# taz.de -- Atomkraft in der Ukraine: Kyjiw kauft Reaktoren aus zweiter Hand
       
       > Im Chmelnizki soll das größte Atomkraftwerk Europas entstehen – mit zwei
       > Reaktoren aus Bulgarien. Experten warnen vor technischen
       > Herausforderungen.
       
 (IMG) Bild: Pressekonferrez von und mit Wolodymyr Selenskyj auf dem Gelände des Atomkraftwerks Chmelnyzkyj Anfang Februar 2025
       
       Kiew taz | Im ukrainischen Chmelnizki soll künftig das größte Atomkraftwerk
       Europas stehen. Ende vergangener Woche kündigte der ukrainische Präsident
       Wolodymyr Selenskyj an, dort vier weitere Blöcke am Kernkraftwerk in
       Betrieb zu nehmen. Chmelnizki liegt etwa auf halber Strecke zwischen Kyjiw
       und Lwiw. Sollte dieses Vorhaben umgesetzt werden, wäre das Kraftwerk mit
       insgesamt sechs Reaktoren das größte in Europa.
       
       Bereits am Dienstag genehmigte das ukrainische Parlament den Kauf von zwei
       Reaktoren sowjetischer Bauart aus Bulgarien für insgesamt 600 Millionen
       Euro. Selenskyj betonte auf der Münchner Sicherheitskonferenz am Samstag,
       dass der Ausbau des Kernkraftwerks nicht nur die Energiesicherheit der
       Ukraine, sondern der gesamten europäischen Region stärken werde. „Wir
       bereiten derzeit ein Erweiterungsprojekt für unser Kernkraftwerk Chmelnizki
       vor, das unter Einbindung amerikanischer Unternehmen, insbesondere der
       Firma Westinghouse, realisiert wird. [1][Dieses Projekt wird die
       Energiesicherheit nicht nur der Ukraine, sondern der gesamten europäischen
       Region erheblich stärken]“, erklärte er laut Interfax-Ukraine und
       Censor.net.
       
       Derzeit sind im AKW Chmelnizki zwei Reaktoren am Netz, der erste seit 1987,
       der zweite seit 2004. Nach der Katastrophe von Tschernobyl wurde der
       geplante Bau von zwei weiteren Reaktoren zunächst auf Eis gelegt. Dabei war
       der Bau von Block 3 zu 80 Prozent fertig, der von Block 4 zu 25 Prozent.
       Nun will man Block 3 und 4 zu Ende bauen und dabei die beiden bulgarischen
       Reaktoren einsetzen. Beide Blöcke sind mit WWER-1000-Reaktoren
       ausgestattet, also Druckwasserreaktoren sowjetischer beziehungsweise
       russischer Bauart, und haben eine Gesamtkapazität von 2.000 Megawatt.
       
       Doch ihr Einsatz ist umstritten. Es mache keinen Sinn, sie während des
       Krieges fertigzustellen, zitiert das Portal espreso.tv die ukrainische
       Atomwissenschaftlerin Olga Koscharna. Auch bei Ecodia, der größten
       ukrainischen Umweltorganisation, hat man Bedenken gegen die
       „Second-Hand“-Reaktoren. „Die Reaktoren aus Belene vom Typ WWER-1000/B-466B
       weichen technisch von den ursprünglich vorgesehenen Parametern der
       Reaktoren 3 und 4 des Kernkraftwerks Chmelnizki vom Typ WWER-1000/B-320
       ab“, sagt Artem Kolesnyk von Ecodia. „Diese Unterschiede erfordern
       möglicherweise umfassende Modifikationen, um die Reaktoren in die bereits
       in den 1980er Jahren geplante Infrastruktur zu integrieren“, so Kolesnyk.
       
       ## Schwieriger Bau in Zeiten des Krieges
       
       Der bulgarische Atomwissenschaftler Gueorgui Kastchiev äußerte im Gespräch
       mit der taz ebenfalls Bedenken angesichts dieses Deals. Der Physiker
       arbeitete lange Jahre für bulgarische Atomkraftwerke und -behörden und
       kennt die Reaktoren gut. Die Konstruktion des AKW Belene, in dem diese
       beiden Reaktoren hätten eingesetzt werden sollen, unterscheide sich von der
       Konstruktion der Bauten in Chmelnizki, sagt Kastchiev. Dies bedeute, dass
       schwierige Anpassungsarbeiten an die aus Bulgarien zu liefernden Reaktoren
       bevorstünden. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie man unter den Bedingungen
       eines Krieges ein AKW bauen und ans Netz anschließen kann“, so Kastchiev.
       
       Die dabei drohenden Gefahren wurden in der Nacht vor der Münchner
       Sicherheitskonferenz deutlich, als eine laut ukrainischen Medien russische
       Drohne den Sarkophag von Tschernobyl traf. Laut Präsident Selenskyj trug
       sie 50 Kilogramm Sprengstoff mit sich.
       
       [2][Inzwischen wurden drei Brandherde festgestellt, die dringend gelöscht
       werden müssen, berichtet das Portal tsn.ua]. Laut der Behörde für die
       Verwaltung der Sperrzone arbeiten zwei Teams aus jeweils vier Personen an
       der Brandbekämpfung. Ein weiteres Team versucht, Teile der
       Schutzkonstruktionen zu öffnen, um die Glutnester zu löschen.
       
       17 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Mit-Unterstuetzung-von-US-Firmen/!6003173
 (DIR) [2] https://tsn.ua/ru/ukrayina/novye-dannye-o-sostoyanii-chaes-posle-rossiyskoy-ataki-chto-izvestno-seychas-2769042.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Clasen
       
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