# taz.de -- Das Wüst-Land
       
       > Bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen bleibt die CDU stärkste
       > Kraft. Der grüne Koalitionspartner dagegen schmiert ab – und das aus
       > eigenem Verschulden
       
 (IMG) Bild: Meister der Schmerzen: In Gelsenkirchen fühlen sich viele abgehängt und abgeschrieben
       
       Aus Bochum, Bonn und Berlin Andreas Wyputta und Tobias Schulze
       
       Eine stabile CDU, teils massive Verluste für Grüne und SPD – aber kein
       Durchmarsch der rechtsextremen AfD: Das ist das Ergebnis der Kommunalwahlen
       im mit 18 Millionen Menschen bevölkerungsreichsten Bundesland
       Nordrhein-Westfalen. Die CDU kam landesweit auf 33,3 Prozent, verlor 1
       Prozentpunkt gegenüber ihrem Kommunalwahlergebnis von 2020. In ihrem
       einstigen Stammland zweitstärkste Kraft wurde die SPD mit 22,1 Prozent
       (minus 2,2 Punkte). Schlecht abgeschnitten haben dagegen die Grünen, die
       offenbar von 20 auf 13,5 Prozent abstürzten. Für die AfD entschieden sich
       14,5 Prozent der Wähler:innen – und damit 9,4 Prozentpunkte mehr als vor
       fünf Jahren. Die Linken fuhren mit 5,6 ein Plus von 1,8 Prozentpunkten ein.
       Die Wahlbeteiligung war mit 58,5 Prozent so hoch wie seit 30 Jahren nicht
       mehr.
       
       „Ökologische, progressive Politik hat es gerade schwer“, sagte Grünen
       Co-Bundeschef Felix Banaszak in einer ersten Reaktion. Grund für das
       schlechte Abschneiden seiner Partei sei eine „fundamentale Verschiebung“
       der politischen Lage nach rechts, erklärte Banaszak in Bonn, wo der
       Bundesvorstand der Partei am Montag auch über das Ergebnis der
       NRW-Kommunalwahl beraten will: „Der Wind kommt gerade von vorn.“
       Allerdings: In Nordrhein-Westfalens einziger Millionenstadt Köln stellen
       die Grünen auch künftig die stärkste Ratsfraktion. Die Partei kam auf 25
       Prozent, gefolgt von 19,9 Prozent für die SPD und auch für die CDU. Für die
       Linken haben sich in der Domstadt 10,8 Prozent entschieden. Die AfD dagegen
       rangiert in der viertgrößten Stadt Deutschlands mit 9,1 Prozent nur auf
       Platz 5.
       
       Vorn liegt in Köln die grüne Direktkandidatin Berîvan Aymaz: Für die
       53-Jährige, bisher Vizepräsidentin des nordrhein-westfälischen Landtags,
       votierten 28,1 Prozent der Wähler:innen, gefolgt vom Sozialdemokraten
       Torsten Burmeister mit 21,3 Prozent. Er und Aymaz müssen am 28. September
       also in eine Stichwahl. „Ich bin überwältigt“, freute sich Berîvan Aymaz
       gegenüber der taz: „Ich bin dankbar für jede Stimme, für jede
       Unterstützung“. Es sei ihr gelungen, viele Menschen zu erreichen – und „zu
       vermitteln, welche Potenziale Köln hat“, glaubt die Grüne. Bei der
       Stichwahl werde sie weiter auf ihre Hauptthemen setzen: „Das sind
       bezahlbare Wohnungen, gerechte Mobilität und Klimaschutz.“ Im Umgang mit
       der offenen Drogenszene seien „deutlich stärkere Hilfsangebote“ nötig,
       „damit Menschen wirklich raus aus der Abhängigkeit kommen und die
       öffentlichen Plätze entlastet werden“.
       
       Wie erwartet stark abgeschnitten hat die Partei von Bundeskanzler Friedrich
       Merz und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst. „Ein tolles, großartiges
       Ergebnis“ habe seine Partei eingefahren, jubelte Wüst in der
       Landeshauptstadt. „8 Prozentpunkte besser als der Bundestrend“ sei die CDU
       in Nordrhein-Westfalen, erklärte Wüst – was durchaus auch als Spitze gegen
       Merz zu verstehen ist.
       
       Für die Grünen gab es aus der gemeinsamen Landesregierung keinen
       Rückenwind: Alle vier grünen Minister:innen des Landes kämpfen in ihren
       Ressorts mit Problemen. Die stellvertretende Ministerpräsidentin Mona
       Neubaur muss als Wirtschaftsministerin den weiter laufenden Braunkohleabbau
       im rheinischen Revier verkaufen – und hat mit der Räumung des Dorfes
       Lützerath weite Teile der Klimabewegung verprellt. Dazu kommt: Neubaur
       ist auch für die Atomaufsicht zuständig – und sieht sich entgegen den
       Versprechen des Koalitionsvertrags mit der CDU nicht in der Lage, die
       mindestens 50 drohenden Atommülltransporte aus dem Forschungszentrum Jülich
       ins münsterländische Ahaus zu verhindern. Das ärgert die eigene
       Kernwählerschaft – die Anti-Atom-Bewegung, die die Grünen als Multiplikator
       jahrzehntelang gestützt hat.
       
       Der grüne Verkehrsminister Oliver Krischer wird dagegen für das marode
       Straßennetz in NRW verantwortlich gemacht – auch wenn Katastrophen wie die
       wegen der einst einsturzgefährdeten, mittlerweile gesprengten
       Rahmede-Autobahnbrücke seit Jahren gesperrte A45 im Sauerland in der
       Verantwortung des Bunds liegen. Doch auch der Bau von Radschnellwegen, den
       sich Krischer auf seine Fahnen geschrieben hat, kommt nicht voran.
       
       Und die grüne Integrationsministerin Josefine Paul steht wegen der nicht
       erfolgten Abschiebung des Messer-Attentäters, der in Solingen 3 Menschen
       getötet und 8 weitere schwer verletzt hat, in der Kritik. Justizminister
       Benjamin Limbach muss sich dagegen wegen, die Besetzung der
       Präsidentenstelle des Oberverwaltungsgerichts in Münster mit einer
       Duz-Bekannten verantworten. Zumindest suboptimal ist die Performance der
       grünen Landesregierungsriege deshalb – und das eineinhalb Jahre vor der
       nächsten Landtagswahl im Frühjahr 2027.
       
       Kanzler Merz hatte dagegen nicht nur beim NRW-Landesparteitag seiner
       Christdemokraten in Bonn für seine Politik geworben. Als Ort seines
       Antrittsbesuchs in NRW wurde Münster gewählt, wo der langjährige
       CDU-Rathauschef Markus Lewe nicht mehr antrat. Im Kampf um das Amt des
       Oberbürgermeisters wird es stattdessen eine Stichwahl zwischen dem Grünen
       Tilman Fuchs und Christdemokrat Georg Lunemann geben.
       
       In Berlin galt die Kommunalwahl durchaus als Stimmungstest für die
       schwarz-rote Regierungskoalition im Bund: In NRW wählen durften rund 13,7
       Millionen Menschen – nur 7 der 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union
       haben mehr Einwohner:innen. Nicht umsonst ließ deshalb sich Politprominenz
       aller Parteien in den vergangenen Wochen scharenweise in NRW sehen. Bayerns
       CSU-Ministerpräsident Markus Söder unterstützte NRW-Regierungschef Hendrik
       Wüst im heimischen Münsterland.
       
       Auch die SPD bekam massiv Unterstützung aus Berlin: Die aus Duisburg
       stammende Co-Parteichefin Bärbel Bas war über Wochen immer wieder in NRW
       unterwegs – in ihrer Heimatstadt, aber etwa auch in Wuppertal, Solingen und
       Moers. Ihr Co-Parteichef, Vizekanzler Lars Klingbeil, spielte in
       Lüdenscheids Fußgängerzone den Oasis-Song „Wonderwall“ auf der Gitarre, und
       Deutschlands beliebtester Politiker, Verteidigungsminister Boris Pistorius,
       ließ sich in Düsseldorf sehen.
       
       Ausgezahlt hat sich der Einsatz für die SPD allerdings nicht überall. In
       der Revier-Großstadt Duisburg landete der amtierende SPD-Oberbürgermeister
       Sören Link bei der Direktwahl zum Rathauschef mit 46,0 Prozent zwar mehr
       als deutlich vor dem zweitplatzierten AfD-Mann Carsten Groß mit 19,7
       Prozent. Auch in Duisburgs Stadtrat ist die SPD mit 32,6 Prozent stärkste
       Kraft. In Dortmund, das lange als „Herzkammer der Sozialdemokratie“ galt,
       holte SPD-Rathauschef Thomas Westphal dagegen nur 27,4 Prozent – und muss
       noch einmal gegen den bei 17 Prozent liegenden Christdemokraten Alexander
       Kalouti ran.
       
       AfD-Co-Bundeschef Tino Chrupalla bezeichnete seine Partei in einem Anflug
       von Größenwahn zwar als „Volkspartei“. Dennoch ist der befürchtete
       Durchmarsch der Rechtsextremen auch in den von Deindustrialisierung und
       hoher Arbeitslosigkeit gebeutelten Städten im Norden des Ruhrgebiets
       ausgeblieben. Offenbar ist es der AfD nirgendwo in Nordrhein-Westfalen
       gelungen, als stärkste Kraft in einen Stadtrat einzuziehen.
       
       In der ehemaligen SPD-Hochburg Gelsenkirchen lieferte sich die Partei zwar
       ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der SPD. Für die Sozialdemokraten votierten
       30,4, für die Rechtspopulisten 29,9 Prozent – in keiner Großstadt
       Nordrhein-Westfalens waren die Rechtspopulisten stärker. Bei der Direktwahl
       zur Oberbürgermeisterin entschieden sich aber 37,0 Prozent für die auch von
       den Grünen unterstützte SPD-Kandidatin Andrea Henze, im Rathaus bisher
       Dezernentin für Arbeit, Soziales und Gesundheit. Am 28. September wird sich
       Henze damit in einer Stichwahl dem AfD-Mann Mann Norbert Emmerich stellen
       müssen, der auf 29,8 Prozent der Stimmen kam. Emmerich erklärte bereits, er
       schiele bei der Stichwahl auf Wähler:innen der CDU.
       
       16 Sep 2025
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Wyputta
 (DIR) Tobias Schulze
       
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