# taz.de -- Parlamentswahl in Argentinien: Öl, Gas, Lithium – und Glück
       
       > Am Sonntag finden Parlamentswahlen in der Provinz Buenos Aires statt. Ein
       > Kampf zwischen Präsident Javier Milei und dem alten Kirchner-System.
       
 (IMG) Bild: Javier Milei, Superstar und Wahnsinniger vor dem Herrn
       
       Es sind schwierige Zeiten für Argentiniens libertären Präsidenten Javier
       Milei: In den vergangenen Wochen hat er im Kongress gut zehn Abstimmungen
       über Gesetze und Vetos verloren. Ein Korruptionsskandal sorgt täglich für
       neue Schlagzeilen, bei denen ein Name immer wieder genannt wird: Karina
       Milei. Sie ist nicht nur Generalsekretärin des Präsidialamts, sondern auch
       Mileis Schwester. Das kratzt kräftig am Image des Präsidenten, der mit dem
       Ziel angetreten war, genau solche Korruption abzuschaffen.
       
       Unabhängig davon sinkt die Industrieproduktion, steigende Zinsen würgen die
       Kreditvergabe für Investitionen ab, während ein [1][billig gehaltener
       Dollar] Importe begünstigt und so die heimische Industrie zunehmend unter
       Druck setzt. Dieses negative Potpourri erweckt den Eindruck, als wären
       Mileis Tage als Präsident gezählt. Doch dem ist nicht so. Milei sitzt fest
       im Präsidentensessel. Das [2][Fehlen einer Alternative in der Opposition]
       ist sein größter Rückhalt. Denn der überraschende Sieg des Outsiders bei
       den Präsidentschaftswahlen 2023 hat die politische Landschaft Argentiniens
       nachhaltig erschüttert.
       
       Alte Bündnisse sind zerbrochen, kurzlebige Allianzen werden geschlossen und
       wieder aufgelöst. Die Suche nach neuen und stabilen Bündnissen ist in
       vollem Gange. Mileis Parteienbündnis La Libertad Avanza (LLA, Die Freiheit
       schreitet voran) ist dabei am erfolgreichsten. Im Kampf um die
       Vorherrschaft im rechten Lager in der Hauptstadt Buenos Aires setzte sich
       die LLA im Mai bei der [3][Wahl des Stadtparlaments] gegen die Partei PRO
       des ehemaligen konservativen Präsidenten Mauricio Macri durch.
       
       Als Mileis LLA vor Kurzem die PRO zur Aufstellung einer gemeinsamen
       Kandidat*innenliste für die bevorstehenden Teilwahlen zum Kongress im
       Oktober zwang, hat sie die bis dahin noch nicht übergelaufene Rest-PRO
       nahezu gänzlich geschluckt.
       
       Der Kampf um die Vorherrschaft rechts von der Mitte ist entschieden. Jetzt
       geht es gegen die letzte Bastion des Kirchnerismus. Am kommenden Sonntag
       wird das Parlament der Provinz Buenos Aires neu gewählt. „Kirchnerismo
       nunca más“ (Niemals wieder Kirchnerismus) lautet Mileis provozierender
       Wahlkampfslogan. In dieser Provinz lebt ein Drittel der wahlberechtigten
       Bevölkerung des Landes, sie ist die letzte Hochburg der ehemaligen
       Präsidentin Cristina Kirchner.
       
       Erwartet wird, dass der Kirchnerismus bei der Wahl am Sonntag die meisten
       Stimmen erhalten wird. Die spannende Frage lautet, wie dicht der
       Kirchnerismus Mileis LLA auf den Fersen ist. „Für die Kirchneristen wird
       das Wahlergebnis ihre endgültige Obergrenze sein, während unser Ergebnis
       nur die Basis sein wird, auf der wir aufbauen können“, prophezeite Milei.
       
       Kurioserweise unterstreicht gerade ein Vergleich mit dem Namensgeber der
       linksnationalistischen Bewegung Mileis gute Aussichten für die kommenden
       Jahre, auch wenn die politischen Vorzeichen der beiden unterschiedlicher
       nicht sein könnten. Néstor Kirchner trat 2003 mit einer ähnlich schwachen
       Machtbasis als Präsident an wie Javier Milei 20 Jahre später. Beide
       übernahmen ein katastrophales wirtschaftliches und soziales Erbe. Kirchner
       war als ehemaliger Bürgermeister von Río Gallegos, der Hauptstadt der
       Provinz Santa Cruz und anschließend Gouverneur der Provinz, kein
       politischer Outsider.
       
       ## Sozialen Protest kanalisieren
       
       Auf nationaler Ebene war der schlaksige Mann aus Patagonien dennoch nahezu
       unbekannt. Im Präsidentenamt sicherte er sich die Unterstützung der
       sozialen Basisorganisationen, in dem er die Sozialhilfe über deren
       Funktionäre verteilen ließ. So kanalisierte er den sozialen Protest und
       gewann Rückhalt in der armen Bevölkerung.
       
       Ganz anders Milei. Er entzog den Funktionären diese Verteilerfunktion,
       lässt die Sozialhilfe über personalisierte Geldkarten direkt den
       Berechtigten zukommen und sichert sich auf diese Weise soziale Befriedung.
       Den Funktionären wurde so das Druckmittel genommen, mit der Androhung von
       Leistungskürzungen die Hilfsempfänger zur Teilnahme an Protestaktionen zu
       bewegen. Tatsächlich sind seither die Proteste sowie deren
       Teilnehmendenzahl stark gesunken.
       
       „Kirchner hat Glück und Soja“, erklärte der ehemalige Präsident Carlos
       Menem (1989–1999) den Erfolg Kirchners, der damit einen neuen politischen
       und wirtschaftlichen Zyklus einläutete. Der Sojaboom begann Anfang der
       Nullerjahre. Argentiniens Agrarwirtschaft fuhr nicht nur eine Rekordernte
       nach der anderen ein. Die steigende Nachfrage aus Asien trieb den
       Weltmarktpreis auf immer neue Höhen, füllte über die Exportsteuererlöse die
       Staatskasse und gab Präsident Kirchner einen unerwartet großen finanziellen
       Handlungsspielraum.
       
       Milei hat Glück und Öl, Gas, Kupfer und Lithium, könnte es bald heißen. Die
       Prognosen des Wirtschaftsministeriums sagen einen jährlichen Anstieg der
       Nettoexporte bei diesen Gütern voraus. Bis 2027 soll der Wert auf 18
       Milliarden Dollar steigen, bis 2033 gar auf 54 Milliarden Dollar. Wie viel
       eine Exportsteuer in die Staatskasse spülen könnte, ist offen, da für den
       libertären Präsidenten alles Staatliche das Böse schlechthin ist. Das
       Back-up für Milei dürfte jedoch dem von Néstor Kirchner kaum nachstehen. 20
       Jahre später scheint ein neuer politischer und wirtschaftlicher Zyklus zu
       beginnen.
       
       Für Argentiniens Wirtschaftselite ist Milei jedoch nicht nur ein
       Glücksfall. Seine rigorose Sparpolitik wird öffentlich bejubelt. Hinter
       verschlossenen Türen werden seine Wutausbrüche und Hasstiraden als für das
       Investitionsklima nicht förderlich kritisiert. Und bei so mancher
       finanzpolitischen Anordnung des Präsidenten ist Zähneknirschen inzwischen
       nicht zu überhören.
       
       Was jedoch ansteht, sind tiefgreifende Reformen im Steuer- und
       Arbeitsrecht. Für deren Durchsetzung ist Milei für sie der richtige Mann.
       Oder um es mit den erst kürzlich geäußerten Worten des „Sojakönigs“ Gustavo
       Grobocopatel zu sagen: „Lasst uns Milei helfen und möge dann ein Präsident
       kommen, der uns besser gefällt.“
       
       5 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Big-Mac-Index-in-Buenos-Aires-/!6097123
 (DIR) [2] /Praesident-Milei-feiert-Jubilaeum/!6055914
 (DIR) [3] /Kommunalwahl-in-Buenos-Aires/!6088945
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Vogt
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Javier Milei
 (DIR) Wahl
 (DIR) Argentinien
 (DIR) Cristina Kirchner
 (DIR) Social-Auswahl
 (DIR) Reden wir darüber
 (DIR) Javier Milei
 (DIR) Argentinien
 (DIR) Argentinien
 (DIR) Javier Milei
 (DIR) Argentinien
 (DIR) Argentinien
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Wahlen in Argentinien: Weniger Milei wagen
       
       Obwohl Milei die Inflation dämpfte, strafen ihn die Wählenden in
       Argentinien ab. Aber den Peronisten fehlt ein Gegenentwurf, der die Massen
       überzeugt.
       
 (DIR) Provinzwahlen in Buenos Aires: Wahlklatsche für Milei
       
       Bei den Provinzwahlen erleidet der libertäre argentinische Präsident eine
       herbe Niederlage. Ist das die Rückkehr der Peronisten?
       
 (DIR) Kampf um Reformen in Argentinien: Schwarzer Tag für Javier Milei
       
       Argentiniens Präsident Javier Milei wollte mit einem Veto ein Gesetz zu
       Ausgaben für Menschen mit Behinderung stoppen. Jetzt wurde er vom Kongress
       überstimmt.
       
 (DIR) Protest gegen Argentiniens Präsident: Milei bei Wahlkampfveranstaltung mit Steinen beworfen
       
       Präsident Javier Milei wird bei einer Wahlkampfveranstaltung in der Provinz
       Buenos Aires angegriffen. Das hängt auch mit einem Korruptionsskandal
       zusammen.
       
 (DIR) Kampf um Reformen in Argentinien: Schlappe für Präsident Milei
       
       Der Kongress überstimmt Mileis Veto gegen mehr Zuwendungen für
       Behindertenhilfseinrichtungen; sein Veto gegen höhere Mindestrenten bleibt
       aber bestehen.
       
 (DIR) Argentiniens verurteilte Ex-Präsidentin: Zehntausende demonstrieren für Kirchner
       
       Die verurteilte Ex-Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner spricht bei
       Antritt ihrer Haftstrafe im Hausarrest zu ihren Unterstützern.