# taz.de -- ARD-Serie „The Next Level“: Ein Level zu weit
       
       > Eine US-amerikanische Touristin stirbt im Berliner Club Berghain an einer
       > Überdosis. Eine wahre Geschichte, die jetzt fiktionalisiert wurde.
       
 (IMG) Bild: Lisa Vicari als Rosa Bernhard
       
       Journalist_innen sind witzlose Menschen. Sie gucken geplagt, sagen Dinge
       wie „Die Story lässt mich nicht los“, rauchen Kette, schreiben den Namen
       eines Protagonisten fett auf Papier, umkringeln ihn dreimal und starren ihn
       mit Kopf in den Händen an, als könnte er einem verraten, wie die Recherche
       bloß weitergeht. Das wollen Darstellungen in Film und Fernsehen einem
       zumindest weismachen.
       
       Dieses mystifizierte Ideal der gequälten Journalistin findet sich auch in
       der neuen ARD-Serie „The Next Level“. Rosa Bernhard ([1][Lisa Vicari]) ist
       Reporterin und auf der Suche nach dem Kern ihrer Geschichte. Die handelt
       von Josh (Ben Lloyd-Hughes) und Zofia (Jenny Walser) aus New York, die am
       Ende ihrer Hochzeitsweltreise in Berlin landen, um in einem Technoclub
       namens „Reaktor“ zu feiern.
       
       Um dort das „next Level“, die nächste Stufe zu erreichen. Als Zofia ein
       Level zu weit geht und statt einer gleich zwei Ecstasy-Pillen nimmt, dauert
       es nicht lang, bis sie mit Schaum vorm Mund und schwitzend irgendwo
       Backstage landet und mit dem Tod ringt. Ein paar Stunden später stirbt sie
       im Krankenhaus. Zufällig ist Rosa auch dort, trifft Josh und begleitet ihn
       in den nächsten Tagen in Berlin. Sie will über den Tod berichten.
       
       Wahre Begebenheiten, die der Journalist Alexander Osang 2018 [2][in einer
       Spiegel-Reportage] aufschrieb, inspirierten die Serie. Die Unterschiede zur
       obigen Zusammenfassung: Josh und Zofia waren bereits vier Jahre
       verheiratet, heißen eigentlich Carlo und Jenifer und der Club nicht
       „Reaktor“, sondern „Berghain“.
       
       ## Manches detailgetreu, manches pure Fiktion
       
       Osang schrieb nicht nur für den Spiegel darüber, sondern auch das Drehbuch
       für die Serie (zum Teil zusammen mit [3][Ipek Zübert]), Rosa ist sein
       Alter-Ego. Fiktion ist dabei der Immobilienmogul Bodo Brenner (Jens
       Harzer), der paradoxerweise der guten alten DDR hinterhertrauert, ähnlich
       wie Rosas suizidale Mutter (Michaela Winterstein). Beide verstricken sich
       in Rosas Leben und in ihre Recherche.
       
       Die Serie übernimmt auch viele Details, die sich tatsächlich genau so
       abgespielt haben; etwa das Foto, das das Paar noch aus der
       Berghain-Schlange an einen Freund schickt, um ihr „bestes gelangweiltes
       Gesicht“ unter Beweis zu stellen – das soll die Chancen beim Türsteher
       erhöhen. Oder wie der ihnen das Ecstasy abnahm und im Club dann neues
       besorgt werden musste.
       
       Ein Spiegel-Autor, der fiktionale Elemente zu seinen Geschichten dazu
       erfindet? Das gibt es nicht zum ersten Mal. Und ist bei einer Serie
       natürlich vollkommen in Ordnung. Denkt man allerdings an den realen Witwer,
       wirken manche Dazudichtungen unangemessen.
       
       Etwa als Joshs Eltern zu faul sind, um für Zofias Einäscherung nach
       Deutschland zu kommen (in echt kamen sie); oder auch dann, wenn an der
       Liebe zwischen ihm und seiner Frau gezweifelt wird, ja sogar eine heimliche
       Affäre impliziert wird.
       
       ## Mal wieder ein erfundenes Berlin
       
       Das macht auch der Disclaimer zu Beginn, dass es sich um eine „fiktionale
       Geschichte“ handle, nicht wieder gut. Auf den Disclaimer beruft sich auch
       die Produktionsfirma auf Anfrage der taz: „Alle Figuren sind erfunden,
       alles, was sie sagen und tun, ist Fiktion.“
       
       Etwas Fiktionales hat auch die Stadt. Denn Berlin wird in der Serie zu
       einer zweifachen Projektionsfläche. Einerseits für diejenigen, die sich
       dort vergessen wollen; für sie ist Berlin ein hedonistischer Mikrokosmos,
       der „Tanz auf dem Vulkan“, schreibt Osang.
       
       Andererseits für DDR-Nostalgiker, die daran hängen, was vom Osten
       übrigblieb und bisher nicht weggentrifiziert wurde. Und die Realität?
       Verdreckte Straßen, heruntergekommene Häuser, kleine vollgestellte
       Wohnungen, ranzige Hostels, verqualmte Eckkneipen.
       
       Und dann ist da natürlich noch die Metaprojektion für Zuschauende: die der
       enigmatischen Reporterin. Trotz oder wegen alldem ist „The Next Level“ eine
       gelungene Serie, mit Cliffhangern, die ihren Zweck erfüllen, tollen Szenen
       eines verruchten Berlins und einem super Soundtrack. Und nebenbei auch
       wirklich spannend.
       
       24 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Streaming-Spielfilm-Isi-und-Ossi/!5663735
 (DIR) [2] https://www.spiegel.de/panorama/berghain-in-berlin-wie-eine-junge-frau-im-beruehmtesten-klub-der-welt-starb-a-00000000-0002-0001-0000-000156332557
 (DIR) [3] https://zueberts.de/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Valérie Catil
       
       ## TAGS
       
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