# taz.de -- Beisetzung toter Geisel: Kaddish für Itay
> Nach 760 Tagen ist der israelische Soldat Itay Chen seiner Familie tot
> zurückgegeben worden. Der Riss durchs Land zeigte sich bei seiner
> Trauerfeier.
(IMG) Bild: Itay Chen war am Tag des Überfalls der Hamas getötet worden
Ruby Chen hat die Arme um seine Söhne Roi und Alon gelegt. Sie stehen auf
dem Kiryat-Shaul-Friedhof in Tel Aviv, die Krägen ihrer Hemden sind gemäß
jüdischer Tradition eingerissen. „Yitgadal veyitkadash“, beginnen die drei.
Sie sprechen Kaddish für ihren Sohn und Bruder Itay Chen, dessen Leichnam
die Hamas am Dienstag an Israel übergeben hat. Nach 760 Tagen in Gaza wurde
er nun in seiner Heimat beigesetzt.
Am Morgen des 7. Oktober 2023 war der 19-jährige Itay Chen als Soldat im
Einsatz. Er war über den Feiertag Simchat Thora im Dienst, um am Wochenende
darauf die Bar-Mizwa seines kleinen Bruders feiern zu können. In ihrem
Panzer versuchten er und drei weitere Soldaten, die angreifenden
Terroristen von Hamas und Islamischem Dschihad (PIJ) davon abzuhalten, in
die Kibbuzim im Süden Israels einzudringen. Die Terroristen ermordeten an
diesem Tag fast 1.200 Menschen und verschleppten 251 in den Gazastreifen.
Während der Beisetzung in Tel Aviv werden Funksprüche aus dem Panzer
abgespielt. Man hört Stimmen rufen, sie werden lauter, aufgeregter. Dann:
Stille. Soldaten fanden im Panzer später nur eine Leiche, die von Tomer
Leibovitz. Matan Angrest, Daniel Peretz und Itay Chen waren in den
Gazastreifen verschleppt worden. „Bitte schreiben Sie nicht, dass er tot
ist“, hatte Itay Chens Mutter Chagit Chen nur wenige Tage vor dem zweiten
Jahrestag des 7. Oktober [1][im Gespräch mit der taz] gesagt.
Schon Monate zuvor hatte das israelische Militär der Familie mitgeteilt,
dass Itay Chen wahrscheinlich nicht mehr lebe. Dann kam der
Waffenstillstand. Der 13. Oktober, an dem die Hamas die noch lebenden
Geiseln nach mehr als zwei Jahren freiließ, unter ihnen Matan Angrest –
aber Itay Chen war nicht dabei. „Ich hatte Angst, dass man dich nicht
findet“, sagt Chagit Chen nun unter Tränen auf dem Friedhof. „Dass niemand
weiß, was mit dir passiert ist. Dass du nicht zurückkommst.“ Sie habe alles
getan, damit ihr Sohn nicht in Gaza bleibe. „Wie sehr habe ich gewollt,
dass das Ende anders ist.“
## Polit-PR auf der Beerdigung
Tausende haben sich an diesem Sonntag auf dem Friedhof versammelt. Israels
Präsident Isaac Herzog hält eine Rede, ebenso der deutsche Botschafter
Steffen Seibert und der US-Sonderbeauftragte Steve Witkoff, wenn auch nur
zugeschaltet. Chen hatte neben der israelischen auch die US-amerikanische
und die deutsche Staatsbürgerschaft.
Der Riss, der sich dieser Tage durch Israel zieht, ist auch hier nicht zu
übersehen. Herzog, zeitweise auf Englisch, beschwört die internationale
Gemeinschaft: Hier gehe es um einen Kampf zwischen „uns, die wir Frieden
und Stabilität suchen, und denen, die Terror bringen“. Steve Witkoff
wiederum lobt nicht nur in höchsten Tönen den US-Präsidenten Donald Trump,
sondern auch Israels Premierminister Benjamin Netanjahu. Auffällig ist, wer
ihm und der israelischen Regierung nicht dankt: die Eltern des Toten,
Chagit und Ruby Chen.
Monatelang hatten die [2][Angehörigen vieler Geiseln Israels] Führung zum
Ende des Kriegs aufgefordert. Dieser gefährde das Leben der Verschleppten
nur noch mehr. Am Grab seines Sohnes nun sagt Ruby Chen ins Mikrofon, Teile
der israelischen Regierung hätten die Werte des Judentums vergessen. Sie
hätten auf Warnungen des Militärs vor der Gefahr nicht hören wollen. Und er
verlangt Antworten: Warum die Basis an diesem Samstag schutzlos gewesen
sei. Warum Hilfe nicht rechtzeitig gekommen sei. Es sind Fragen, die viele
Menschen im Land bewegen – aber Versuche, eine Kommission zur Aufarbeitung
einzusetzen, wurden in der Knesset jüngst von der Regierungsmehrheit
abgeblockt.
9 Nov 2025
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## AUTOREN
(DIR) Dinah Riese
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