# taz.de -- Leistungsloses Einkommen: Warum Erben lieber über „Neid“ reden als über Gerechtigkeit
       
       > Jährlich werden Milliarden vererbt – ein leistungsloses Einkommen.
       > Kritiker werden als neidisch diffamiert. Dabei haben sie gute Argumente.
       
 (IMG) Bild: Wer nicht erbt, gehört zu den Verlierern des Wohnmarktes
       
       Gerade wird wieder viel über das Thema [1][„Erben“] geschrieben, denn in
       den nächsten Jahren werden in Deutschland etwa 400 Milliarden Euro
       [2][vererbt]. In den Artikeln geht es aber meistens nicht um die
       Ungerechtigkeit, die so ein [3][leistungsloses Einkommen] darstellt,
       sondern die Umstände, die es macht: Streit mit den Geschwistern, Probleme
       mit der geerbten Immobilie, Unsicherheit wegen Steuertricks.
       
       Probleme, die andere – also die Nichterben – gerne hätten. Da in den
       Städten sicheres Wohnen nur noch im Eigentum möglich ist, Wohneigentum sich
       aber nicht mehr durch normale Lohnarbeit erwerben lässt, wird das Erben zum
       alles bestimmenden Standortvorteil bei der Problemsache Wohnen. Aber who
       cares?
       
       Konservative und Liberale haben von Haus aus kein Problem mit dem Erben –
       wer nicht erbt, hat eben Pech gehabt. Aber auch die linke Erbscham hält
       sich in Grenzen. Auch wer eher woke und links ist, verteilt in der Praxis
       nicht gerne um. Schließlich haben die Eltern dafür gearbeitet (oder die
       Großeltern?).
       
       Das Geld wurde ja bereits versteuert! Der Mietenmarkt ist das Allerletzte!
       Wir haben Kinder! Die Eltern wollten es uns unbedingt schenken! Wir leben
       selbst prekär!
       
       Der linksgrüne Erbe steckt das Geld vielleicht in eine Baugruppe und baut
       was ökologisch Sinnvolles, was die Sache aber auch nicht gerechter macht.
       Denn diese Möglichkeit bleibt Menschen mit leistungslosem Einkommen durch
       Elternhintergrund (Erben) vorbehalten.
       
       ## Feudale Praxis des Erbens
       
       Kritik an der undemokratischen, letztlich feudalen Praxis des Erbens wird
       allgemein gerne als Neid diskreditiert. Dabei können die Gefühle der
       Nichterben von leichter Resignation über Vergeblichkeitsgefühle bis zum
       tiefen Empfinden sozialer Ungerechtigkeit durch die Aushebelung des
       angeblich herrschenden Leistungsprinzips in der Gesellschaft reichen.
       
       Statt Mitgefühl zu zeigen, wird den Nichterben eine hässliche
       Charaktereigenschaft unterstellt: Neid. Dieses uralte Gefühl gehört ja zu
       den sieben Todsünden und gilt schon in der Bibel als verachtenswert. Mit
       den neueren Komposita wie „Sozialneid“ oder „Neiddebatte“ lässt sich zudem
       jede Kritik an sozialer Ungleichheit einfach als Neid denunzieren. Dabei
       ist die „Neiddebatte“ nichts anderes als ein Begriff zur Verteidigung von
       Klassenunterschieden und Privilegien. So weit, so ungut.
       
       Da dies aber auch eine Ratgeberkolumne ist, wollen wir den Nichterben an
       dieser Stelle hilfreich beiseitestehen und haben deshalb recherchiert. So
       gab der konservative Soziologe und Neidforscher Helmut Schoeck in seinem
       Standardwerk „Der Neid und die Gesellschaft“ prima Tipps dazu, was gegen
       Neidgefühle getan werden kann:
       
       Hoffnung auf Entschädigung im Jenseits, Glauben an die Rechtsordnung,
       Bescheidenheit und einfach mal die angeborene Überlegenheit der Eliten
       akzeptieren.
       
       Die Kolumnistin hingegen gehört eher der nichtkonservativen Neidforschung
       an und empfiehlt: soziale Gerechtigkeit politisch einfordern, effektive
       Besteuerung großer Erbschaften, [4][Mietendeckel, Übergewinnsteuer,
       Vermögensteuer], Vergesellschaftung.
       
       19 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
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