# taz.de -- ARD-Serie „Hundertdreizehn“: Die Toten und die Lebenden
       
       > Die gelungene Serie „Hundertdreizehn“ dreht sich um die Folgen eines
       > Verkehrsunfalls. Erzählt mit kitschigen Elementen, aber ohne Zeigefinger.
       
 (IMG) Bild: Die Ermittler:innen: Hänno Gudjons (David Hugo Schmitz,l), Jan Auschra (Robert Stadlober) und Anne Goldmundt (Lia von Blarer, r)
       
       Das Drama des Rezensenten ist ja, dass er immer zu viel verraten muss, um
       zu erzählen, worum es geht. Das trifft auf [1][die Serie
       „Hundertdreizehn“], die Dienstag und Mittwoch in der ARD gezeigt wird,
       besonders zu. Allein der Titel verrät fast alles, sobald mal erklärt, wofür
       er steht.
       
       Wer die Serie über die Folgen [2][eines Verkehrsunfalls] anschauen möchte,
       sollte an dieser Stelle aufhören zu lesen. Nur so viel vorab: Die Serie hat
       ein gehobenes Niveau, auch wenn sich typische TV-Schmonzettigkeiten
       eingeschlichen haben. Sie sollen offenbar das Thema für eine Mehrheit
       kompatibel machen, die „Traumschiff“ und Ähnliches schaut. So funktioniert
       Unterhaltung mit Anspruch.
       
       Sie lesen weiter? Gut, auf eigene Gefahr. Das Grundkonzept der Serie ist
       schnell erzählt. Auf der Fahrt von Köln nach Graz verunglückt ein Reisebus.
       Kurz vor einem Tunnel gerät er auf die Gegenfahrbahn und rast in
       entgegenkommende Autos. Die Zahl der Opfer ist immens, auch wenn sie nicht
       genau beziffert wird. Die Bilder der Wracks sind vielsagend.
       
       Die Folgen einer solchen Massenkarambolge erzählt die Serie mit einem
       bewährten Kniff. Die Älteren werden sich vielleicht noch an die genauso
       hoch gelobte wie umstrittene [3][ZDF-Serie „Tod eines Schülers“] erinnern.
       Die erzählte Anfang der 1980er Jahre vom Suizid eines Jugendlichen – in
       sechs stilbildenden Folgen, jeweils aus der Perspektive eines
       Hauptbetroffenen, mit sich teils widersprechenden Ergebnissen.
       
       Mit Perspektivwechseln und Zeitsprüngen, Parallelerzählungen und viel Qualm
       schafft „Hundertdreizehn“ es, den Zuschauer:innen das Drama [4][der
       Autorepublik] ohne Zeigefinger nahezubringen: den Unfalltod.
       
       Die erste Folge widmet sich dem Busfahrer Theo, der bei dem Unfall ums
       Leben kommt. Seine Frau und Tochter müssen feststellen, dass der Vielfahrer
       am Reiseziel Graz noch eine zweite Familie hatte. Folge 2 dreht sich um den
       Speditionsunternehmer Richard, der als Augenzeuge des Unfalls mit
       beginnender Demenz zu kämpfen hat – und mit einem Konkurrenten und Freund,
       der ihn in die Bredouille bringt.
       
       ## Pro Leiche 11 Familienangehörige
       
       Folge 3 folgt dem Rettungssanitäter Jesper, der mit einem alten Trauma zu
       kämpfen hat. Dann gibt es noch eine von der Hochzeit geflohenen Braut und
       eine Polizistin, die den Hund ihres Kollegen nicht mag, aber in eins der
       Opfer verliebt war. Wie gesagt, die Serie ist keineswegs frei von
       TV-Kitsch.
       
       Was sie herausragend macht, ist ihr Umgang mit der titelgebenden Zahl. 113
       ist nicht, wie man bei diesem Thema vielleicht vermuten könnte, die ein
       Tempolimit brechende Geschwindigkeit, die zum Unfall führt. 113 ist, wie
       ein Polizist fast beiläufig in Folge 2 erwähnt, die Zahl der Menschen, die
       unmittelbar davon betroffen sind, wenn ein Mensch im Straßenverkehr getötet
       wird.
       
       Im Schnitt sind pro Leiche 11 Familienangehörige, 4 enge Freunde, 56
       Freunde und Bekannte nachhaltig betroffen sowie 42 Einsatzkräfte wie
       Rettungssanitäter, Feuerwehrkräfte oder Polizisten mit diesem Schicksal
       konfrontiert.
       
       Die Zahlen stammen aus einer Studie, [5][die das Bundesverkehrsministerium
       zusammen mit dem Deutschen Verkehrsrat im Jahr 2017 für die Kampagne der
       Verkehrssicherheitskampagne „Runter vom Gas“ in Auftrag gab]. Die
       Konsequenz damals: ein paar Autobahnplakate mit der Bitte, etwas langsamer
       zu fahren.
       
       Im Jahr 2024 [6][wurden über 2.770 Menschen im Verkehr getötet].
       „Hundertdreizehn“ macht klar, wie das die 2.800 mal 113, die über 310.000
       Überlebenden in Deutschland traumatisiert. Plakate allein reichen nicht
       aus. Schmonzetten auch nicht. Aber sie helfen, die Perspektive zu ändern.
       
       14 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.ardmediathek.de/serie/hundertdreizehn-oder-dramaserie/staffel-1/Y3JpZDovL3dkci5kZS9odW5kZXJ0ZHJlaXplaG4/1
 (DIR) [2] /SUV-Verkehrsunfall-auf-Sardinien/!6097283
 (DIR) [3] https://de.wikipedia.org/wiki/Tod_eines_Sch%C3%BClers
 (DIR) [4] /ARD-Doku-ueber-Autos-und-Deutschland/!6113317
 (DIR) [5] https://www.runtervomgas.de/aktuelles-und-downloads/presse/presse-pressemitteilung-2017-autobahnplakate
 (DIR) [6] /Verkehrsunfallbilanz-2024/!6107082
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gereon Asmuth
       
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