# taz.de -- Störungen im Wahllokal: Die AfD verwechselt Wahlbeobachtung mit Kontrolle
       
       > Bei der Bundestagswahl muss damit gerechnet werden: Diskussionen mit
       > extrem Rechten. Eine Verwaltungschefin aus Schleswig-Holstein kennt das
       > schon.
       
 (IMG) Bild: Hier darf jede:r zugucken: Stimmzettelauszählung nach der Hamburger Bürgerschaftswahl 2000 in der Alsterdorfer Sporthalle
       
       Bremen taz | Die extrem rechte Partei AfD sowie ihr nahe stehende
       Organisationen haben [1][zu einer verstärkten Beobachtung der
       Bundestagswahl] aufgerufen, auch in Norddeutschland. Hier sind es neben der
       AfD etwa die „Kieler Gelbwesten“ oder „Wendezeit Hannover“. Sie wollen bei
       den Stimmauszählungen dabei sein. Die ehrenamtlichen Wahlhelfer:innen
       sprechen dort laut aus, was auf den Wahlzetteln angekreuzt wurde. Sie
       bilden mit fünf bis neun Personen den Wahlvorstand und kontrollieren sich
       gegenseitig.
       
       [2][Die extrem Rechten] suggerieren nun fälschlich, das Wahlgesetz erlaube
       mit der Wahlbeobachtung eine weitere Prüfinstanz. „Vertrauen ohne
       Kontrolle ist naiv“, schreibt der neu gegründete Verein Wabeo auf seiner
       Homepage. Er stellt gegen eine Gebühr Formulare zur Verfügung, mit denen
       die Stimmauszählung dokumentiert werden soll. Auch auf der AfD-Homepage
       kann man seine privaten Auszählungsergebnisse eingeben.
       
       Jede:r dürfe unangemeldet die Arbeit der Urnen- und Briefwahlvorstände
       beobachten, schreibt Niedersachsens Landeswahlleiter Markus Steinmetz der
       taz. „Die Öffentlichkeit ist ein wichtiger Grundsatz demokratischer
       Wahlen.“ Er wende sich aber gegen das in sozialen Medien verbreitete
       Narrativ, eine organisierte Wahlbeobachtung sei notwendig, um drohenden
       Wahlbetrug zu verhindern. „Das ist geeignet, das Vertrauen in die
       Demokratie zu untergraben.“
       
       Als besonders problematisch bezeichnet er zudem Versuche von
       Wahlbeobachter:innen, „Druck auf die Mitglieder der Wahlvorstände auszuüben
       oder diese sogar einzuschüchtern“. Damit sich die Wahlhelfer:innen
       dagegen wehren können, sei [3][eine von der Bundeswahlleitung erarbeitete
       Handreichung] weitergeleitet worden.
       
       ## Polizei auf Störungen vorbereitet
       
       Diese listet zulässige und unzulässige Verhaltensweisen von
       Wahlbeobachter:innen auf und erklärt Sanktionswege. „Bei nicht
       abstellbaren Störungen ist die zuständige Stelle bei der Gemeinde zu
       informieren – und im Bedarfsfall die Polizei hinzuzuziehen.“
       
       Im Land Bremen seien die Polizeibehörden auf mögliche Störungen in
       Wahllokalen vorbereitet, heißt es in einem [4][Schreiben des Innensenators]
       an die parlamentarische Innendeputation, die am Donnerstag getagt hat.
       Störungen durch Wahlbeobachter:innen seien in den vergangenen Jahren
       keine gemeldet worden, teilte ein Sprecher des Innensenators mit.
       
       In Niedersachsen habe es in der Vergangenheit „vereinzelt Diskussionen mit
       Wahlbeobachtern über deren Befugnisse gegeben“, so Landeswahlleiter Markus
       Steinmetz. Aus Schleswig-Holstein heißt es, es sei in den vergangenen
       Jahren vereinzelt zu Störungen gekommen.
       
       Was damit gemeint ist, kann Juliane Bohrer erzählen. Sie leitet die
       Verwaltung des Amts Schrevenborn. Dazu gehören die drei Gemeinden
       Heikendorf, Mönkeberg und Schönkirchen am Ostufer der Kieler Förde mit
       zusammen knapp 20.000 Einwohner:innen.
       
       Sie wollte Stimmzettel fotografieren 
       
       Am Telefon berichtet sie, wie Karin Kaiser, eine AfD-Gemeinderätin, bei den
       vergangenen vier Wahlen in Schleswig-Holstein des Raumes verwiesen werden
       musste, weil sie die zulässigen Grundsätze der Wahlbeobachtung
       überschritten habe.
       
       „Sie hat teilweise den jeweiligen Wahlvorstand bedrängt, wollte Stimmzettel
       fotografieren oder lief hinter den Wahlhelfer:innen herum, sodass diese
       nicht sehen konnten, was sie dort machte.“ Das sei auch deshalb nicht
       akzeptabel, weil niemand außer dem Wahlvorstand Zugriff auf die Unterlagen
       haben darf.
       
       Die AfD-Politikerin habe zudem in die Wahlurne schauen und über
       Entscheidungen diskutieren wollen – wozu sie laut Bundeswahlgesetz nicht
       berechtigt ist. „Sie wurde teilweise sehr laut“, erzählt die
       Amtsdirektorin, „einige Wahlhelfer:innen haben sich bedroht gefühlt.“
       
       In einem Fall sei Kaiser mit zwei weiteren Personen erschienen. Sie selbst
       sei jedes Mal hinzugezogen worden und habe mit der AfD-Politikerin
       gesprochen, die uneinsichtig geblieben sei. Bei den vergangenen drei Wahlen
       habe Kaiser die Polizei gerufen, die aber die Entscheidungen des
       Wahlvorstands durchsetzte.
       
       Stuhlbarrieren gegen AfD-Frau 
       
       Nach den ersten Erfahrungen mit ihr hätten die Wahlvorstände vorsorglich
       mit Stuhlbarrieren dafür gesorgt, dass die AfD-Politikerin nicht hinter
       ihnen herumlaufen kann. Diese behauptet dazu auf ihrer Homepage, Bohrer
       habe ihr keine „uneingeschränkte Wahlbeobachtung“ gewährt und sich nicht an
       die Vorgaben der Bundeswahlleitung gehalten. Das stimmt so nicht. „Ein
       Anspruch auf Sichtbarkeit jeder Einzelheit besteht nicht“, heißt es etwa in
       der Handreichung.
       
       Auch ihre Klageversuche sind bisher gescheitert. So wies das
       [5][Landesverfassungsgericht Schleswig-Holstein] ihre Klage gegen die
       Gültigkeit der Landtagswahl 2022 ab. In erster Instanz entschied das
       Verwaltungsgericht Schleswig gegen ihre Klage gegen die Kommunalwahl 2023.
       Und ihr Einspruch gegen die Bundestagswahl 2021 wurde vom Bundestag
       zurückgewiesen, der sich noch mit ihrem Einspruch zur Europawahl 2024
       befassen muss.
       
       21 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Rechte-Aufrufe-zur-Wahlbeobachtung/!6065419
 (DIR) [2] /AfD-Wahlkampfauftakt-in-Halle/!6064728
 (DIR) [3] https://www.bundeswahlleiterin.de/dam/jcr/1bbf56b4-546f-441c-a46a-c93a6d69193b/wahlvorstaende_handreichung-wahlbeobachtung.pdf
 (DIR) [4] https://sd.bremische-buergerschaft.de/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZYa-2ntBYoE-jcxzo2bURMQjt37JsdNfMM3wJoUZ6hBy/Beschlussvorlage_Ausschuesse-Deputationen_VL_21-4178.pdf
 (DIR) [5] /Demokratie-Abbau-in-Schleswig-Holstein/!5989897
       
       ## AUTOREN
       
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