# taz.de -- Arbeitskampf bei Lieferando: „Noch krassere Ausbeutung“
> Lieferando-Fahrer*innen streiken gegen die Vorhaben des Lieferdienstes.
> Das Unternehmen will stärker auf prekäre Tagelöhner*innen setzen.
(IMG) Bild: Nicht nur schlecht bezahlt, auch körperlich belastend sind die Jobs bei Lieferando
taz | Sichere Arbeitsplätze, 15 Euro Stundenlohn, Tarifverträge und kein
Stellenabbau: Das sind die Forderungen des [1][Lieferando Workers
Collective] und der [2][Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG)], die
am Donnerstag zu einem berlinweiten Streik der Lieferando-Fahrer*innen
aufgerufen haben.
An Wind und Wetter gewöhnt, haben sich am verregneten Donnerstagnachmittag
dutzende Fahrer*innen nahe der Warschauer Brücke in Friedrichshain zum
Streik versammelt, um gegen die Pläne ihres Arbeitgebers zu protestieren.
[3][Dieser will bundesweit rund 2.000 Stellen abbauen], um stattdessen auf
Angestellte von Subunternehmen zu setzen, die für ihre unwürdigen
Arbeitsbedingungen bekannt sind.
„Bisher ist die Arbeit noch machbar, aber ich habe große Sorge, wie es
weitergeht“, sagt der Rider Mohan G., der seinen echten Namen nicht in der
Zeitung lesen will. Er fährt seit vier Jahren für Lieferando Essen aus und
ist heute hier, weil er weiterhin einen festen Stundenlohn fordert und gute
Absicherung im Fall von Krankheit oder Arbeitsunfällen: „Es kann so viel
passieren beim Ausliefern, man kann sich schwer verletzen und lebenslang
eingeschränkt sein“, sagt G.
Tatsächlich waren die Arbeitsbedingungen bei Lieferando bisher besser als
bei anderen Unternehmen in der Branche: Während Lieferdienste wie UberEats
und Wolt schon länger auf die Auslagerung auf fragwürdige Subunternehmen
setzen, sind bei Lieferando noch die meisten Fahrer*innen direkt
angestellt und bekommen statt einer Bezahlung pro Auslieferung einen festen
Stundenlohn. Der beläuft sich auf den gesetzlichen Mindestlohn von 12,82
Euro. Auch konnten sich die meisten Fahrer*innen bisher noch auf
unbefristete Arbeitsverträge verlassen. Doch selbst die Einhaltung dieser
Mindeststandards könnte nun auch bei Lieferando bald der Vergangenheit
angehören.
## Das Elend der Schattenflotten
Die geplante Stellenauslagerung, die in Städten wie [4][Potsdam und
Hamburg] noch rasanter voranschreitet, hat in Berlin bisher insbesondere
Kurier*innen in Spandau betroffen. Mohan G. erzählt der taz von
Kolleg*innen, die dort über die miserablen Arbeitsumstände und die
unsichere Bezahlung klagen.
„Für solche Schattenflotten zu arbeiten, bedeutet weniger Lohn und noch
krassere Ausbeutung“, sagt der Kurier Rob S., der von der Bühne zu den
versammelten Streikenden und Unterstützer*innen spricht. Er ist
Mitglied des Betriebsrats, den sich die Beschäftigten in Berlin erstritten
haben, und hat als Mitglied der Verhandlungskommission Erfahrung im Umgang
mit den Chefetagen des Unternehmens.
Sein Befund ist wenig überraschend: Denjenigen, die in der
Unternehmenszentrale sitzen und die Profite auf Kosten der Kurier*innen
erhöhen wollen, fehle es grundsätzlich an „Wertschätzung für die
Arbeiter*innen“. Er sagt, Lieferando wolle Widerstand gegen die
Arbeitsbedingungen unterbinden, „jederzeit Leute herauswerfen können und
sie zum Schweigen bringen“ – mit ihnen sei das aber nicht zu machen.
Rob S. richtet seine Forderungen auch an die Politik: Es reiche nicht aus,
wenn die Angestellten eines Unternehmens beim Erkämpfen von fairen
Arbeitsverhältnissen alleingelassen würden. Stattdessen brauche es ein
branchenweites Verbot dubioser Subunternehmen. Auch die Politik ziehe sich
hier also aus der Verantwortung, menschenwürdige Bedingungen zu schaffen.
## Mehr Widerstand gefordert
Alexandra B. will ebenfalls nicht schweigen. Sie gehört zu denen, die
letztes Jahr in Spandau gefeuert wurden, um Platz für günstigere
Tagelöhner*innen zu machen. Zu den Streikenden sagt sie, in Berlin
gebe es Tausende Kurier*innen, doch davon seien nur wenige da. Ihr
Plädoyer: Es brauche mehr gewerkschaftliche Organisierung, mehr Streikende,
häufigere Streiks.
Um eben dafür zu mobilisieren, ist heute auch ein Fahrer von UberEats
gekommen. Er warnt die Branchenkolleg*innen vor den unwürdigen
Umständen, denen er als Fahrer für dubiose Drittunternehmen ausgesetzt sei,
und ruft gleichermaßen dazu auf, sich dieser prekären Entwicklung
entschlossen zu widersetzen.
Bevor die Streikenden sich aufmachen, um ihren Protest vor die
Unternehmenszentrale zu tragen, kommen noch die Linken-Politiker*innen
Ferat Koçak und Damiano Valgolio zu Wort. „Ihr seid es, die ihr die Stadt
am Laufen haltet“, versichert der Neuköllner Bundestagsabgeordnete Koçak
den Kurier*innen. Statt ihnen dafür Respekt und Anerkennung
entgegenzubringen, sei ihren Chefs nur an ihrer Ausbeutung gelegen: „Wenn
der Chef euch bei der Lohnabrechnung betrügt, dann ist das kein Versehen“,
ist Koçak überzeugt.
Der für die Linken im Abgeordnetenhaus sitzende Valgolio schließlich
sichert allen, die in Arbeitskämpfen involviert sind, die Solidarität der
Linkspartei zu. Er bietet den Fahrer*innen mit Blick auf den kommenden
Winter Räume der Linken an, in denen sie Pause machen, sich aufwärmen und
Kaffee trinken könnten, „Räume, die euch eigentlich Lieferando
bereitstellen müsste“, so Valgolio.
23 Oct 2025
## LINKS
(DIR) [1] https://www.instagram.com/lwc_berlin/?hl=de
(DIR) [2] https://www.ngg.net/
(DIR) [3] /Arbeitskampf-bei-Lieferando/!6112635
(DIR) [4] /Massenentlassung-beim-Essenslieferanten/!6099982
## AUTOREN
(DIR) Anselm Mathieu
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