# taz.de -- Horror-Videospiel „The Lightkeeper“: Blutende Möwen
> Zwischen Nebelhorn und Kriegsgeheul entfaltet das Indie-Horrorspiel „The
> Lightkeeper“ eine eigene Stimme. Gab's das nicht schon einmal als Film?
(IMG) Bild: Hat viel gesehen und gehört, der Leuchturmwärter in „The Lightkeeper“
Nähern wir uns etwas Realem, einem Traum, einer Illusion zwischen Leben und
Tod oder doch der Toteninsel von Arnold Böcklin? Der Leuchtturm in der
Ferne rückt näher, sein Nebel umhüllt uns und wir setzen die ersten
Schritte auf die Insel. Ein Nebelhorn erschüttert die Luft, Möwen kreisen
über unserem Kopf und das Geräusch der Brandung empfängt uns.
In dieser anfangs noch idyllischen und überschaubaren Welt kommen wir
unserer Arbeit als Leuchtturmwächter nach, wechseln Öl, putzen Lampen,
kümmern uns um rudimentäre Elektronik und wärmen unsere Stube mit einem
Feuer.
Doch wofür ist die Tür unterhalb des Turms? Was bedeuten die drei Gräber in
der Ferne? Warum [1][dringen Kriegsgeräusche] an unsere Ohren?
Schon in den ersten Minuten wird klar, wie atmosphärisch „The Lightkeeper“
ist. Das kleine Indie-Horrorspiel entführt uns – wenn auch nur für rund 90
Minuten – in das Jahr 1925 und in die Einsamkeit. Es folgen die üblichen
Versatzstücke, die man aus der Vielzahl an kurzen Horrorspielen kennt:
Zuerst sind es blutende Möwen, die überall auf der kleinen Insel
auftauchen, dann eine Silhouette eines Mannes auf dem Turm und die
obligatorische Wanderung mit der Taschenlampe durch die Nacht.
Die genreüblichen Jumpscares sind erfreulich selten, ist es doch die
Soundkulisse, die [2][für Gänsehaut] sorgt. Das Spiel braucht lange, um
eine eigene Handschrift zu finden. „The Lightkeeper“ ist [3][dem Film] „The
Lighthouse“ zum Verwechseln ähnlich.
Sechs Jahre zuvor schuf Regisseur Robert Eggers mit seinem Horrorfilm ein
Glanzstück, das in den nächsten Jahrzehnten durchaus zum Genreklassiker
werden kann. Robert Pattinson und Willem Dafoe spielten sich auf einer
verlassenen Insel gegenseitig gegen die runden Wände des Leuchtturms,
dekonstruierten Männlichkeitsbilder, Seemannsgarn und griechische Mythen in
einem. Zwar zitiert auch das Spiel gleich zu Beginn vollmundig Platon, doch
an die Tiefe des Films kann es nicht reichen.
Zudem wirkt es lange so, dass „The Lightkeepeer“ seine Vorlage dreist
kopiert und als Inspiration anstatt Epigone ausgibt. Erst nach einigen
Gängen über die Insel findet das Spiel seinen eigenen Charakter.
## Ebenbild einer posttraumatischen Belastungsstörung
Unsere Spielfigur dringt in den Keller des Leuchtturms vor und deckt die
düstere Geschichte der vorherigen Wärter auf. Dabei versinkt die Figur
selbst im Alkoholismus, dem sie einst abschwor. Wir lernen seine
Vergangenheit kennen, in der er als Weltkriegssoldat durch einen Fehler
seine Kameraden verlor. Die Last wiegt schwer auf seinen Schultern und so
steht er wieder vor den Kasernenbetten, Gewehren und Giftgasmasken, die er
vergessen wollte.
Gerade diese Momente, wenn sich das Spiel von seiner filmischen Vorlage
losreißen kann, bleiben in Erinnerung. Die Insel wird zu den Schützengräben
des Stellungskrieges, die Erde matschig und übersät mit Leichen, Menschen
sterben und verbrennen zu allen Seiten.
„The Lightkeeper“ wird zum Ebenbild einer posttraumatischen
Belastungsstörung einer Figur, die durch den Horror auf der Insel aufs Neue
gebrochen wird. Damit hat das niederländische Studio Darkphobia Games im
See der Horrorspiele eine kleine Perle geschaffen. Die drei möglichen Enden
geben dem Spiel einen Wiederspielwert, wenn auch nur einen geringen.
Um noch fesselnder zu sein, hätten die beiden Entwickelnden früher eigene
Akzente setzen müssen, anstatt einen Film nachzuerzählen. Zwar zeigen sie
rechtzeitig ihre Ideen, doch beschneiden sie sich zuvor nur selbst.
Die Grenze zwischen Inspiration, Aneignung und Nachahmung ist dünn, wird
hier oft überschritten und wieder verwischt. Die Originalität lässt sich im
Spiel zweifelsfrei erkennen, aber erst, nachdem wir uns mehrere Male vom
Leuchtturm haben blenden lassen. Am Ende lohnt sich beides: „The
Lightkeeper“ und „The Lighthouse“, am besten in dieser Reihenfolge.
24 Sep 2025
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## AUTOREN
(DIR) Martin Seng
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