# taz.de -- Bildung im Wahlkampf: Streitet endlich über Bildungspolitik!
       
       > 27.000 Lehrkräfte haben die Schule verlassen – schon vor der Rente.
       > Trotzdem ignorieren die Parteien im Wahlkampf die Bildungskrise. Wie
       > kurzsichtig!
       
 (IMG) Bild: Ohne Lehrende gibt's Chaos, und zwar nicht von der guten Sorte
       
       Es gibt Meldungen, bei denen im ganzen Land laut die Alarmglocken schrillen
       müssten. Wie bei dem am Mittwoch veröffentlichten Bericht über den
       [1][„Massenexodus“ an deutschen Schulen]. Das Berliner Forschungsinstitut
       für Bildungs- und Sozialökonomie, kurz FiBS, hat herausgefunden, dass im
       vergangenen Schuljahr 27.000 Lehrer:innen aus dem Schuldienst geflüchtet
       sind. Richtig gelesen: geflüchtet. Die meisten dürften wohl hingeschmissen
       haben, weil sie keinen Bock oder keine Kraft mehr für einen Job mit
       Dauerbelastung hatten.
       
       Um die ganze Dramatik dieser Meldung zu verstehen, muss man wissen, dass
       die Lehrer:innenschaft stark überaltert ist. Die Lücken, die die
       Pensionär:innen Jahr um Jahr in die Kollegien reißen – letztes Jahr
       gingen rund 10.000 –, können die Schulen ohnehin kaum stopfen. Gleichzeitig
       hat sich die Zahl derer, die das sinkende Schiff verlassen, seit 2015
       verdoppelt. In manchen Bundesländern wie Mecklenburg-Vorpommern gibt
       mittlerweile jede:r Zehnte vorzeitig auf. Wenn die Politik hier nicht bald
       umsteuert und für spürbare Entlastung sorgt, wird aus der Bildungskrise
       bald eine Bildungskatastrophe.
       
       Doch dafür müssten die Parteien die Bildungskrise erst mal als solche
       anerkennen. Leider finden Nachrichten wie die obige in dem ganzen
       Wahlkampfgeblubber keine große Beachtung. Wer jetzt einwendet, dass Bildung
       nun mal Ländersache sei und deshalb im Bundestagswahlkampf nichts zu suchen
       habe, verschließt die Augen vor der Realität. Längst ist der Bund ein
       wichtiger Finanzier bildungspolitischer Programme: Er zahlt das Bafög,
       investiert in den Ausbau von Kitas und Ganztagsbetreuung, sorgt für
       IT-Infrastruktur an Schulen, unterstützt Schüler:innen in sozial
       benachteiligten Lagen.
       
       Die Frage ist also nicht: Darf sich die künftige Bundesregierung in die
       Bildungshoheit der Länder einmischen? Sondern: Könnte, sollte, müsste sie
       nicht noch viel mehr tun, um das Bildungssystem gerechter, gesünder und
       zeitgemäßer zu gestalten? Es ist ein beschämendes Zeugnis, doch mit
       Ausnahme von [2][Robert Habeck, der immerhin die maroden Schulen im Land
       sanieren möchte], interessiert sich kein Kanzlerkandidat für die
       drängenden Bildungsfragen.
       
       Wie kann es sein, dass sich eine der reichsten Wirtschaftsnationen immer
       noch eines der ungerechtesten Bildungssysteme leistet? Wieso lässt man
       Schüler:innen (und Lehrkräfte), die seit Jahren über einen völlig aus
       der Zeit gefallenen Lern- und Leistungsdruck klagen, einfach so abblitzen?
       Wieso sind dem Land Wissenschaftler:innen mit Kettenverträgen und
       Studierende unterhalb der Armutsgrenze so egal?
       
       Jedes dieser Themen wäre einen bundesweiten Bildungsgipfel wert. Doch
       darüber reden nur die Fachpolitiker:innen und hie und da mal die
       Länderchefs. Ansonsten: Schweigen. Den Parteispitzen aber ist Bildung ganz
       offensichtlich so unwichtig, dass seit dem Ampelbruch noch nicht ein mal
       darüber gestritten haben, wer hier die besseren Lösungen parat hat.
       
       Selbst Appelle wie der [3][von den drei Bildungsministerinnen aus
       Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein], Bildung im
       Wahlkampf zu thematisieren, verhallen. Einziger Lichtblick ist noch [4][die
       linke Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek], die diese Woche im Bundestag
       diese Leerstelle benannt und unter anderem einen Kita-Gipfel gefordert hat.
       Auch ein Thema, das eigentlich keinen Aufschub duldet.
       
       Doch die meisten Wahlkämpfer:innen halten die Bürger:innen lieber in
       der Migrationsdebattendauerschleife. Und wir Medien machen schön mit. Mit
       dramatischen Folgen. [5][Nach einer aktuellen Studie erleben nur 22 Prozent
       der Schüler:innen die Demokratie als fähig, aktuelle Probleme zu lösen].
       
       Wie unzufrieden besonders junge Menschen mit der Politik sind, kann kaum
       verwundern. Erst hat die Ampel zentrale Versprechen an junge Menschen –
       Wählen mit 16, Klimaschutz, elternunabhängiges Bafög – nicht eingelöst. Und
       nun kommen ihre Sorgen und Wünsche gar nicht mehr im Wahlkampf vor (sieht
       man vielleicht von der Krieg-und-Frieden-Thematik ab). Das ist beschämend
       und genauso kurzsichtig, wie die Bildungsbaustellen gänzlich den Ländern zu
       überlassen.
       
       Selbst wenn man die Themen Migration und Wirtschaft als die vorrangigen
       „Probleme“ im Land sieht. Ohne die entsprechenden Ressourcen in der Bildung
       wird man die erhofften Ziele nicht erreichen. Darauf weisen Expert:innen
       schon lange hin. Diese Einsicht muss sich endlich auch im Wahlkampf
       bemerkbar machen.
       
       13 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.fibs.eu/aktuelles/meldung/news/detail/News/massenexodus-der-lehrkraefte-eine-analyse-der-abgaenge-aus-dem-schuldienst-2-ergaenzte-auflage/
 (DIR) [2] /Wahlkampf-Endspurt-der-Gruenen/!6065404
 (DIR) [3] /Drei-Laender-fuer-mehr-Bildung-imWahlkampf/!6063130/
 (DIR) [4] /Linke-Politikerin-Heidi-Reichinnek/!6063355
 (DIR) [5] https://www.greenpeace.de/ueber-uns/umweltbildung/umfrage-jugend-schule-und-demokratie
       
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