# taz.de -- Ausgeladen wegen „Unwohlsein“: Kein Auftritt für Eva Illouz
       
       > Eva Illouz, Soziologin mit israelischem Pass, darf nicht an einer
       > Rotterdamer Uni sprechen. Ihre Arbeit an einer Hochschule in Israel
       > spreche dagegen.
       
 (IMG) Bild: Schriftstellerin Eva Illouz auf der Frankfurter Buchmesse am 17. Oktober
       
       Seit einem Vierteljahrhundert fast publiziert Eva Illouz meist auch für ein
       mit der Soziologie nicht vertrautes Publikum gewichtige Bücher und Essays,
       die um das Emotionale schlechthin sich drehen. Mit „Der Konsum der
       Romantik“ gab sie 2003 im deutschsprachigen Raum ihr Debüt, eine Schrift,
       denkerisch irgendwo zwischen Kultur- und Medienwissenschaft, zwischen
       Psychologie und Gesellschaftsdiagnose angesiedelt.
       
       „Explosive Moderne“ war ihr vorletztes Buch. Ihre These, etwas vergröbert:
       Alles, was wir an Gefühligem kennen, ob in jedem Einzelnen präsent oder in
       der gesellschaftlichen Darbietung, ist medial, literarisch, ästhetisch
       überhaupt vermittelt. So gut wie nichts an Emotionalem gibt es im
       ahistorisch zu verortenden Naturzustand: Was wir empfinden und wie wir
       wiederum dieser Gefühle gewärtig werden, folgt diskursiven Regeln.
       
       Ein Spätfreudianerin ist sie somit auch: wissend, dass wir nicht
       menschliche Wesen im eigenen seelischen „Haus“ sind. Illouz, 1961 in Fès,
       Marokko, in eine jüdische Familie hineingeboren, aufgewachsen in
       Frankreich, zählt zu den einflussreichsten öffentlichen Intellektuellen
       weltweit. So gut wie keine akademische Adresse prominentester Art fehlt in
       ihrer Biografie, aktuell lehrt sie an der École des hautes études en
       sciences sociales in Paris und an der Hebräischen Universität in Jerusalem.
       
       ## Absage nach „interner Debatte“
       
       Dass sie Jüdin und Israelin ist, ist ihr nun zur Last gelegt worden, und
       zwar von einer Einrichtung, die an der Erasmus-Universität im
       niederländischen Rotterdam angesiedelt ist. Ihren für Ende November
       geplanten Vortrag im „Erasmus Love Lab“ müsse man leider absagen, „nach
       interner Debatte“ und „demokratischer Abstimmung“, weil ihre Bedeutung an
       der israelischen Universität als „sehr unsensibel“ wahrgenommen werde. Man
       würde sich mit dem Besuch Illouz’ sehr „unwohl“ fühlen. Was dieses
       Unwohlsein ausmacht, was dieses Buzzword aus einer aktuellen
       [1][„Verhaltenslehre der Kälte“] konkret bedeuten könnte, wurde
       offengelassen.
       
       Die Soziologin replizierte sarkastisch auf diese Ausladung: Es sei
       erfreulich, dass „eine antisemitische Entscheidung“ demokratisch getroffen
       worden sei. Die Entscheidung gegen den israelisch-französischen Gast fiel
       offenbar ohne Erwägung von Zweifeln: Zwar hat die niederländische
       Universität quasi die Kooperation mit israelischen Universitäten gekappt,
       nicht jedoch damit konkrete WissenschaftlerInnen meinen wollen. Illouz aber
       fiel unter das Verdikt – was plausiblerweise mit ihrem auch in Deutschland
       erschienenen Buch „8. Oktober“ zu tun haben könnte.
       
       In diesem Essay hatte sie weniger das Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 im
       israelischen Negev rekapituliert, sondern [2][die globale Linke
       angeprangert, die zu keinem Mitgefühl] mit den ermordeten Opfern in der
       Lage gewesen sei und vielmehr den Terroranschlag mit einem lapidaren „So
       was kommt von so was“ beantwortet habe. Das Büchlein ist eine
       Auseinandersetzung mit ihrer eigenen fundamentalen Enttäuschung ob dieser
       Schadenfreude an der islamistischen Aktion, denn Illouz zählt selbst zur
       Linken, seit jeher.
       
       Für Israel wünscht sie sich einen anderen Ministerpräsidenten als Benjamin
       Netanjahu, sie zählt zu den schärfsten Kritikerinnen der Politik dieses
       Regierungschefs. In einem Text für den Spiegel schrieb sie: „Statt Israel
       zu diffamieren, sollte man denen die Hand reichen, die gegen diese
       Regierung sind, die Frieden wollen. Man sollte ihnen helfen, sie zu
       stärken. Stattdessen hat die Welt, besonders die Linke, die Opposition
       innerhalb Israels isoliert und geschwächt.“
       
       3 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.deutschlandfunkkultur.de/germanist-und-kulturwissenschaftler-helmut-lethen-ich-100.html
 (DIR) [2] /Nahostkonflikt-an-deutschen-Unis/!6124999
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Feddersen
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
 (DIR) Nahost-Debatten
 (DIR) Reden wir darüber
 (DIR) Social-Auswahl
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA