# taz.de -- Sébastien Lecornu soll Regierung bilden: Weitermachen lautet die Parole in Frankreich
       
       > Nach dem Rücktritt Bayrous macht Präsident Macron den bisherigen
       > Verteidigungsminister Lecornu zum neuen Premier. Er gilt als treuer
       > Gefolgsmann.
       
 (IMG) Bild: Der scheidene Premierminister Francois Bayrou (links) und sein Nachfolger Sebastien Lecornu (rechts)
       
       Paris taz | Nur ein paar Stunden, nachdem Präsident Emmanuel Macron den
       Rücktritt des bisherigen Regierungschefs François Bayrou entgegen genommen
       hatte, übertrug er das Amt seinem bisherigen Verteidigungsminister
       Sébastien Lecornu. In zahlreichen Kommentaren der Medien wird
       unterstrichen, mit der Wahl des Verteidigungsministers beweise Macron
       symbolisch, dass er in der Defensive sei. Vor allem aber gilt Lecornu als
       Treuester unter den Getreuen des Präsidenten. „Der brave Soldat Lecornu“,
       spottet die Zeitung Libération über den neuen Premier.
       
       Der heute 39-Jährige hat bereits eine beachtliche politische Karriere
       hinter sich. Er hatte zuerst als konservativer Lokalpolitiker in der
       Normandie verschiedene Ämter und galt als Anhänger von Nicolas Sarkozy.
       Doch dann verließ er die Partei Les Républicains, um sich der Bewegung En
       marche von Emmanuel Macron anzuschließen.
       
       Er war von Beginn an, das heißt ab 2017, Mitglied in allen Regierungen.
       Zuerst als Staatssekretär, dann als Minister für Umweltfragen, danach für
       die Überseegebiete und schließlich ab 2022 Minister der französischen
       Streitkräfte. In der eher reibungslosen Zusammenarbeit mit den Militärs hat
       er sich in der Staatsführung einen Namen gemacht, blieb aber für die
       breitere Öffentlichkeit ein unbeschriebenes Blatt.
       
       ## Hauptsache nicht anecken
       
       Es wird darum von den Medien erwartet, dass Lecornu buchstabengetreu die
       Politik des Präsidenten weiterführen wird, möglichst ohne anzuecken. Wie
       beispielsweise die Wirtschaftszeitung Les Echos schreibt: „Er ist rund,
       diskret und kann mit allen reden.“ Damit wäre er genau [1][das Gegenteil
       von Bayrou], der angeblich auf keine Einwände hörte und stur an seinen
       eigenen Vorschlägen festhielt, bis zu seinem Fall. Anders als Bayrou, der
       drei Mal bei Präsidentschaftswahlen kandidiert hatte, scheint Lecornu keine
       andere Ambition zu haben, als seinem Chef Macron ein effizienter
       Mitarbeiter zu sein.
       
       Lecornu soll dort weiterkommen, wo Bayrou versagt hatte: in der Suche nach
       einem Kompromiss und der Konzertation mit den Sozialpartnern und auch
       gegnerischen Parteien. Da die Konservativen grundsätzlich bereits seit dem
       Sommer 2024 mit den Macronisten zusammenarbeiten, eine Allianz mit den
       Rechtspopulisten aber als Tabu gilt, müsste es die Priorität des neuen
       Premierministers sein, Unterstützung in den Reihen der linken Opposition,
       namentlich bei den Sozialisten, zu finden. Andernfalls muss er befürchten,
       dass er schon sehr bald und bei der ersten Gelegenheit bei einem Votum über
       einen Misstrauensantrag gestürzt wird.
       
       Der erste Test wird bereits die Wahl seiner zukünftigen Minister sein.
       Lecornu soll eine Regierung bilden, die in ihrer politischen
       Zusammensetzung eventuell bis hin in die Reihen der Opposition wenn nicht
       Zustimmung, so doch wenigstens eine vorläufige Duldung finden könnte.
       Umgekehrt hat der neue Regierungschef vom Präsidenten die Parole erhalten,
       dort weiterzumachen, wo Bayrou gescheitert ist, nämlich in der Debatte über
       den Staatshaushalt 2026 und die Verteilung der damit verbundenen
       Sparanstrengungen.
       
       ## Erste Reaktion Macrons auf die aktuellen Proteste
       
       Die Wahl der Kontinuität mit Lecornu ist zweifellos auch eine erste Antwort
       des Staatschefs auf [2][die am Mittwoch beginnenden Proteste und drohenden
       Streiks] der kommenden Wochen. Der Präsident steht unter Zeitdruck, die
       Ratingagenturen könnten Frankreich wegen der Verschlechterung der
       Finanzlage mit einer Herabstufung sanktionieren. Das erklärt es vielleicht,
       warum er es sich leisten kann oder will, das Angebot der oppositionellen
       Sozialisten in Betracht zu ziehen, die sich anerboten hatten, mit einer
       alternativen Haushaltspolitik die Aufgabe der Regierungsbildung zu
       übernehmen. Ein echte Chance, dabei eine Mehrheit in der in drei Blöcke
       zerstrittenen Nationalversammlung zu finden, wird den Sozialisten nicht
       gegeben.
       
       Dass Macron darum einmal mehr die Idee ausschlägt, der Linken die
       Verantwortung zu geben, die als stärkster Block aus den Wahlen im Sommer
       2024 hervorgegangen war, wird dem Präsidenten vor allem von links als
       selbstherrliches Beharren auf seinem Standpunkt und Provokation
       vorgeworfen. In Anbetracht der zahlreichen regierungsfeindlichen Aktionen
       auf der Straße mit dem Appell, Macron abzusetzen, klafft ein wachsende
       Distanz zwischen der Staatsmacht und großen Teilen der Bevölkerung.
       
       10 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Regierungskrise-in-Frankreich/!6112435
 (DIR) [2] /Generalstreik-in-Frankreich/!6109074
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Emmanuel Macron
 (DIR) François Bayrou
 (DIR) Schwerpunkt Frankreich
 (DIR) Premierminister
 (DIR) GNS
 (DIR) Sébastien Lecornu
 (DIR) Haushaltskrise
 (DIR) Schwerpunkt Emmanuel Macron
 (DIR) Schwerpunkt Emmanuel Macron
 (DIR) Schwerpunkt Emmanuel Macron
 (DIR) Schwerpunkt Emmanuel Macron
 (DIR) Schwerpunkt Frankreich
 (DIR) Schwerpunkt Emmanuel Macron
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Regierungskrise in Frankreich: Von einer Bredouille in die nächste
       
       Nach nur 14 Stunden ist in Frankreich die gerade gebildete Regierung
       gescheitert. Der Ball liegt wieder bei Präsident Macron. Gute Optionen gibt
       es für ihn nicht.
       
 (DIR) Frankreich wird von Fitch „abgewertet“: 50 Jahre Defizit – und kein Ende?
       
       Wie erwartet hat die US-Ratingagentur Fitch Frankreichs Kreditwürdigkeit
       von AA- auf A+ herabgestuft. Die Finanzmärkte setzen so Frankreichs
       Regierung und ihre Haushaltspolitik unter Druck.
       
 (DIR) Proteste in Frankreich: „Ob Lecornu oder ein anderer…“
       
       Während der neue französische Premier Lecornu sein Amt antritt, wird im
       ganzen Land demonstriert. Es ist vielleicht die erste Runde einer
       Eskalation.
       
 (DIR) Krise in Frankreich: Marktnonkonforme Demokratie
       
       Frankreich hat Schulden – und braucht Geld, vor allem für die Aufrüstung.
       Ein Sparpaket gegen den Willen der Bevölkerung ist aber nicht
       durchzusetzen.
       
 (DIR) Regierungskrise in Frankreich: Versagen mit Ansage
       
       Dass Bayrou bei der Vertrauensabstimmung fallen würde, ist wenig
       überraschend. Was Frankreich jetzt braucht, ist eine Reform der
       Institutionen.
       
 (DIR) Regierungskrise in Frankreich: Höhere Schulden, schlechteres Rating
       
       Frankreichs Zinslast wächst. Das liegt auch daran, dass Ratingagenturen es
       schlechter als Deutschland bewerten.
       
 (DIR) Generalstreik in Frankreich: Gelb ist das neue Rot
       
       Die Bewegung „Bloquons tout“ will ganz Frankreich lahmlegen. Ihr fehlt
       politisches Können – profitieren wird vor allem die französische Rechte.