# taz.de -- Reaktion auf Netflix-Serie: „Adolescence“-Alltag
       
       > Eine britische Netflix-Serie über einen 13-Jährigen, der seine
       > Mitschülerin ermordet, bricht Streaming-Rekorde. Und zwingt die Politik
       > zum Handeln.
       
 (IMG) Bild: „Adolescence“-Drehbuchautor Jack Thorne vor 10 Downing Street
       
       London taz | [1][Die Netflix Serie „Adolescence“] ist ein Rekordbrecher.
       Die britische Serie, in der ein 13-jähriger Junge – beeinflusst von
       Incel-Kultur in den sozialen Medien – ein gleichaltriges Mädchen ersticht,
       wurde allein in den ersten zwei Wochen nach Serienstart von über 96,7
       Millionen Zuschauer:innen angeschaut. Damit ist sie die erfolgreichste
       Netflix-Serie aller Zeiten.
       
       Bereits zwei Wochen nach der Veröffentlichung waren der Drehbuchautor Jack
       Thorne und der Co-Produzent Jo Johnson zu Gast beim [2][britischen
       Premierministers Keir Starmer] im Regierungssitz 10 Downing Street, um dort
       gemeinsam mit Betroffenen und Kinderschutzorganisationen über die
       gesellschaftlichen Herausforderungen zu diskutieren, die der Serie zugrunde
       liegen.
       
       Auch Schüler:innen haben die Probleme erkannt und Netflix aufgerufen,
       die Serie frei zugänglich zu machen, damit alle sie sehen können. Dass
       Netflix dem nachgekommen ist, ist ganz im Sinne von Jack Thorne. „Der Sinn
       der Serie war gerade die Provokation zum Gespräch“, sagte er. Die
       Netflix-Entscheidung übertraf aber nicht nur „alle Erwartungen“ des
       Drehbuchautors, sondern dürfte auch dem Premier gefallen. Denn laut ihm
       sollen so viele Schüler:innen wie möglich die Serie ansehen. Gespräche
       darüber könnten, so sagt er, gegen böswillige Einflüsse rüsten. Er selbst
       habe die Serie mit seinem Sohn und seiner Tochter, beide Teenager,
       angesehen und sie habe in ihm als Vater „starke Gefühle“ ausgelöst.
       
       Die britische Regierung hat die Probleme mit gewaltfördernden Inhalten im
       Internet schon länger im Blick. Ab dem Sommer zwingt ein neues Gesetz
       Internetplattformen dazu, Material dem Alter entsprechend zugänglich zu
       machen, manche Inhalte also jungen Nutzer:innen nicht mehr zu zeigen.
       
       ## Vorbilder gegen Frauenhass
       
       Nicht nur der Premier, auch die britische Erziehungsministerin Bridget
       Phillipson hat sich mit Enthusiasmus auf die Serie gestürzt. Ihr Ziel: mehr
       Männer im Lehrpersonal.
       
       „Jungen brauchen positive und starke Vorbilder, um sich manipulativer
       frauenfeindlichen Stimmen in den sozialen Medien erwehren zu können“,
       argumentierte sie. Ihre schockierende Statistik dazu: Obwohl seit 2010 die
       Anzahl der englischen Lehrkräfte um 28.000 Personen angestiegen sei, seien
       darunter nur 533 Männer. Zusätzlich will Phillipson überprüfen lassen, wie
       effektiv die Restriktionen der Smartphone-Nutzung an Schulen sind.
       
       Aber entspricht „Adolescence“ wirklich dem britischen Schulalltag? Laut der
       Organisation Everyone’s Invited schon. Seit 2020 entblößt die NGO, deren
       Ursprung auch auf die BBC-TV-Serie [3][„I May Destroy You“ über
       sexualisierte Gewalt] zurückgeht, „rape-culture“ und sexuelle Nötigung an
       Schulen. Sophie Lennox, Sprecherin von Everyone’s Invited, sagte der taz,
       „Adolescence“ spiegele direkt die Lebenserfahrungen von Kindern wider.
       „Zwischen dem, was Kinder erleben und was Eltern und Schulen wissen, ist
       ein großer Unterschied. Es ist kein Nebenthema mehr.
       
       Es ist Mainstream und die Altersgruppen, die es betrifft, werden immer
       jünger.“ In diesem Sinne begrüße die Organisation, dass die Serie allen vor
       Augen führe, was im Klassenzimmer wirklich Alltag sei. Die Organisation hat
       inzwischen ihr eigenes Bildungsprogramm entwickelt, das gerade bei jüngeren
       Kindern digitales Bewusstsein und kritisches Denken stärken soll. Und sie
       wünscht sich dafür von der Regierung mehr Ressourcen.
       
       ## Frauenfeindliche Influencer beeinflussen Kinder aller Geschlechter
       
       Das fordern auch andere Organisationen, darunter die größte britische
       Kinderschutzorganisation NSPCC. Sie bestätigte, dass frauenfeindliche
       Influencer und „Manosphere-Platformen“ Kinder aller Geschlechter
       beeinflussen würden. Im letzten Jahr sind laut einer Studie der
       Organisation, 69 Prozent aller britischen Jungen zwischen 11 und 14 Jahren
       mit frauenfeindlichem Material konfrontiert worden. Anlässlich der Serie
       hat die NSPCC nun neun Ratschläge herausgegeben, wie Eltern und
       Erziehungsberechtigte Jungen davor schützen können, misogyne
       Weltanschauungen zu verinnerlichen: vor allem mit ruhigen Gesprächen.
       
       Zugleich fordern NSPCC und andere Organisationen, dass die neuen britischen
       Gesetze effektiv bei Internetgiganten durchgesetzt werden. Das könnte den
       Ton in den sozialen Medien nachhaltig verändern, vielleicht auch über die
       britischen Grenzen hinaus. Dass Gewalt von Jungen gegen Mädchen ein
       internationales Problem ist, ist den Organisationen klar. [4][Auf der
       Seite] von Everyone’s Invited kann man deswegen auch Erfahrungen aus dem
       deutschsprachigen Raum melden.
       
       Anmerkung der Redaktion: In der Überschrift ist uns ein Fehler unterlaufen:
       Es heißt natürlich „frauenfeindlich“. Vielen Dank für die Hinweise, wir
       haben das korrigiert.
       
       8 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Neue-Netflix-Serie-Adolescence/!6074768
 (DIR) [2] /Keir-Starmer/!t5676496
 (DIR) [3] /Serie-I-May-Destroy-You/!5720013
 (DIR) [4] https://www.everyonesinvited.uk/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
       
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