# taz.de -- Fragen der Zeit: Lieben die jungen Deutschen die Bombe?
       
       > Eine deutsche Atombombe erscheint als ein absurder Gedanke. Unsere
       > Autorin macht sich auf die Suche, weshalb junge Menschen sie zu begrüßen
       > scheinen.
       
 (IMG) Bild: Ein Blick in die Vergangenheit: US-amerikanische Soldaten beobachten einen Atomtest. Ein Bild der Abschreckung?
       
       [1][taz FUTURZWEI] | Eine [2][Atombombe] für Deutschland, was für ein
       absurder Gedanke. Wer will denn sowas?
       
       Doch bevor ich weiter darüber nachdenken kann, dass das unnötig,
       völkerrechtswidrig und auch viel zu teuer wäre, erinnere ich mich an eine
       „Eilmeldung“, die unlängst aufploppte: „[3][Jens Spahn] spricht sich für
       ein deutsches Atomwaffenprogramm aus.“
       
       Ja, okay, aber wer teilt denn schon Jens Spahns Meinung? Haben wir nicht
       alle mal gelernt, dass [4][Atomwaffen] zu besitzen am Ende immer
       gefährlicher ist, als keine zu haben? Außerdem haben wir ja schon
       Atombomben irgendwo in der Eifel stehen. Über die bestimmen halt leider die
       Amis, die zurzeit nicht so der zuverlässigste Partner sind.
       
       Aber wir könnten ja stattdessen unter den Schirm der Franzosen, nicht? Und
       abwerfen wollen wir ja sowieso keine. Wer – außer Jens Spahn – sollte schon
       wollen, dass Deutschland seinen eigenen roten Knopf hat?
       
       Die Antwort lese ich wenig später in einer alten Zeit: In einer
       bundesweiten repräsentativen Umfrage stimmten knapp drei Viertel klar gegen
       eine deutsche Atombombe. Alle scheinen sich einig, sogar die
       [5][AfD]-Wähler sind mehrheitlich dagegen. Nur eine Gruppe sticht heraus:
       die junge Generation.
       
       Knapp über die Hälfte (54 Prozent) der 18- bis 24-Jährigen sei der Meinung,
       dass Deutschland Atomwaffen besitzen sollte. Warum? Das beantwortet mir die
       Zeit nicht. Also starte ich einfach meine eigene – nicht repräsentative –
       Umfrage. Auf Insta. Mein Ergebnis ist nicht ganz so schockierend, aber
       dennoch: Selbst in meiner cozy links-grün-versifften Insta-Bubble stimmen
       21 Prozent für Ja.
       
       „Wenn’s nach mir ginge, hätte niemand eine. Aber wenn die Franzosen schon
       welche haben …“, schreibt mir einer, als ich nach seiner Begründung frage.
       
       Ein ehemaliger Mitschüler erklärt mir, dass eine eigene Atomwaffe nicht
       „primär ein Ausdruck militärischer Aggressivität“ wäre, sondern ein
       „sicherheitspolitisches Instrument“, eine andere schreibt von mehr
       „Respekt“ und „Unabhängigkeit“.
       
       Also Atomwaffen für Deutschland, um Frieden zu sichern? Ich bin nicht
       convinced. Außerdem bräuchte es ja für eine solche Waffe auch den
       Wiedereinstieg in die [6][Atomkraft]. Etwas, dem viele junge Deutschen auch
       nicht abgeneigt sind, wie ich weiter lese.
       
       [7][Tschernobyl], [8][Hiroshima], atomares Wettrüsten und die dauerhafte
       atomare Bedrohung bis Ende der 1980er-Jahre im geteilten Deutschland,
       US-Atombombentests im [9][Pazifik], die die Umwelt für die nächsten
       Jahrhunderte zerstört haben, das alles scheint für meine Generation und
       jüngere Generationen schon längst verblasst.
       
       Selbst Fukushima ist zeitlich schon zu weit weg. Ich muss an meinen
       Politikunterricht in der Mittelstufe denken, bei dem wir einmal zum Thema
       „Atomenergie – ja oder nein?“ diskutiert haben, als würden wir darüber
       reden, ob wir lieber Pizza oder Burger zum Mittagessen wollen. Und
       Atombomben kamen bei uns sowieso nur im Geschichtsunterricht vor.
       
       Als wir über das „Kräftegleichgewicht“ zwischen zwei Staaten gesprochen
       haben, von denen einer nicht mehr existierte. Und Kubricks Dr. Seltsam war
       ein komischer Film aus längst vergangenen Zeiten, über den wir nur lachen
       konnten.
       
       Ich beschließe, Leo die Atom-Frage zu stellen. Er ist von all meinen
       Freunden vermutlich der, der am meisten Ahnung von Kriegstüchtigkeit und
       nationaler Sicherheit hat. Schließlich war er nach dem Abi freiwillig (!)
       beim Militär und arbeitet jetzt wieder für die [10][Bundeswehr].
       
       „Nationale Anstrengungen dazu halte ich für völlig sinnlos“, schreibt er
       mir. „Die Ressourcen braucht es für die konventionelle Aufrüstung. Wir
       haben die nukleare Teilhabe, die Franzosen in der [11][EU] und die Briten
       in Europa.“ Das klingt immerhin nach einer fundierten Antwort.
       
       Aber auch nicht sonderlich beruhigender als das, was eine Freundin mir
       schreibt: „Wenn es zum Krieg kommt, dann hoffentlich gleich ein Atomkrieg,
       dann ist es schneller vorbei.“
       
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       mit dem Titelthema „Zahlen des Grauens“ [12][gibt es jetzt im taz Shop].
       
       8 Sep 2025
       
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