# taz.de -- Landtagswahl in Baden-Württemberg 2026: Der Schattenboxer
       
       > Manuel Hagel, der CDU-Spitzenkandidat in Baden-Württemberg, will den
       > Kulturkampf vermeiden. Unklar ist, ob ihn seine Anhänger lassen.
       
 (IMG) Bild: Manuel Hagel, CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Baden-Württemberg, am 7.10.2025
       
       Stuttgart/Karlsruhe taz | An der Bar verkündet ein Neonschriftzug: „Soup of
       of the day: Vodka Redbull“. Gleich daneben steht auf einem Podium, korrekt
       gescheitelt, in weißem aufgekrempelten Hemd und mit einem leutseligen
       Lächeln Manuel Hagel, Spitzenkandidat der CDU im Südwesten.
       
       Er hat sich an diesem Sommerabend Anfang August ausgerechnet einen
       Hip-Hop-Club im Stuttgarter Zentrum für seinen Auftritt ausgesucht. Das
       Publikum ist nicht gerade szenetypisch und im Schnitt mindestens 15 Jahre
       älter als der Kandidat. Und deshalb beantwortet Hagel nun Fragen zur
       Grundsteuer und dem Verbrenner-Aus und nicht zu Cannabis und der
       Kulturpolitik des Landes.
       
       Manuel Hagel, derzeit noch Fraktionschef der CDU im Landtag, ist auf
       Sommertour. Er und sein Team sind dabei bestens gelaunt. [1][In den
       Umfragen] liegt die Partei bei 30 Prozent, damit zehn Prozent [2][vor den
       Grünen]. Ein komfortabler Vorsprung, vor allem wenn man, wie sein Team,
       davon ausgeht, dass in den Zahlen die Sympathie für Kretschmann noch und
       die für den [3][prominenten Nachfolge-Kandidaten Cem Özdemir] schon
       eingepreist sind. Während Hagel sein Potenzial noch nicht voll ausgeschöpft
       habe – weil ihn längst noch nicht alle kennen.
       
       Nun ja, das ist die übliche Umfragen-Kaffeesatzleserei, aber sicher ist:
       Für den Grünen Cem Özdemir wird es nicht einfach, diesen CDU-Vorsprung bis
       zur Landtagswahl im nächsten Frühjahr aufzuholen. Andererseits, sagt ein
       Hagel-Unterstützer, habe vor den vergangenen Landtagswahlen die CDU jedes
       Mal weit vorne gelegen – und jedes Mal kam dann etwas dazwischen: Das
       letzte Mal Corona, und fünf Jahre davor die AfD als neuer Machtfaktor.
       
       ## Einerseits, andererseits
       
       Doch die Stimmung gegen die Grünen im ganzen Land scheint auch im Südwesten
       diesmal ein recht verlässlicher Wahlhelfer für die CDU zu sein. Auch wenn
       die Beliebtheit für Winfried Kretschmann ungebrochen ist, wünscht sich die
       Mehrheit in Baden-Württemberg eine CDU-geführte Regierung. Das soll aus
       Sicht des Kandidaten auch so bleiben.
       
       Und so übt sich Hagel in einer Taktik, die die [4][Stuttgarter Zeitung
       treffend als „freundlich verpackten Vagheiten“ bezeichnet hat]. Trotz
       Auftritt im Hip-Hop-Club vermeidet er, die politische Konkurrenz allzu sehr
       zu dissen. Stattdessen lobt er Kretschmann, mit dem er grade regiert,
       verspricht Häuslebesitzern aber eine Härtefallprüfung der grade mühsam
       reformierten Grundsteuer.
       
       Er bekennt sich einerseits zur Inklusion, aber auch zu sonderpädagogischen
       Schulen. Er will an den Klimazielen, aber auch am Verbrennermotor
       festhalten. „Sensible Sprache ist was Gutes“, antwortet er auf eine Frage
       zum Reizthema Gendern. Privat könne das jeder tun, das sei ihm „wurscht“.
       Aber an Schulen, Unis und in Behörden gälten nun mal die Regeln der
       deutschen Rechtschreibung.
       
       „Ich will keinen Kulturkampf“, sagt der stets freundliche Manuel Hagel, und
       das glaubt man ihm grundsätzlich auch. Obwohl er manchmal doch danach
       klingt. Etwa wenn er sagt: Er wolle Politik für die „leise, aber fleißige
       Mitte“ machen, die keine Zeit habe, sich ständig im Politik zu kümmern,
       „weil sie nämlich schaffen“.
       
       ## Hauptsache das Foto stimmt
       
       Seine Anhänger scheinen sich dagegen nach zwei Legislaturperioden
       Juniorpartnerschaft mit den Grünen eher nach Vollkontakt-Wahlkampf als nach
       Schattenboxen à la Hagel zu sehnen. Richtigen Jubel erntet der Kandidat
       erst, als er zur Kritik an einem Treffen mit dem ungarischen Außenminister
       im Frühjahr sagt: „Ich lasse mir von keinem Grünen vorschreiben, wo ich
       hingehe und wo nicht“. Oder wenn er die Absatzschwäche der
       Südwestwirtschaft etwas unterkomplex angeht: „Wir sollten wieder mehr
       Maschinen und weniger Moral exportieren.“ Da wird er frenetisch beklatscht.
       
       Manuel Hagel ist zwar jung, gerade mal 38, aber so viel steht fest: Partei-
       und wahlkampftaktisch ist der frühere Generalsekretär mit allen Wassern
       gewaschen und kennt alle Wählerumfragen bis ins Detail. Beim Besuch der
       ausgelagerten Kunsthalle in Karlsruhe am gleichen Tag fällt auf, dass er
       stets so lange vor den Kunstwerken verweilt, [5][bis die richtigen
       Instagram-Bilder gemacht sind]. Dafür hat er wenige Fragen an die
       Direktorin des Museums.
       
       Kann so jemand mit seinem Schwiegersohn-Charme das Amt, das Kretschmann
       immer mit einer gravitätischen Bescheidenheit ausgeübt hat, ausfüllen? Noch
       vermeidet der Kandidat den direkten Vergleich mit seinem Kontrahenten, dem
       Routinier Özdemir. Das wird sich auf Dauer nicht durchhalten lassen. So
       lange geht das Schattenboxen weiter.
       
       15 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.wahlrecht.de/umfragen/landtage/baden-wuerttemberg.htm
 (DIR) [2] /Gruene-in-Baden-Wuerttemberg/!6055173
 (DIR) [3] /Gruenen-Politiker-Cem-Oezdemir/!6087699
 (DIR) [4] https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.sommerserie-manuel-hagel-macht-wahlkampf-im-umgekehrten-merkel-modus.09e6aa25-1910-405e-9db0-5ef0452e30f1.html
 (DIR) [5] https://www.instagram.com/p/DM-rlWQCLiR/?hl=de&img_index=1
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Benno Stieber
       
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