# taz.de -- Netflix-Miniserie „Untamed“: Sheriff im Neo-Western
       
       > Die spannende Miniserie „Untamed“ erzählt von Traumata, Verbrechen und
       > männlicher Gewalt im nordkalifornischen Yosemite-Nationalpark.
       
 (IMG) Bild: Sucht den Überblick: Kyle Turner (Eric Bana)
       
       Kyle Turner (Eric Bana) ist darauf spezialisiert, Verbrechen in schwer
       zugänglichen Bergregionen zu untersuchen. Also hängt der Bundesagent gleich
       zu Beginn von „Untamed“ an einem Kletterseil mehrere hundert Meter über
       einem Abgrund, als er die Leiche einer jungen Frau untersucht.
       
       Die ist von einer Klippe im kalifornischen Yosemite-Nationalpark gestürzt
       und hätte dabei fast zwei Bergsteiger mitgerissen, in deren Kletterseil sie
       sich verfangen hatte. Wer ist die Tote? Wollte sie Suizid begehen, war das
       ein Unfall oder gar Mord? Was als spannender Krimi beginnt, entwickelt sich
       im Lauf der sechs einstündigen Episoden zu einem komplexen Opus voller
       Gewalt und Traumata vor dem Hintergrund geradezu verstörend schöner
       Landschaftsbilder.
       
       Die Optik verwundert nicht: Verantwortlich die neueste Murder-Mystery-Serie
       von Netflix ist Mark L. Smith, der für den Streamingdienst zuletzt das
       Skript des brutal-kompromisslosen Neo-Western „American Primeval“ schrieb
       und die Drehbücher für die Kinofilme „The Revenant“ und George Clooneys
       Öko-Science-Fiction „The Midnight Sky“ verfasst hatte. „Untamed“ ist wieder
       ein Werk, das bildgewaltig ein Stück sonst kaum so in Szene gesetzter
       amerikanischer Wirklichkeit einfängt.
       
       Kyle Turner ermittelt im Fall der unbekannten Toten zusammen mit seiner
       Kollegin Naya Vasquez (Lily Santiago), einer alleinerziehenden Mutter, die
       ihren Job als Polizistin in Los Angeles gegen die Arbeit als Parkranger in
       Nordkalifornien eingetauscht hat. Griesgram Turner und Kollegin Vasquez
       sind auf Pferden in den unendlich weiten Wäldern und Gebirgszügen
       unterwegs, treffen auf indigene Waldarbeiter, streiten mit Hippies, die in
       Zeltdörfern im Nationalpark wohnen und begegnen einsamen Wilderern und
       Jägern, die durch die Natur streifen.
       
       ## Bilder einer überwältigenden Natur
       
       Nach Feierabend beschäftigt Turner das schwierige Verhältnis zu seiner
       Ex-Frau Jill (Rosemarie DeWitt) und er versucht das Trauma vom Verlust
       seines einige Jahre zuvor verstorbenen Sohnes zu verarbeiten, dem er immer
       wieder in seiner Fantasie begegnet. Kollegin Naya wird vom Vater ihres
       Sohnes, einem kriminellen Ex-Cop heimgesucht. Außerdem hängt sich eine
       Anwältin an Turners Fersen, die versucht etwas über den Verbleib eines seit
       Jahren im Nationalpark vermissten Industriellen herauszufinden. Machte
       Turner damals bei den Ermittlungen Fehler?
       
       In diesem immer verwickelter werdenden Krimi, der sich plötzlich wie ein
       großes Rätsel über mehrere Jahre hinweg erstreckt und diverse Kriminalfälle
       miteinander verbindet, geht es um familiären Missbrauch, Drogenhandel,
       [1][Alltagsrassismus], indigene Kultur und brutale Morde. Den eigenwilligen
       Rahmen dafür bieten großartig eingefangene und komponierte Bilder einer
       überwältigenden Natur mit riesigen Wasserfällen, steilen Felswänden,
       gigantischen Wiesen vor hoch aufragenden Nadelwäldern und reißenden
       Flüssen.
       
       „Untamed“ zu Deutsch „Ungezähmt“ erzählt von einer weitgehend unberührten
       Natur, die sogar heute noch weit abgelegen ist und in der für einige
       Menschen immer noch die Logik des Wilden Westens gilt. Kyle Turner
       patrouilliert in dieser Neo-Western-Welt wie ein eigenartig urtümlicher
       Sheriff. Wobei Serienmacher Mark L. Smith hier ebenso wie in „The Revenant“
       und [2][„American Primeval“] dem gängigen amerikanischen Heldentum eine
       Geschichte entgegengesetzt, die den Mythos zerlegt.
       
       Im spannungsgeladenen Finale dieses sehenswerten Sechsteilers wird klar,
       was verantwortlich ist für die eskalierenden und dramaturgisch geschickt
       ineinander greifenden Konflikte: männliche Gewalt und Rücksichtslosigkeit
       getarnt als vermeintliche Tugenden.
       
       21 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
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