig fühlen.
       Zusammen mit der Fähigkeit, Bedürfnisse zu erspüren, werden wir zum Traum
       unserer Gegenüber – und zur fatalen Mischung für uns selbst. Denn nicht nur
       das Masking selbst, also das ständige Beobachten von fremden und eigenen
       Verhaltensweisen, macht uns fertig, sondern „auch der Umstand, dass man
       sein eigentliches Ich für minderwertiger hält“, sagt die Neuropsychologin
       Jacqueline Eldagsen-Gutowsky. Nur wenn ich mich maximal kontrolliere, bin
       ich liebenswert, so der fest eingebrannte Gedanke.
       
       ## Rückzug zum Akku laden
       
       Wenn wir dem Druck nicht mehr standhalten können, ziehen wir uns zurück,
       fühlen uns einsam und unverstanden, auch von uns selbst. Ist der Akku
       wieder aufgeladen, verschwenden wir unsere Energie erneut darauf, andere zu
       pleasen. Hinter der oft unbewussten Strategie steckt aber nicht nur Angst
       vor Zurückweisung, die viele AD(H)Sler begleitet, sondern auch der Versuch,
       andere genau davor zu bewahren und ihnen einen safe space zu schaffen,
       damit die Nachbarin, der Kollege, die Aldiverkäuferin sich öffnen kann.
       
       Denn natürlich maskieren sich auch neurotypische Menschen. Aber das
       passiert dann oft „situativ, flexibel, reversibel und bewusst“, sagt
       Eldagsen-Gutowsky. „Sie greift weder in die Identitätsentwicklung ein, noch
       ist sie mit einem zu hohen Aufwand verbunden“.
       
       Alice sagt: „Ich lege mein Herz vor die Leute. Wenn ich mit ihnen spreche,
       gibt es nur noch sie und mich. Ich gebe alles, was ich habe, ich kann nicht
       anders“. Häufig glauben Leute, ein Recht auf sie zu haben. Und Alice gibt
       sich dann eine Mitschuld an der Enttäuschung ihres Gegenübers – und zieht
       sich zurück.
       
       Die echte Alice kennen nicht viele. Sie zeigt sie nur dem, der damit
       umgehen kann, dass sie keine perfekte Barbiepuppe ist, ihre Schatten
       akzeptiert: Die Wut, die Verzweiflung, die schlechte Laune. All das, was
       sich Bahn bricht, wenn wir abends loslassen können. Aber eben auch: Die
       Aufmerksamkeit, die Einfühlsamkeit, die Begeisterung. Und all das ist echt.
       
       16 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /ADHS-im-Erwachsenenalter/!6111346
 (DIR) [2] /Geburtstagsgruss-an-J-K-Rowling/!6099633
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sunny Riedel
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kolumne Dopaminimum
 (DIR) Feminismus
 (DIR) ADHS
 (DIR) Beziehung
 (DIR) Reden wir darüber
 (DIR) Serien-Guide
 (DIR) Kolumne Dopaminimum
 (DIR) Kolumne Dopaminimum
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Paris Hilton Serie über ADHS: Exklusive Inklusivität
       
       Paris Hiltons neueste Selbstverwertung bietet Inneneinrichtungstipps für
       Menschen mit ADHS. Auch bietet sie verdammt viel Ragebait.
       
 (DIR) Vom Kinderbuch zum Erwachsensein: Frederick, ADHS oder man nennt es auch Intuition
       
       Die Mutter unserer Autorin setzte Hoffnungen in Leo Lionnis Geschichte der
       Kreativmaus Frederick. Aber kann sie tatsächlich helfen im Kapitalismus?
       
 (DIR) ADHS im Erwachsenenalter: Die Zeit des ADHS-Shamings ist nun endlich vorbei!
       
       ADHS galt früher als Makel. Heute feiert die jüngere Generation ihre
       Eigenarten und bricht mit alten Klischees.