# taz.de -- Chef der Deutschen Umwelthilfe: „Merz’ Energiepolitik ist ziemlich irrlichternd“
       
       > Jürgen Resch begrüßt das IGH-Gutachten zu Klimaklagen. Die eigene Klage
       > gegen die Bundesregierung hätte aber auch so gute Chancen in Karlsruhe.
       
 (IMG) Bild: Vollgas nach Karlsruhe: Ohne 130-Tempolimit auf Autobahnen wird die Regierung sich mehr Schlappen vom Verfassungsgericht einholen
       
       taz: Die Deutsche Umwelthilfe hat Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht
       eingelegt. Worum geht es? 
       
       Jürgen Resch: Die Ampelregierung hat im vergangenen Jahr das
       Klimaschutzgesetz entkernt. Und zwar so stark, dass Deutschland auf Jahre
       nicht den Beitrag zum internationalen Klimaschutz leistet wird, der
       angemessen wäre und international verbindend zugesagt wurde. Wir wollen
       durch unsere Beschwerde erreichen, dass das rückgängig gemacht wird: Das
       jetzige Klimaschutzgesetz verstößt gegen die Verfassung.
       
       taz: Die Regierung der Ampel ist Geschichte, warum gibt es noch kein
       Urteil? 
       
       Resch: Weil das Bundesverfassungsgericht wie alle anderen Gerichte auch
       eine entsprechende Sachaufklärung herbeiführt. Es gibt der beklagten Seite
       Gelegenheit zur Stellungnahme und bittet Experten um Einschätzung. Das
       braucht seine Zeit. Bis zum Urteil unserer ersten Verfassungsbeschwerde aus
       dem Jahr 2020 sind ein Jahr und vier Monate vergangen. Eine
       Verfassungsbeschwerde richtet sich aber nicht gegen eine bestimmte
       Bundesregierung, sondern gegen verfassungswidrige Gesetze. Und die bestehen
       weiterhin.
       
       taz: [1][Im besagten ersten Verfahren urteilte das höchste deutsche Gericht
       im April 2021: Die aktuelle Politik der Regierung von Angela Merkel (CDU)
       verstößt gegen die Rechte kommender Generationen.] Mit welcher Wirkung? 
       
       Resch: Das Klimaschutzgesetz wurde unmittelbar danach korrigiert, das
       deutsche Klimaziel von minus 55 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 1990 auf
       minus 65 Prozent angehoben. Instrumente wie etwa die Sofortprogramme
       sollten garantieren, dass dieses Ziel auch eingehalten wird. Die Ampel hat
       diese aber aus dem Gesetz gestrichen.
       
       taz: [2][Jetzt hat der Internationale Gerichtshof ein Gutachten
       veröffentlicht, nachdem es ein Menschenrecht auf Klimaschutz gibt: Wer
       Klimaschutzpflichten verletzt, muss betroffene Staaten für ihre Probleme
       entschädigen.] Welchen Einfluss hat das auf Ihre Verfassungsbeschwerde? 
       
       Resch: Sicherlich keine schmälernde. Mit seiner Entscheidung hatte das
       Bundesverfassungsgericht vor vier Jahren Klimaschutz eine derartige
       Verbindlichkeit vermittelt, dass sich daraus Gesetzesrang ableiten lässt.
       Wenn jetzt der Internationale Gerichtshof zusätzlich sagt, dass zu wenig
       Klimaschutz Schadensersatzansprüche durch Betroffene rechtfertigt, ist dies
       ein weiteres starkes Argument für unsere Verfassungsbeschwerde. Allerdings
       halte dieses neue Argument gar nicht für notwendig dafür, dass das
       Bundesverfassungsgericht unserer Beschwerde Recht geben kann: Mit dem
       jetzigen Klimaschutzgesetz kann sich die Politik mit Tricks über Jahre
       hinaus in die Tasche lügen, dass ihre Klimaschutzpolitik funktioniert. Um
       2030 dann zu merken, upps!, wir haben das Ziel wieder nicht erreicht.
       
       taz: Das bedeutet: Auch auf die Bundesrepublik kommen solche
       Schadenersatzansprüche zu? 
       
       Resch: Das tun sie doch schon heute. Weil Deutschland im Verkehrssektor
       einfach nicht zum Klimaschutz bereit ist, müssen wir am Ende des Jahrzehnts
       viele Milliarden Euro Strafe an die EU zahlen, weil wir unsere
       Verpflichtungen nach dem europäischen Lastenteilungsverfahren in diesem
       Sektor dramatisch überschreiten. Die Bundesregierung könnte die
       Strafzahlungen höchstens dann noch vermeiden, wenn sie ganz schnell mit
       einem Tempolimit und anderen Maßnahmen die Treibhausgas-Emissionen im
       Verkehrsbereich senkt. Weil sie das aber nicht tut, sind wir doppelt
       gestraft: Das kostet erstens Geld, dass wir zweitens dann nicht mehr für
       Klimaschutzmaßnahmen in Deutschland ausgeben können.
       
       taz: Das Abkommen von Paris bietet Gelegenheit, jenes Restbudget eines
       Landes zu berechnen, dass für ein Erreichen des 1,5-Grad-Ziels noch zur
       Verfügung steht. Der Klimarat der Bundesregierung hat errechnet, dass das
       deutsche Budget seit Frühjahr 2024 aufgebraucht ist. Macht sich die
       Regierung Merz schuldig? 
       
       Resch: Jede der vergangenen Bundesregierungen trägt Schuld, weil sie nicht
       genug Klimaschutz betrieben hat, um unsere Kinder und Enkel zu schützen.
       Aber uns geht es nicht darum, später mal Schuldige zu benennen für eine
       Klimakatastrophe, die nicht verhindert wurde. Sondern wir verändern mit
       unseren erfolgreichen Klimaklagen hier und heute das Regierungshandeln,
       damit es erst gar nicht zur Katastrophe kommt.
       
       taz: Vor seinem Amtsantritt glaubten Experten, dass Friedrich Merz ein
       Klimakanzler wird. Hat er noch eine Chance? 
       
       Resch: Noch hat er die Chance. Allerdings erlebe ich Kanzler Merz ziemlich
       irrlichternd in der Energiepolitik. Er hat noch keine richtige Linie
       gefunden, sondern lässt seine Energieministerin Katherina Reiche eine
       Politik für die fossilen, alten Industrien betreiben. Würde er aber einmal
       analysieren, welche Strahlkraft kleine und mittelständische Unternehmen
       besitzen, die hochgradig innovativ im Energiebereich sind, käme er
       sicherlich zu einer anderen Politik.
       
       24 Jul 2025
       
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