# taz.de -- Pornfilmfestival 2025: „Pornografie ist nicht per se nicht feministisch“
       
       > Die Pornoindustrie steckt voller Widersprüche und Herausforderungen. Ein
       > Gespräch mit der Pornohistorikerin und Branchenexpertin Noelle Perdue.
       
 (IMG) Bild: Die Historikerin Noelle Perdue
       
       Rund zehn Jahre lang arbeitete Noelle Perdue in allen Bereichen der
       Pornofilmproduktion. Heute nutzt die Autorin und Pornohistorikerin ihre
       Erfahrungen, um Widersprüche und Herausforderungen der Pornoindustrie zu
       erklären und zu analysieren. Anlässlich ihrer Konferenz auf dem Adult
       Industry Open Forum im Rahmen des Pornfilmfestivals Berlin hat sich die
       Kanadierin mit der taz ausgetauscht. 
       
       taz: Wann kann man überhaupt vom feministischen Pornofilm sprechen? Was
       zeichnet ihn aus? 
       
       Noelle Perdue: In einer Definition des Feminismus, die stark in
       Klassenbewusstsein und Arbeitsrechten verwurzelt ist, ist feministische
       Pornografie ein Arbeitsprodukt, bei dem alle Beteiligten sich wohlfühlen
       und stolz auf das sind, was sie produzieren. Genauso wie ethische Fragen
       und Pornografie dazu beitragen, dass marginalisierte Identitäten sicher,
       geschützt und repräsentiert sind. Das ist feministische Pornografie. Eine
       Szene kann ästhetisch sehr vielfältig sein. Wenn die Darsteller:innen
       am Set jedoch nicht gut behandelt wurden, ist die Produktion nicht ethisch
       oder feministisch.
       
       taz: In einem Ihrer Newsletter äußern Sie Kritik an ethischer Pornografie
       und sprechen über die „Pick-Me“-Mentalität in der Erotikindustrie. Was
       genau stört Sie an feministischem Porno? 
       
       Perdue: Ich bin keine Freundin davon, Pornografie zu gendern. Etwas als
       „feministischen Porno“ zu bezeichnen, impliziert, dass andere Pornografie
       nicht feministisch ist. Dadurch entsteht eine Kategorisierung in
       feministische und nicht-feministische Pornografie. Aber Pornografie ist
       nicht per se nicht feministisch. Alle Pornos könnten für alle sein. Der
       Großteil der Mainstream-Pornografie wird jedoch aus einer männlichen
       Perspektive produziert, und viele Frauen, die Mainstream-Inhalte
       konsumieren, sehen sich darin nicht unbedingt repräsentiert. Auf diesen
       Aggregator-Websites mangelt es an Vielfalt, aber es gab schon immer
       vielfältige Darsteller:innen und Vielfalt in der Pornografie.
       
       taz: Wie hat sich das Verhältnis von Frauen zur Pornografie im Laufe der
       Zeit verändert? 
       
       Perdue: Frauen haben schon immer Pornografie konsumiert und tun dies auch
       heute noch. In den letzten fünf bis zehn Jahren ist die Nachfrage nach
       vielfältiger Pornografie sowie nach Pornografie, die sich ausdrücklich an
       ein weibliches Publikum richtet, gestiegen. Wir befinden uns in einer
       beispiellosen Zeit, in der Frauen offen dafür sind, für Pornografie zu
       bezahlen, und offen über ihren Konsum sprechen. Frauen in ihren 20ern und
       30ern stellen den wertvollsten Marktanteil dar. Infolgedessen gibt es mehr
       Studios und Darsteller:innen, die es sich leisten können, Inhalte für ein
       explizit weibliches Publikum zu produzieren. Die Pornoindustrie
       interessiert sich für Frauen als Zielgruppe.
       
       taz: Wie lassen sich die Risiken von Pinkwashing und unethischem Verhalten
       bei diesem stark gewinnorientierten Ansatz vermeiden? 
       
       Perdue: Pornos für Frauen werden vorwiegend als Marketingstrategie und
       Schlagwort verwendet. Doch es handelt sich um eine Frage des
       Klassenbewusstseins und nicht der ästhetischen Praxis. Diese Art von
       Pinkwashing hat in den letzten zehn Jahren das Interesse großer
       Mainstream-Produktionen in der Erotikindustrie geweckt. Um die
       Authentizität der Ethik eines Studios zu beurteilen, sollte man überprüfen,
       ob es einen Ethikstandard gibt, in dem die eigenen ethischen Grundsätze und
       deren Umsetzung in den Produktionen erläutert werden. Der beste Weg, um
       repräsentativere Pornografie zu sehen, ist, sich tatsächlich mit der
       Branche auseinanderzusetzen.
       
       taz: Wie hat sich die Pornofilmindustrie in ihren Praktiken verändert? 
       
       Perdue: Die Pornoindustrie ist Vorreiterin bei der Festlegung ethischer
       Standards. Intimitätskoordination beispielsweise hat ihren Ursprung auf
       Pornosets und wird in der Branche seit mindestens zehn Jahren praktiziert,
       während sie erst jetzt von Mainstream-Filmen übernommen wird. Da
       Pornografie in den letzten 20 Jahren eine pädagogische Rolle in der
       Sexualaufklärung übernommen hat, versuchen Studios und Darsteller, viel
       mehr Inhalte hinter den Kulissen zu veröffentlichen. Insbesondere im
       Hinblick auf Gespräche über Einwilligung ist die Pornoindustrie wirklich
       der Goldstandard. Viele Studios führen vor und nach den Dreharbeiten
       ausführliche Gespräche über Einwilligung und erstellen Ja- und Nein-Listen,
       um sicherzustellen, dass alle Darsteller:innen auf dem gleichen Stand
       sind.
       
       taz: Doch von Mainstream-Streaming-Plattformen bis hin zu neuen Formen der
       Pornografie wie OnlyFans bleiben Frauen in der Pornoproduktion auf sehr
       begrenzte Rollen beschränkt. Wie hat sich das Verhältnis der Pornografie
       zur Darstellung von Frauen entwickelt? 
       
       Perdue: Es gibt berechtigte Kritik an der Erotikindustrie. Vieles davon ist
       jedoch eigentlich eine umfassendere Kritik daran, wie die Gesellschaft mit
       Frauen umgeht, und sollte auch so betrachtet werden. Pornografie fungiert
       als Spiegelbild. Es ist viel sinnvoller, darüber nachzudenken, wie dies in
       unserem Umgang miteinander und in der Politik der menschlichen Sexualität
       tatsächlich verwurzelt ist, anstatt es als reines Pornografieproblem zu
       betrachten. Wenn Menschen also diese Kritik äußern, würde ich mir wünschen,
       dass sie noch einen Schritt weitergehen und analysieren, wie dies ein
       Spiegelbild dessen ist, was in größerem Maßstab geschieht.
       
       22 Oct 2025
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gabrielle Meton
       
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