# taz.de -- Vom Berliner Hauptbahnhof in die Stadt: Backstage das Fußvolk, vorne die Nähe zur Macht
> Eine Reise kann horizonterweiternd sein. Und das Ankommen. Raus aus dem
> Bahnhof, so unsere Kolumnistin, sieht man gleich, wie diese Stadt
> Ankommende anspricht.
(IMG) Bild: Angekommen in Berlin. Dann kann man vom Hauptbahnhof auch zu Fuß in die Stadt
Ja, liebe Freund*innen des Walking Around: Meine Reise in zwei
australische Großstädte war eine auf erfreuliche Weise [1][anregende und
horizonterweiternde Erfahrung]. Es ist doch schön, ab und zu sehen, wie man
Dinge anders, vielleicht besser, angenehmer machen kann, manchmal nur ganz
kleine, etwa in der Art, Menschen anzusprechen: „Unser Fahrer kümmert sich
gerne um Ihr Anliegen, sobald der Bus hält“, stand in den australischen
Bussen, nicht: „Während der Fahrt nicht mit dem Fahrer sprechen!“
Ebenso horizonterweiternd war meine Rückkehr nach Berlin, wenn auch weniger
mit Freude verbunden. Denn wer – wie ich in diesem Fall – über den
Hauptbahnhof anreist, kann dort gleich einen Eindruck davon gewinnen, wie
diese Stadt Ankommende anspricht.
Man kann den riesigen Glasbau als Fußgängerin über zwei Wege verlassen: der
eine führt in Richtung des Regierungsviertels mit Reichstagsgebäude und
Brandenburger Tor, der andere sozusagen in den Back Stage-Bereich der
deutschen Hauptstadt. Nimmt man die Bühnenseite, läuft man angenehm über
grüne Wiesen oder am Wasser entlang an den Gebäuden vorbei, hinter denen
die Regierungs- oder sonstige politische Macht ihr Werk tut. Und diese
strahlen weniger angenehme Vibes aus.
Es sind meist spiegelverglaste oder gar komplett schwarze Kuben, die
Unzugänglichkeit, Abweisung, Exklusion vermitteln: Du, Fußgängerin, sollst
nicht glauben, du seist hier in irgendeiner Weise als Mensch, als Bürgerin
beteiligt. Dich lassen wir nicht hinter unsere Kulissen schauen, du bist
draußen.
Das Paul-Löbe-Haus mit den Bundestagsbüros gewährt mit großen runden
Fenstern zur Spreeseite zwar immerhin Einblick in einen bunten
Cafeteria-Bereich, es weckt damit aber – auch mit seiner
Sichtbeton-Bauweise – eher nostalgische Erinnerungen an Zeiten, als
Bürger*innen noch nicht vor allem als Bedrohung betrachtet wurden.
Erinnerungen, die auf der anderen Seite des Gebäudes allerdings gleich
wieder von dem rot-weißen Meer aus Polizeigittern weggeschwemmt werden, das
die Wiese vor dem Bundestag absperrt.
Verlässt man den Hauptbahnhof in die andere Richtung, weil man mit dem Bus
nach Neukölln oder auch mit der Straßenbahn in die nordöstlichen Bezirke
fährt, sieht man Berlins andere Seite. Der Platz hinter dem Hauptbahnhof –
er heißt lustigerweise Europaplatz, während der Platz Richtung
Regierungsviertel Washingtonplatz heißt – ist seit der Bahnhofseröffnung
2006 eine Dauerbaustelle mit schröppeliger Asphaltierung, von Bauzäunen
umgrenzt und ohne sinnvolle Taxi- oder Pkw-Anfahrt; Fahrräder sind
allerorts massenhaft angeschlossen, weil ausreichende Radparkplätze fehlen,
und der Zugang zum ÖPNV ist quasi diskriminierend.
Zwar wurde die Tramhaltestelle erneuert, doch sind deren Bahnsteige viel zu
klein, um dem Personenverkehr rund um den Hauptbahnhof Platz zu bieten.
Kommt man mit dem Bus an, muss man die Invalidenstraße überqueren, deren
Mittelinseln wiederum zu schmal sind, um ganze Busladungen aufzunehmen: Die
Menschen kommen nur portionsweise über die Straße, und das dauert, denn die
Ampelschaltung bevorzugt den Autoverkehr.
Es ist dies ein Gegensatz, der einem gleich bei der Ankunft in der
deutschen Hauptstadt klar macht, wem man hier zugehört: ob man Teil der
Mächtigen ist oder eben nur Fußvolk. Gerne erinnere ich mich an meine
Spaziergänge in Australien – nein, nicht, weil da alles besser ist. Sondern
weil dabei stets noch so ein schöner Spruch zu lesen war: „Keep left!“,
steht da zur Erinnerung immer mal wieder auf den Straßen, Rad- und
Gehwegen: Bleibt links!
12 Oct 2025
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## AUTOREN
(DIR) Alke Wierth
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