# taz.de -- Litauen rüstet Kinder für den Krieg: Die Bundesdrohnenspiele sind abgesagt
       
       > Litauen will künftig Kinder an der Drohne schulen. Auch Deutschland
       > bewegt sich in diese Richtung – Zeit, dass die Gesellschaft ihre Grenze
       > zieht.
       
 (IMG) Bild: Bitte lasst die Kinder da raus!
       
       Litauen ruft bald einen neuen Wettbewerb aus: „Jugend drohnt“. Oder so
       ähnlich. Um die Wehrfähigkeit zu erhöhen, plant die Regierung in dem
       baltischen Land, bald mehr als 22.000 Menschen im Bauen und Steuern von
       Drohnen auszubilden. Und zwar nicht nur Erwachsene, sondern auch 7.000
       Kinder. Dafür sollen die Lehrstunden ab der 3. Klasse angepasst werden,
       sodass Kinder von der Grundschule bis zur Oberstufe lernen, wie man Drohnen
       entwirft, herstellt und fliegt, ganz altersgerecht anhand von Spielen,
       Experimenten mit 3-D-Druckern und eben landesweiten Wettbewerben.
       
       Selbstverständlich müssen Militärs mehr in Drohnentechnik und die
       Ausbildung der Soldaten investieren. Spätestens mit dem Bergkarabach-Krieg
       2020 und dem russischen Überfall auf die Ukraine weiß man, wie wichtig
       Drohnen für die moderne Kriegsführung geworden sind. Dass Litauen jetzt
       mehr als 3 Millionen Euro investiert, um Ausrüstung, Software und
       Steuersysteme zu beschaffen und Trainingszentren zu bauen, ist
       verständlich. Gerade die baltischen Staaten müssen annehmen, dass die
       Drohgebärden ihres russischen Nachbarn nicht nur rhetorisch gemeint sind.
       
       Aber bitte, lasst die Kinder da raus. Wer sich der Armee anschließen, sich
       auf den Drohnenkrieg spezialisieren will, soll das tun – wenn er oder sie
       erwachsen ist. Immerhin: Während erwachsene Litauer ihre Ausbildung von der
       Schützenunion, einer paramilitärischen Einheit, erhalten sollen, übernimmt
       das für die Kiddies „nur“ die Lineša, eine Bildungseinrichtung, die der
       Regierung untersteht.
       
       Ein besonderer Fokus soll dabei auch auf First-Person-View-Drohnen liegen,
       die per Virtual-Reality-Brille aus der Perspektive des Fluggeräts selbst
       gesteuert werden. Das ukrainische Militär setzt diese Technik aktuell für
       kleinere Kamikaze-Drohnen ein, die oft Fahrzeuge oder auch einzelne
       russische Soldaten ins Visier nehmen. Die Piloten steuern aus der
       Perspektive der Drohne, und werden damit selbst zur Waffe.
       
       ## Psychische Belastungen
       
       Wer sich überzeugen möchte, was das mit einem Soldaten macht, dem sei eine
       kurze [1][Doku des Wall Street Journal]s empfohlen. Der Film begleitet
       einen ukrainischen Armeeangehörigen, der nahe der Frontlinie mithilfe von
       Drohnen russische Soldaten tötet. Die Übertragung bricht immer ab, kurz
       bevor man den Aufprall sehen kann, weil die Drohne schon zerstört wurde.
       Doch der Pilot kommt dem Todgeweihten nah genug, um die nackte Angst auf
       seinem Gesicht zu sehen.
       
       Der Drohnenpilot in der Doku weiß, dass sein Dienst ihn psychisch zugrunde
       richtet. „Es ist eine Erfahrung, die dich unglaublich abhärtet“, sagt er.
       „Niemand sollte das erleben müssen.“ Der Pilot verrichtet seinen Dienst
       trotzdem, um sein Land vor der Invasion zu verteidigen. Eine
       nachvollziehbare und vielleicht sogar bewundernswerte Entscheidung. Aber
       eben eine, die nur ein Erwachsener treffen kann. Und man sollte sich keine
       Illusionen machen, dass man Kinder „unschuldig“ an die Drohnentechnik
       heranführen kann. Auch sie können sich mit ein paar Klicks brutale Videos
       aus dem Ukrainekrieg anschauen und die Verbindung zu ihrem eigenen
       Drohnenunterricht herstellen.
       
       Möglicherweise bedeutet das litauische Programm gar einen Bruch [2][der
       UN-Kinderrechtskonvention]. So besagt Artikel 29, dass die Bildung von
       Kindern im Geiste des Friedens zu erfolgen habe. Im ersten Zusatzprotokoll,
       das Litauen unterzeichnet hat, wird ferner nicht nur die Einziehung,
       sondern auch die Ausbildung von unter 18-Jährigen für einen möglichen
       Kriegseinsatz problematisiert. Das UN-Kinderrechtskomitee hat 2011 etwa
       Mexiko dafür gerügt, dass die Armee bereits Jugendliche ab 16 Jahren als
       Signaltechniker schult.
       
       Auch in Deutschland zeigt das Software-Update „Wehrtüchtigkeit“ in den
       Köpfen offenbar Wirkung. So sendete die „Tagesschau“ Ende Juni [3][einen
       Beitrag zum „Tag der Bundeswehr“]. Darin sieht man Kinder – kaum älter als
       zehn Jahre – in Panzer klettern und am Schießstand durch einen Gewehrlauf
       schauen. Ein Soldat zieht einem Jungen eine Tarnmütze auf. Was man sonst
       aus durchmilitarisierten Gesellschaften wie in Israel oder Russland kennt,
       ist mittlerweile wohl auch hier angekommen, und den Journalisten der
       „Tagesschau“ nicht mal einen kritisch-einordnenden Kommentar wert.
       
       ## Wer A sagt muss auch B sagen
       
       Aber wer hätte denn ahnen können, dass eine Wehrhaftmachung der
       Gesellschaft auch eine Militarisierung der Kindheit bedeutet? Eigentlich
       jeder. Wer A sagt, muss auch B sagen, so lautet die totalisierende,
       instrumentelle Logik der Herrschenden. Folgt man ihr, dann landet man eben
       bei (oder neben) Kindern im Schützengraben.
       
       Die Gesellschaft muss sich hier einfach klar werden, wo ihre Grenze
       verläuft. Ja, wir müssen unser Bewusstsein für neue Bedrohungen anpassen
       und entsprechend nachrüsten. Ja, junge Erwachsene können sich irgendwann
       entscheiden, ob sie Militärdienst leisten wollen. Aber nein, die Armee
       umgarnt unsere Kinder bitte nicht in der Schule oder mit verklärenden
       Propagandavideos auf Youtube. Und ganz sicher bildet sie Kinder nicht zu
       den Kamikazepiloten von morgen aus. Die Bundesdrohnenspiele sind hiermit
       abgesagt.
       
       13 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.youtube.com/watch?v=062R1k54Ijo
 (DIR) [2] https://www.unicef.de/informieren/ueber-uns/fuer-kinderrechte/un-kinderrechtskonvention
 (DIR) [3] https://youtu.be/8jXAi7M_ab8?si=pu907jFnjmqqwDWY&t=252
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Leon Holly
       
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