# taz.de -- Historische Entscheidung im Libanon: Hisbollah soll komplett entwaffnet werden
       
       > Die libanesische Regierung hat die Entwaffnung aller nicht-staatlichen
       > Akteure bis Jahresende beschlossen. Der Plan gilt als politisch riskant.
       
 (IMG) Bild: Friedlicher Protest gegen die Entwaffnung: Hisbollah-Anhänger mit einem Plakat „Wir werden die Waffen nicht aufgeben“
       
       Beirut taz | Jetzt ist es amtlich: Die libanesische Regierung hat am
       Donnerstag Abend beschlossen, die Hisbollah vollständig zu entwaffnen. Das
       Kabinett hat einem US-Plan zugestimmt, dass bis zum Jahresende alle Waffen
       im Land unter staatliche Kontrolle fallen sollen. Die libanesische Armee
       soll bis Ende des Monats ihren Plan für die Abnahme der Waffen vorlegen.
       
       Obwohl die Entwaffnung aller nicht-staatlichen Akteure in der libanesischen
       Verfassung steht, beschreitet die libanesische Regierung mit ihrer
       Entscheidung einen Weg, den keine ihrer Vorgänger-Regierungen gegangen ist.
       Denn seit dem Ende des libanesischen Bürgerkrieges 1990 setzte der Staat
       sein Monopol auf Waffen nicht durch. Das nutzte nicht nur, aber vor allem,
       die schiitische Miliz der Hisbollah.
       
       Die Hisbollah wurde 1982 mit Hilfe der iranischen Revolutionsgarden
       gegründet, um gegen die israelische Besatzung im Süden Libanons zu kämpfen.
       Nach dem Bürgerkrieg durfte sie ihre Waffen für diesen Zweck behalten.
       Trotz Abzugs Israels im Jahr 2000 gab die Hisbollah ihre Waffen nicht ab –
       mit der Begründung, sich künftig gegen israelische Angriffe verteidigen zu
       wollen. Der Iran unterstützt die Hisbollah ideologisch und finanziell.
       
       Schiitische Hisbollah-Minister*innen verließen am Donnerstag die
       Regierungssitzung und signalisierten damit Unzufriedenheit, aber nicht
       ihren Austritt aus der Regierung. In vielen Teilen des Landes protestierten
       Anhänger der Hisbollah-Partei mit Motorradkorsos und Parteiflaggen.
       
       [1][Der US-Plan sieht eine vollständige Entwaffnung] der Hisbollah bis zum
       Ende des Jahres vor, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Im Gegenzug
       soll Israel seine Angriffe auf den Libanon einstellen und seine Truppen aus
       fünf besetzen Stellungen im Süden des Landes abziehen.
       
       ## Israel soll Truppen abziehen
       
       Laut Plan soll der Libanon in 60 Tagen mit der Umsetzung beginnen, während
       Israel den Abzug einleitet und libanesische Gefangene frei lässt. Nach 90
       Tagen soll Israel sich dann aus weiteren Stellungen zurückziehen. Innerhalb
       von 120 Tagen sollen dann die verbliebenen schweren Waffen der Hisbollah
       wie Raketen und Drohnen zerstört werden. Anschließend wollen die USA,
       Saudi-Arabien, Frankreich und Katar eine Wirtschaftskonferenz für
       Wiederaufbau-Gelder organisieren.
       
       Informationsminister Paul Morcos sagte nach dem Treffen, das Kabinett habe
       sich zwar nicht mit den Einzelheiten des Vorschlags befasst, stimme aber
       dem Ziel zu.
       
       Irans Außenminister Abbas Araghtschi sagte dem staatlichen iranischen
       Fernsehen, die Entscheidung über eine Entwaffnung liege bei der Hisbollah.
       Die Hisbollah hatte am Mittwoch verkündet, dass sie die Entscheidung
       ignorieren werde. Wegen ihrer extrem geschwächten Position nach dem Krieg
       mit Israel lehnt die Hisbollah eine Debatte über das staatliche
       Waffenmonopol nicht grundsätzlich ab.
       
       ## Fast täglich bricht Israel das Abkommen
       
       Die Miliz kooperiert mit der libanesischen Armee, die im Süden
       Waffenarsenale räumt und Stützpunkte übernimmt. Hisbollah Chef Naim Qassem
       macht die Abgabe weiterer Waffen davon abhängig, dass Israel sich zuvor aus
       dem Südlibanon zurückzieht, die fast täglichen Angriffe einstellt,
       Gefangene freilässt und Garantien gibt, nicht weiter anzugreifen.
       
       Während die Regierung über den Abrüstungsvorschlag abstimmte, wurden
       [2][bei zwei israelischen Angriffen im Osten des Landes] mindestens sechs
       Menschen getötet und zehn weitere verletzt, meldet das
       Gesundheitsministerium. Ein Angriff traf ein Fahrzeug, der andere einen
       Mann, der laut staatlicher Nachrichtenagentur ein Zivilist war, der vor
       seinem Haus in der Stadt Kfar Dan stand. Das israelische Militär
       kommentierte die Angriffe nicht. Es war die jüngste Verletzung des
       Waffenstillstand-Abkommens vom November. Fast täglich bricht Israel das
       Abkommen durch Angriffe im Libanon.
       
       In dem US-Vorschlag heißt es, die Dringlichkeit des Plans werde durch
       zunehmende israelische Verletzungen des Waffenstillstands unterstrichen,
       die einen Zusammenbruch des Status quo riskierten.
       
       ## Entscheidend für wirtschaftlichen Erholung des Landes
       
       Wirtschaftsminister Amer Bisat bezeichnete die Entscheidung am Donnerstag
       als „entscheidenden Moment“ zur wirtschaftlichen Erholung.
       Wirtschaftsreformen könnten nur durch die Konsolidierung aller Waffen und
       Autoritäten unter dem libanesischen Staat gelingen. Globale Partner
       zögerten, „in einen Staat zu investieren, der nicht über die volle
       souveräne Kontrolle verfügt.“
       
       Gleichzeitig hat die Regierung auch indirekt beschlossen, der Hisbollah den
       Geldhahn zuzudrehen. Sie entschied über strengere Kontrolle und Sanktionen
       von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Der Handel mit Schmuck, Gold
       und Edelmetallen sowie Organisationen, die als Fassade für illegale
       Geldgeschäfte dienen, sollen stärker überwacht werden. Zudem soll es
       verschärfte Kontrollen bei der Einreise in den Libanon mit Bargeld und
       härtere Sanktionen bei ungenauen Erklärungen geben. Bereits am 15. Juli
       hatte die libanesische Zentralbank beschlossen, jegliche finanzielle
       Transaktion mit der Hisbollah unter Strafe zu stellen.
       
       Noch gibt es keine Details, wie genau die Entwaffnung erfolgen soll. Sollte
       das libanesische Militär konkrete Schritte einleiten, könnte eine
       innenpolitische Krise drohen und die Hisbollah sich militärisch wehren.
       
       8 Aug 2025
       
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