# taz.de -- Aktivist klagt wegen Volksverhetzung: Rechte träumen von Nazi-Stadt
       
       > Unter dem Motto „Braunschweig – Nazi-Stadt“ zog Ende 2024 eine
       > rechtsradikale Demo durch Braunschweig. Ein Gericht findet die Parole
       > mehrdeutig genug.
       
 (IMG) Bild: Anti-Antifa: Diesen Gruß hinterließen Neonazis vor dem Haus von Peter Rosenbaum in Braunschweig
       
       Hamburg taz | „Braunschweig, Nazi-Stadt“: Mit diesem Slogan zogen kurz vor
       Weihnachten ein paar versprengte Neonazis von der [1][Splitterpartei „Die
       Rechte“] durch die zweitgrößte Stadt Niedersachsens. Ungleich zahlreicher
       allerdings waren die Gegendemonstrant*innen vom „Bündnis gegen
       Rechts“, und damit hätte es dann auch sein Bewenden haben können. Wäre da
       nicht dieser Slogan gewesen.
       
       Denn „Braunschweig, Nazi-Stadt“, das sei eine „Schmähparole“, die Stadt und
       ihre Bewohnerschaft würden damit „verunglimpft“, meint [2][Peter
       Rosenbaum], langjähriger Ratsherr und in vorderster Front bei der
       Bürgerinitiative Braunschweig (Bibs) aktiv. Rosenbaum beschwerte sich bei
       der Stadt Braunschweig: Diese hätte die Parole nicht zulassen dürfen, nicht
       einmal stillschweigend.
       
       Aber es sei noch schlimmer, so Rosenbaum weiter: Bei der Genehmigung des
       Aufmarsches sei die Parole zitiert und damit von der Stadt bestätigt
       worden. „Welche Bedeutung messen Sie dem Schutz der Menschen in
       Braunschweig vor solchen Beleidigungen, Unterstellungen und
       Verunglimpfungen bei?“, fragte Rosenbaum in seiner Eigenschaft als
       Redakteur der Zeitung Unser Braunschweig, die von der Bürgerinitiative
       herausgegeben wird.
       
       Die laxe Haltung sei um so unverständlicher, als die Polizei bei einer
       Demonstration dieser Partei drei Jahre zuvor durchgegriffen habe. Als
       damals „Braunschweig, Nazi-Stadt“-Rufe ertönten, seien gegen die Rufenden
       Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet worden. Warum also sei
       die Parole nun plötzlich genehmigt worden?
       
       ## Verwaltungsgericht findet Slogan mehrdeutig genug
       
       Die Antwort der Stadt, sagt Rosenbaum, habe ihn überrascht: Nach der
       Demonstration vor drei Jahren sei die Sache vor dem Verwaltungsgericht
       gelandet, und das habe entschieden, dass „Braunschweig – Nazi-Stadt“-Rufe
       vom Grundgesetz gedeckt seien.
       
       Die Parole lasse laut dem Gericht mehrere Deutungen zu: „Braunschweig war,
       ist oder soll eine Nazistadt werden“ – es sei nicht klar ersichtlich, was
       damit konkret gesagt werden solle. Das Verwenden der Parole könne daher
       „nicht eindeutig als Billigen, Verherrlichen oder Rechtfertigen der
       nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft angesehen“ werden.
       
       Nun kommt der Ruf von der „Die Rechte“, und die ist in Braunschweig keine
       Unbekannte. Der Kreisverband hat sich zwar 2022 aufgelöst, aber für
       Demonstrationen mobilisiert der aus der Kameradschaftsszene kommende
       Parteigründer Christian Worch seine Leute vom mecklenburgischen Parchim
       aus.
       
       Mag die Partei auch noch so klein sein, so zeigt sie doch in der Stadt ihr
       Gesicht, unter anderem genau vor dem Haus von Peter Rosenbaum, wo
       stadtbekannte Mitglieder ein Plakat an einen Laternenmast hängten, auf dem
       stand: „Wir hängen nicht nur Plakate auf.“
       
       Man kann das als Drohung auffassen, auch wenn klein darunter stand: „Wir
       kleben durchaus auch Aufkleber.“ Die Aufkleber finden sich dann auch,
       erzählt Rosenbaum – auf den Stolpersteinen vor seinem Haus, die an die
       jüdischen Vorbesitzer erinnern. „Organisiert die Anti-Antifa“, steht auf
       einem, man sieht dazu eine Person, die einen Kick, also einen Fußtritt aus
       dem Kampfsport, ausführt.
       
       Dass es Peter Rosenbaum trifft, ist kein Zufall, er ist in Braunschweig ein
       prominenter Linker. Nach dem Lehramtsstudium kam das Berufsverbot wegen
       seiner Aktivitäten im KBW, dem Kommunistischen Bund Westdeutschlands.
       Später dann sein [3][Engagement gegen den VW-Flughafen bei Braunschweig]:
       Mehr als 600 Tage besetzte er mit seinen Mitstreiter*innen den Wald, in
       dem die neue Landebahn geplant war.
       
       Der damalige Oberbürgermeister Gert Hoffmann (CDU, Ex-NPD) hätte ihn dafür
       [4][gerne ins Gefängnis gebracht], erzählt Rosenbaum. Daraus wurde nichts,
       auch das Berufsverbot ist spät, aber immerhin, aufgehoben worden. „Ich
       könnte jetzt Physiklehrer werden!“, sagt Rosenbaum, 75.
       
       Statt im Schuldienst arbeitete er als Manager beim
       Volkshochschul-Bildungswerk, organisierte Schweißer-Ausbildungen in
       Sachsen-Anhalt. Aber die Politik ließ ihn nie los, auch wenn sich seine
       Sicht auf die Dinge im Vergleich zu den KBW-Zeiten verändert hat.
       
       Die Neonazis wissen, wo sie ihn treffen, sie kommen zu ihm, wenn er am
       Bürgerinitiativen-Stand in der Innenstadt steht, und rücken nah heran.
       Seiner Familie gehört auch das Haus, in dem das Braunschweiger Antifacafé
       untergebracht ist. Auch dort taucht die rechte Szene auf und versucht, die
       Gegend als „Nazi-Kiez“ zu reklamieren. Vor drei Jahren wurde auf das Café
       [5][ein Brandanschlag verübt].
       
       Natürlich ist Braunschweig deswegen noch keine Nazi-Stadt. Aber die Rechten
       tauchen hier nicht zufällig auf, sie haben hier tatsächlich eine große
       Vergangenheit. In Braunschweig selbst, der Arbeiterstadt, waren bis zur
       Machtergreifung SPD und KPD die stärksten Kräfte; das gilt aber nicht für
       den Freistaat Braunschweig, den Nachfolger des alten Fürstentums.
       
       ## Ohne Braunschweig kein Reichskanzler Hitler
       
       Der Freistaat gehörte zu den Ländern in der Weimarer Republik, die als
       erste eine Regierung unter Beteiligung der NSDAP hatten. In Braunschweig
       gelang es 1932 nach jahrelangen Versuchen, [6][Hitler zum Deutschen zu
       machen], indem ihn der Freistaat zum Regierungsrat ernannte – eine Stelle,
       die Hitler auszufüllen vorgab, obwohl er es nie tat.
       
       Schon im Jahr davor war in Braunschweig Nazi-Geschichte geschrieben worden,
       im Oktober war ein ehemaliges Militärgelände in der Stadt zum
       Aufmarschplatz für zehntausende SA- und SS-Männer geworden. Es kam zu
       Straßenschlachten, am Rande wurden zwei Arbeiter ermordet.
       
       In gewissem Sinne war Braunschweig also tatsächlich einmal Nazi-Stadt, aber
       eben deswegen kann Peter Rosenbaum nicht verstehen, warum die Stadt einen
       Nazi-Aufmarsch mit diesem Slogan kampflos hinnimmt. Das Urteil des
       Verwaltungsgerichts hätte nicht das letzte Wort sein müssen, findet er.
       „Sie hätten dagegen Einspruch erheben können.“ Vor allem aber hätte man der
       Bevölkerung das Urteil mitteilen müssen. „Ich dachte, das ist nicht wahr,
       als die mit dem Slogan durch die Stadt zogen.“
       
       Rosenbaum hat darum nicht nur gegenüber der Stadt Braunschweig seine
       Empörung zum Ausdruck gebracht, er hat auch Anzeige erstattet. Wegen
       [7][Volksverhetzung], weil die Braunschweiger Bevölkerung mit diesem Slogan
       verleumdet werde, auch wenn das Gericht das anders sieht. Und wegen
       Beleidigung: Er persönlich fühlt sich durch den Slogan beleidigt. Die
       Polizei hat den Eingang der Anzeigen bestätigt, der Fall liegt nun bei der
       Staatsanwaltschaft.
       
       20 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [5] https://www.braunschweiger-zeitung.de/niedersachsen/braunschweig/article406607983/brandanschlag-auf-braunschweigs-antifa-cafC3A9-geklaert.html
 (DIR) [6] https://leopard.tu-braunschweig.de/servlets/MCRFileNodeServlet/dbbs_derivate_00037568/Menzel-Einbuergerung_Hitlers.pdf
 (DIR) [7] https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__130.html
       
       ## AUTOREN
       
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