# taz.de -- Rassistische Gewalt in Kassel: Kampf um Anerkennung
       
       > Vor fünf Jahren wurde der Taxifahrer B. Efe in Kassel Opfer eines
       > rechtsextremen Überfalls. Um das richtige Gedenken gibt es Streit in der
       > Stadt.
       
 (IMG) Bild: Solidaritätsaktion für B. Efe im Jahr 2022
       
       Kassel taz | „Fünf Jahre sind einfach so aus meinem Leben weg. Sie haben
       mir viel genommen, kaputtgemacht und trotzdem hat sich nichts verändert“,
       sagt B. Efe. Seinen Vornamen will der 52-Jährige nicht nennen, denn er hat
       Angst.
       
       Am 21. Juni 2020 war der Mann aus der Türkei mit seinem „Minicar“ unterwegs
       – Kassels Alternative zum Taxi. Nach Monaten der Coronabeschränkungen waren
       die Clubs in der Nordstadt wieder gut besucht, die Straßen voller Menschen,
       errinert sich Efe. Kurz vor 5 Uhr morgens stieg ein Mann zu Efe ins Auto.
       Wohin er wollte, soll er nicht genau gesagt haben, nur eine grobe
       Beschreibung, wo es hingehe. In einer ruhigeren Ecke wollte der Mann mit
       der Coronamaske aussteigen. Er soll Efe das Geld gegeben und dann gerufen
       haben: „Ihr scheiß Ausländer, nur Geldfresser.“ Kurz danach verletzt der
       Mann B. Efe mit einem Messer am Hals schwer. Efe lag danach mehrere Tage im
       Krankenhaus. „Die Narbe sehe ich jeden Tag noch im Spiegel“, sagt er.
       
       Rechtsextreme Angriffe in der Region Kassel sind nichts Neues. [1][2019
       erschoss ein Neonazi den Regierungspräsidenten Walter Lübcke]. 2006
       ermordete die rechtsterroristische Gruppe NSU [2][Halit Yozgat] im Alter
       von 21 Jahren. Bis zur Aufdeckung des NSU im November 2011 musste Yozgats
       Familie für die Anerkennung des ausländerfeindlichen Hintergrunds kämpfen.
       
       Unterstützung erhält Efe von der [3][Initiative Soligruppe B. Efe 09]. Sie
       hat sich vor drei Jahren gegründet und fordert die Aufklärung des Falls,
       ein würdiges Erinnern, Anerkennung und finanzielle Entschädigung. Das
       Letztere würde „Efe sein Leben zumindest etwas erleichtern“, sagt Kim
       Schopert von der Gruppe.
       
       ## Die Polizei sprach erst nicht von Fremdenfeindlichkeit
       
       „Wir haben mit anderen Initiativen einen offenen Brief an die Polizei
       geschrieben“, sagt Schopert. „Wir haben gesagt: Ihr macht denselben Fehler
       wie damals bei Halit Yozgat.“ Denn Efe hätte direkt nach dem Angriff klar
       gesagt: „Das war rassistisch.“ Trotzdem sprach die Polizei erst in ihrer
       dritten Pressemitteilung, etwa zehn Tage später, von einem möglichen
       fremdenfeindlichen Motiv. Offiziell laufen die Ermittlungen weiter. „Nur
       warum und wofür?“, das würde Efe gerne fragen. Doch der Täter, der ihn
       „töten wollte“, wie Efe sagt, ist bis heute flüchtig.
       
       Die Angst prägt ihn so sehr, dass er heute ein ziemlich isoliertes Leben
       führt. „Er weiß, wer ich bin. Aber ich weiß nicht, wer er ist“, sagt Efe.
       Diese Angst durchdringt seinen Alltag, dass er kaum noch rausgehen und auch
       nicht mehr arbeiten kann. Er lebt von Bürgergeld, obwohl er vor der Tat
       über 30 Jahre lang in Deutschland gearbeitet hat, „ohne je Probleme zu
       haben“, wie er betont. Sein früheres Leben vermisst der Vater von zwei
       Kindern: „Ich hatte ein schönes Leben. Meine Welt ist dunkel geworden.“
       Zweimal im Jahr sei er in den Urlaub gefahren, ging mit seiner Familie aus.
       Finanziell ist nun vieles nicht mehr möglich. Aber auch, weil er das
       Vertrauen verloren habe. Nicht mal draußen im Eisladen sitzen könne er.
       Besonders schwer fällt es ihm, dass er nicht mehr mit seiner Frau das Haus
       verlassen kann. „An besonderen Tagen, wie Geburtstagen, kann ich nicht
       einmal mit ihr feiern“, sagt er. „Ich habe Angst.“
       
       Bis heute hat Efe keine Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz
       erhalten. Die Behörden stuften den Schweregrad der Tat als zu gering ein.
       In Hessen gibt es seit 2021 den Hessischen Opferfonds, geschaffen nach dem
       Anschlag in Hanau. Die Unterstützungsleistung ist als einmalige Zahlung
       vorgesehen. Sie beträgt mindestens 5.000 Euro, in der Regel jedoch 10.000
       Euro. Auch dort wurde Efe abgelehnt. Sein Fall sei nicht von „landesweiter
       Bedeutung“, heißt es im Ablehnungsbescheid. „Ich will kein Taschengeld. Ich
       will mein Recht“, sagt Efe. Auch die Initiative kritisiert: Efe ein Stück
       Normalität zurückzugeben, sei das Mindeste. Dazu gehöre auch ein klares,
       öffentliches Zeichen – etwa eine Gedenktafel am Tatort. Efe wünscht sich
       diese, damit „andere das nicht auch erleben müssen“.
       
       [4][Kassels Oberbürgermeister Sven Schoeller (Grüne)] hatte erklärt, eine
       Gedenktafel zur Erinnerung an die „rechtsradikal motivierte Tat an B. Efe“
       zu unterstützen. Doch um die Ausgestaltung und Finanzierung der Gedenktafel
       gibt es Streit zwischen der Initiative und der Stadt. Der HNA versicherte
       ein Rathaussprecher, dass der Oberbürgermeister die Initiative für die
       Tafel weiter unterstütze und zuletzt im Mai ein Treffen mit B. Efe
       stattgefunden habe.
       
       Efe und die Initiative jedoch zeigen sich enttäuscht: „Die Stadt hat mich
       alleingelassen“, sagt Efe. Die Gedenktafel hat die Initiative inzwischen
       selbst organisiert, sie soll im Laufe des Jahres eingeweiht werden. Ebenso
       wie die finanzielle Unterstützung für Efe, die sie durch Spenden
       koordinieren.„Das ist eigentlich nicht die Aufgabe von Efe und einigen
       Unterstützer*innen“, sagt Schopert.
       
       20 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Yağmur Ekim Çay
       
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