# taz.de -- Klimaschutzgesetz: Was macht die Energiewende mit Kaminkehrerinnen?
       
       > Bis 2045 soll die Wärmeversorgung CO₂-neutral sein. Wärmepumpen sollen
       > dann ganze Wohnungen und Häuser beheizen. Über einen Beruf im Wandel.
       
 (IMG) Bild: Über den Dächern Hannovers macht sich Pauline Große die Hände gerne schmutzig
       
       Pauline Große trägt ihre Lehrlingskappe an diesem Mittwochmorgen im August
       nicht. Trotzdem schwitzt sie in ihrem Kehranzug mit Schulterbesatz und
       Armstulpen aus Leder bereits auf dem Parkplatz vor dem Einfamilienhaus im
       Norden Hannovers, in dem sie gleich den Schornstein fegen wird.
       
       Drinnen biegt sich die 23-Jährige durch die Dachluke und balanciert über
       einen Tritt und mehrere Ziegel zum Schornstein. Von hier aus hat sie eine
       gute Aussicht über das vorstädtische Reihenhausgebiet. Sie zieht ihre
       Handschuhe an, hievt ihren Kehrbesen aus Edelstahl mit Bürste, Kugel und
       eingerolltem 15-Meter-Seil von der Schulter und macht sich an die Arbeit.
       Sie lässt die Kugel, die als Gewicht dient, bis zum Boden des Schornsteins
       hinab, zieht das Seil dann hoch und lässt die Bürste die Außenwände
       reinigen. Der Schornstein ist innerhalb weniger Minuten sauber.
       
       „Das macht mir am meisten Spaß“, sagt Pauline Große mit rußgeschwärzter
       Nase. Als Nächstes geht sie zu einer Öffnung des Schornsteins im
       Erdgeschoss, der sogenannten Revisionskappe. Manchmal findet sie dort
       Überraschungen, zum Beispiel tote Flugtiere oder frisch verbaute Dämmwolle,
       erzählt Große, während sie den Ruß und die Asche aufkehrt.
       
       ## Arbeitsbereiche brechen weg, Aufgaben verschieben sich
       
       Laut Klimaschutzgesetz soll die Wärmeversorgung in Deutschland bis 2045
       CO2-neutral sein. Statt rußender Öfen und Öl- oder Gasheizungen sollen dann
       Technologien wie Wärmepumpen Häuser und Wohnungen beheizen. Wie wirkt sich
       das auf [1][den Beruf] aus, den Pauline Große gerade lernt?
       
       Noch wird das Schornsteinfegerhandwerk seinem Namen gerecht. Das Fegen von
       Schornsteinen und das Messen der Abgaswerte von Gasheizungen gehören zum
       Alltag. Heute und auch noch morgen. Doch auch schon heute sind die
       Auswirkungen der Wärmewende zu spüren. Arbeitsbereiche brechen weg,
       Aufgaben verschieben sich. Werden zum Beispiel mehrere Mehrfamilienhäuser
       an ein Fernwärmenetz angeschlossen, werden die alten Gas- und Ölheizungen
       abgebaut. Für das Schornsteinfegerhandwerk heißt das weniger Messungen und
       Wartungen, sprich: weniger Aufträge.
       
       Aber: „Die Arbeit stirbt nicht aus, man muss sich einfach weiterbilden“,
       sagt Meistergesellin Joke Hesse, die im Erdgeschoss mit dem Hauseigentümer
       spricht. Sie arbeitet im selben Betrieb wie Pauline Große. In ihrem
       Ausbildungsbetrieb arbeiten nur Frauen. Das ist eine Seltenheit. Bundesweit
       beträgt der Frauenanteil unter Schornsteinfeger:innen 10 Prozent.
       
       ## Neue technische Aufgaben
       
       Pauline Große hat einen Vokuhila, 20 Armbänder aus Urlauben und von
       Festivals, 17 Piercings und 13 Tattoos. Das letzte kam im ersten Lehrjahr
       dazu, ein kleiner Schornsteinfeger auf dem Bein, gestochen von einer
       anderen Auszubildenden aus der Berufsschule. Dass sich das
       Schornsteinfegerhandwerk mit der Energiewende verändert, war ihr vor der
       Ausbildung nicht bewusst. In der Lehre habe sie dann aber schnell bemerkt,
       wie zukunftsorientiert die Ausbildung ist. Heute sind Sätze von ihr zu
       hören wie: „Klimaneutralität ist die Zukunft, auch die des
       Schornsteinfegerwesens.“
       
       Die traditionellen Aufgaben werden irgendwann weniger werden, dafür kommen
       mehr technische Aufgaben hinzu, ist sie sich sicher. Die Ausbildung
       jedenfalls passt sich an die veränderte Realität an. Anfang August ist eine
       neue Ausbildungsordnung in Deutschland in Kraft getreten. Sie legt noch
       mehr Fokus auf moderne Tätigkeitsfelder wie Lüftungstechnik und
       Energieeffizienz. Neu ist auch der Studiengang Erneuerbare Energien an der
       Hochschule Rottenburg mit dem Wahlschwerpunkt Schornsteinfegerwesen.„Das
       ist dann noch mal ein ganz anderes Berufsbild“, sagt Pauline Große.
       
       Nächstes Haus, diesmal ohne Fegen. Joke Hesse holt ein Klemmbrett aus dem
       Auto, darauf Zettel mit Notizfeldern und Tabellen. Sie stehen vor einem
       Einfamilienhaus, aus dem ein Zweifamilienhaus werden soll. Für die
       zukünftige Vermietung der beiden Wohnungen braucht der Eigentümer einen
       [2][Energieausweis]. Dieser ist seit 2009 bei Verkauf oder Vermietung von
       Wohngebäuden Pflicht. Joke Hesse ist zertifizierte Energieberaterin, das
       ist bei Schornsteinfeger:innen nicht ungewöhnlich. Diesmal soll
       Pauline Große die Daten für den Energieausweis zusammentragen.
       
       Wie groß ist das Haus? Welche Dämmung ist verbaut? Wie wird geheizt? All
       das erhebt Große für den Ausweis. Die Theorie lernt sie in der Schule, die
       Praxis mit Joke Hesse. Ob die Ausweise und daran anschließenden
       Empfehlungen für mehr Energieeffizienz eine Wirkung hätten? „Ganz
       unterschiedlich“, sagt Hesse, „wenn jemand sowieso daran interessiert ist,
       sein Haus zu sanieren und dafür eine Bestandsaufnahme braucht, ja, aber
       wenn jemand verkauft oder vermietet, eher nicht“.
       
       Über den ständigen Kundenkontakt kämen die Themen Energieeffizienz und
       [3][Energiewende] immer wieder ganz von alleine auf, sagt Joke Hesse.
       „Meistens gibt es nicht nur eine Lösung, um Energie und Geld zu sparen.“ Es
       seien viele Faktoren wichtig, um herauszufinden, welches Heizsystem am
       meisten Sinn ergebe, zum Beispiel die Anzahl der Personen im Haushalt.
       
       ## Lehrgänge für Wärmepumpen
       
       Auch der Kunde von heute Morgen überlegt, sich eine Wärmepumpe zuzulegen.
       Darüber haben Hesse und Große mit ihm gesprochen, nachdem sie den
       Schornstein gefegt haben. Seine Gasheizung sei 8 Jahre alt, da falle die
       Förderung eher geringer aus und die restlichen 25.000 Euro habe er nicht,
       erzählte er.
       
       Die Grundförderung liegt aktuell bei 30 Prozent und kann unter anderem bei
       niedrigem Haushaltseinkommen oder dem Austausch einer mindestens 20 Jahre
       alten Gasheizung aufgestockt werden. Auch hier soll das
       Schornsteinfegerhandwerk zukünftig eine Rolle bei der Qualitätssicherung
       spielen. Es wird aktuell über Prüfzyklen, ähnlich wie bei Kaminöfen und
       Gasheizungen, gesprochen. Es gibt bereits Lehrgänge zu Wärmepumpen für
       Schornsteinfeger.
       
       Eine wichtige Rolle bei den Empfehlungen und Beratungen der
       Schornsteinfeger:innen spiele ihre Neutralität, sagt Pauline Große.
       Sie verkaufen nichts, sondern erfüllen eine Dienstleistung. „Wenn wir nach
       Empfehlungen zu einem neuen Heizsystem gefragt werden, ist das auch ein
       Zeichen von Vertrauen“, sagt Große.
       
       29 Aug 2025
       
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