# taz.de -- Die Wahrheit: Deutschland ist gerettet!
       
       > Die wichtigsten DAX-Konzerne planen derzeit die Gigafusion, um stark zu
       > bleiben. Der Wahrheit-Wirtschaftsreport.
       
 (IMG) Bild: Ganz weit vorn bei der Rettungsaktion: Mercedes-Benz
       
       Nach einer Marathonsitzung von sieben Tagen und Nächten an einem geheimen
       Ort in Nord- oder Süddeutschland oder irgendwo dazwischen ist es
       vollbracht. Um vier Uhr morgens erhebt sich Hagen Kersting, Vorsitzender
       des Aufsichtsrats von BMW, und verkündet mit fahlem Teint, doch
       leuchtenden Augen: „Meine Damen, meine Herren. Wir haben das Undenkbare
       geschafft. Ab sofort machen BMW und Mercedes gemeinsame Sache!“
       
       Lächelnd linst er zu Ulrich Wemhöner hin, dem Aufsichtsratschef der
       Mercedes-Benz-Group. Der erwidert das verliebte Lächeln. „Stoßen wir an“,
       fährt Kersting fort, „auf die größte Fusion der deutschen Geschichte – die
       Mutter aller Fusionen.“ Er erhebt seine weiße Porzellantasse, schlürft den
       letzten Tropfen kalten Kaffees heraus.
       
       Allerorten pumpen sich die Herrschenden auf, lassen die Muskeln spielen,
       nur im lieben Deutschland bislang nicht. Das darf so nicht weitergehen,
       schon gar nicht in der heimischen Automobilindustrie! Darum ließen BMW und
       Mercedes jetzt monatelang Möglichkeiten einer Zusammenarbeit ausloten,
       berechneten Synergieeffekte, bereiteten die Abschlussverhandlung der
       Aufsichtsräte vor, drehten das ganz große Lenkrad. Codename: „Große
       Koalition“ – die GroKo der Autobranche.
       
       „Als Erstes bauen wir ein scharfes GroKomobil“, witzelt Kersting am
       geheimen Ort. Wemhöner pflichtet ihm bei: „Mit Sitzen aus GroKodilleder.“
       Die drei Dutzend Damen und Herren am Verhandlungstisch freuen sich, dass
       alle lachen und sich so freuen. Wie von Zauberhand stehen
       Champagnerflaschen auf dem Tisch. Korken knallen, da geht BMW-Kerstings
       Telefon.
       
       ## Irgendwer sticht immer irgendwas durch
       
       Ein superwichtiges Geheimtreffen, von dem niemand Wind kriegt, ist kein
       superwichtiges Geheimtreffen; irgendwer sticht immer irgendwas durch. „Das
       ist Hoffermann“, keucht Kersting, sich am Champagnerschluck verschluckend.
       Carl Hoffermann – der CEO von VW. Die beiden sprechen miteinander, dann
       legt Kersting sein Handy betont sachte, als handele es sich um eine
       Sprengladung, auf den Tisch. „VW will auch mit ins Boot“, platzt es aus
       ihm heraus.
       
       „Geil“, ruft einer. „Können mitmachen, aber den blöden Hoffermann ersetzen
       wir als Erstes durch Konrad Ingelheim.“ Jetzt geht es hoch her, jeder und
       jede bellt einen Kommentar in den Raum. „Konrad who?!“ – „Klaus Insterburg.
       Karla Issnich. KI. Wir lassen VW von einer KI leiten.“ – „VW, die alte
       Verbrecherzentrale. Ist das nicht rufschädigend mit denen?“ – „Logisch.
       Andererseits: Verbrecher an Bord haben verschafft Credibility in den USA!“
       – „Auf Augenhöhe verhandeln wir mit VW aber nicht.“ – „Nee, so weit runter
       kann sich kein Mensch bücken.“
       
       In den folgenden Stunden steht Kerstings Telefon nicht mehr still. Aus
       Sorge vor dem wirtschaftlichen Niedergang will der halbe DAX ins
       Rettungsboot aufgenommen werden: Bayer, Deutsche Bank, SAP, wie sie alle
       heißen. Kersting verlässt, Handy am Ohr, den Raum und sammelt die
       Aufnahmeanträge auf dem Flur.
       
       Als er wieder hereinkommt, strahlt er so im Gesicht, dass sogar die Sonne
       neidisch werden könnte. „Dreiundzwanzig“, säuselt er. „Mehr als die Hälfte
       vom DAX 40. Die Mehrheit. Wir sind der DAX!“ Alle im Raum verstehen sofort,
       dass Monate, ja Jahre harter Arbeit nötig sind, um ein weltumspannendes
       Konzernkonglomerat zusammenzuschrauben. Es soll ja schließlich dem von Elon
       Musk halbwegs nahekommen und enormen globalen Einfluss verheißen. Aber vor
       Arbeit ist hier niemandem bange. Weitere Kisten Schampus tauchen auf, sie
       werden zügig geleert.
       
       ## Wieherndes Gelächter
       
       „Rund dreiommaachtmijionen Beschäfichte. Wer soll die Gigabude eintlich
       leiten?“, lallt irgendwann einer. „Wagenknecht“, lallt es zurück.“ – „Und
       wie soll die Bude heißen?“ – „Neues Deutschland!“ Wieherndes Gelächter. –
       „Das muss sofort, am besten ad hoc, spätestens jetzt gleich bekannt gegeben
       werden.“ – „Auf dieser Bullshit-Plattform, wo die Leute dauernd so
       besoffenes Zeugs posten. Hicks oder wie die heißt.“ – „Auf diesem Fakebook
       von diesem Fuckerberg“, johlt eine Frau. Ihr Nachbar brüllt: „Fuck
       Fuckerbergs Fakebook!“, und fällt vom Stuhl.
       
       „Meine Damen, meine Herren, ich muss doch sehr bitten“, sagt Hagen Kersting
       von BMW und klopft wie ein Auktionator mit einer leeren Schampuspulle auf
       den Tisch. „Ich halte fest: Wir erleben die Geburtsstunde der GröKo – der
       größtmöglichen Koalition. Irgendwelche Einwände, Frau Merheim?“ Carla
       Merheim, Präsidentin des Bundeskartellamts und von Anfang an bei der
       Sitzung dabei, schüttelt den Kopf: „Keine. Die wirtschaftliche Stärke und
       Sicherheit des Landes haben Vorfahrt.“
       
       Hagen Kersting fährt fort: „Die GröKo wird mächtiger und einflussreicher
       sein als alle Koalitionen, die es jemals gab. Von nun an herrscht eine neue
       Zeitrechnung.“ Reflexhaft schaut er auf seine Armbanduhr. Es ist kurz nach
       halb acht. Draußen geht die Sonne auf. Deutschland ist gerettet.
       
       28 Jan 2025
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frank Lorentz
       
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