# taz.de -- Apple-TV-Serie „Down Cemetery Road“: Ohne Märtyrerinnentum
       
       > In „Down Cemetery Road“ ermitteln Ruth Wilson und Emma Thompson in
       > Oxford, nach einer Romanvorlage von Mick Herrons – mit viel Witz und noch
       > mehr Biss.
       
 (IMG) Bild: Emma Thompson spielt die Privatdetektivin Zoë Boehm – unverschämt und sarkastisch, sich unentwegt durchschnorrend
       
       Sarah Trafford ist vor allem eins: gelangweilt. Die Kunstkonservatorin,
       gespielt von Ruth Wilson, restauriert in Oxford Kunstwerke von Männern, die
       eigentlich deren Ehefrauen gemalt haben („Wann wird er endlich
       gecancelt?“). Nach der Arbeit hastet sie nach Hause, um tiefgekühlte
       Gemüselasagne aufzuwärmen und sie den furchtbaren Geschäftsfreunden ihres
       ebenso furchtbaren Freundes als Delikatesse zu servieren. Sie ist müde von
       den Fragen nach ihrem fehlenden [1][Kinderwunsch] und erschöpft von der
       emotionalen Tölpelhaftigkeit ihres Freundes.
       
       Als in der Nachbarschaft ein Haus explodiert und das überlebende Kind
       verschwindet, lässt das Sarah nicht mehr los. Die Grenzen zwischen
       persönlicher Sinnsuche, echten Verdachtsmomenten und einer seit ihrer
       Jugend bestehenden Neigung zu psychischer Instabilität verschwimmen mehr
       als einmal, sodass sie besänftigt, bedroht und mit Engelszungen gebeten
       wird, ihre Privatermittlungen einzustellen.
       
       Sie wendet sich stattdessen an Joe (herrlich: Adam Godley), einen
       Privatdetektiv, der eigentlich eher Affären mit Au-Pairs auf den Grund
       geht, als hochkomplexe Komplotte aufzudecken. Doch Joe wird kurz darauf
       umgebracht. Spätestens da wird aus seiner Ehefrau Zoë Boehm (Emma
       Thompson), die selbst Privatdetektivin ist, und Sarah eine
       Schicksalsgemeinschaft der hartnäckigen Frauen. Gemeinsam lassen sie keinen
       Vertuschungsversuch unaufgedeckt.
       
       Das Zusammenspiel von [2][Emma Thompson] und [3][Ruth Wilson] ist an sich
       schon ein Ereignis. Die mehrfache Oscar- und Golden Globe-Preisträgerin
       Thompson und die ebenfalls Golden Globe-ausgezeichnete Wilson – unvergessen
       brillant als [4][Hauptdarstellerin in „The Affair“] – wurden für ihre
       Schauspielleistungen schließlich in den „Order of the British Empire“
       aufgenommen. Dass diese beiden Exzellenzdarstellerinnen nun gemeinsam in
       Mick Herrons „Down Cemetery Road“ einem verworrenen Verbrechen auf den
       Grund gehen, ist Anlass genug, sich in die acht Folgen der Thrillerserie
       versinken zu lassen.
       
       ## Thompsons beste Rolle seit Langem
       
       Die Serie ist aber auch auf jeder anderen Ebene sehenswert – Filmmusik,
       Spannungsdramaturgie und Setting erzeugen einen Sog menschlicher Abgründe.
       Tiefschwarzer britischer Humor verhindert gleichzeitig jede Art der
       Sentimentalität über das große Böse im Menschen.
       
       Zoë Boehm ist in vielerlei Hinsicht das weibliche Pendant zu [5][Jackson
       Lamb aus Herrons „Slow Horses“-Reihe] – unverschämt, sarkastisch, sich
       unentwegt durchschnorrend. Die kurzhaarig-zerzauste Boehm im Ledermantel,
       mit treffsicherer Menschenkenntnis belustigt sich endlos über alles
       Angepasste, Bürgerliche. Es ist Thompsons beste Rolle seit Langem und
       bietet ihrem britisch-unterkühlten, komödiantischen Talent alle
       Möglichkeiten.
       
       Wo die Serie Herrons Buchvorlage verändert, ist das logisch und sinnvoll.
       So wird aus der gelangweilten Hausfrau Sarah Tucker in der Serie die
       Konservatorin Trafford, genauso in der Sackkasse des Alltags gefangen wie
       ihr literarisches Vorbild. Die von Herron entworfenen Frauenfiguren
       verpflichten sich aufrichtig und uneitel der Wahrheitsfindung, ohne ins
       Märtyrerinnentum abzurutschen – davor bewahrt zu jedem Zeitpunkt der für
       Herron typische schwarze Humor.
       
       Die Buchvorlage, Herrons Debütroman von 2003, ist kürzlich erstmals in
       [6][deutscher Übersetzung im Diogenes Verlag] erschienen. Herron widmete
       Zoë Boehm mehrere Bände und ließ sie nach diesem Debüt weiterermitteln. Es
       ist zu hoffen, dass Apple TV sich auch den folgenden Boehm-Romanen annimmt
       und dass sie in deutscher Übersetzung erscheinen, denn sie sind ein echter
       Gewinn an weiblicher Ermittlungskunst mit Witz.
       
       3 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Umgang-mit-dem-Kinderkriegen/!6077859
 (DIR) [2] https://www.imdb.com/de/name/nm0000668/
 (DIR) [3] https://www.imdb.com/de/name/nm2235721/
 (DIR) [4] /Kolumne-Die-Couchreporter/!5309264
 (DIR) [5] /Neue-Staffel-Slow-Horses-Lustiger-denn-je/!6112512
 (DIR) [6] https://www.diogenes.ch/leser/titel/mick-herron/down-cemetery-road-9783257301151.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marie-Sofia Trautmann
       
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