# taz.de -- Künstler über US-Nachrichten: „Die Handgranate im System“
       
       > Worte sind bei diesen Moderationen egal. Der Künstler Heiner Franzen
       > beobachtet in seinen Videoprojekten das populistische Script in
       > US-Nachrichten.
       
 (IMG) Bild: Endlich Ruhe: Schweigende US-Nachrichtenmoderatoren bei „Anchors“ von Heiner Franzen, 2024
       
       taz: Heiner Franzen, seit Jahren beobachten Sie das Auftreten von
       US-Nachrichtenmoderator:innen. Wie war es nach Donald Trumps
       [1][neuerlichem Wahlsieg?]
       
       Heiner Franzen: Vielleicht gab es eine Schrecksekunde, auf CNN etwa. Aber
       dann hat man sofort weitergequatscht. Die Obsession für Trump darf ja nicht
       verschwinden, das ist das Geschäftsmodell. Wenn man sich durch die
       Nachrichtenportale klickt, fällt sein Name meistens nach den ersten fünf
       Sekunden.
       
       Die Blöße, einfach mal innezuhalten, können sich die Moderatoren auf keinem
       News-Kanal geben. Sie stellen sich gegenseitig unter totale Beobachtung,
       macht man eine Pause, wird das beim Konkurrenzsender sofort ausgenutzt.
       
       taz: Für Ihr Videoprojekt „Anchors“ schneiden Sie Clips von
       US-Nachrichtensprecher:innen in dem Moment, in dem sie schweigen, sei es
       wegen einer Störung oder weil sie gerade Gäste diskutieren lassen. Warum? 
       
       Franzen: Mich interessiert, was mit Präsenz in einem elektronischen Medium
       geschieht. Schweigen meidet das Medium eigentlich. Die Leute schalten nach
       sieben Sekunden Ruhe auf einen anderen Sender, besagt eine Regel. Wir gehen
       immer mehr ins Digitale. Präsenz aber passiert im analogen Raum, etwa im
       Theater. Dort kann bei Stille oder Leere auf der Bühne eine Spiegelung mit
       dem Publikum entstehen. Gibt es auch solch eine Identifikation mit dem
       Geschehen im Digitalen, frage ich mich.
       
       taz: Wofür steht das steinerne Gesicht von Liz Wheeler, die Sie im Video
       porträtieren? 
       
       Franzen: Liz Wheeler moderiert beim [2][One America News Network,] das ist
       politisch noch weiter rechts als Fox News. Intelligente Frau. Sie hält
       Monologe in meisterlicher Geschwindigkeit und kann sich gut artikulieren.
       Indem sie irgendwelche Behauptungen aufstellt oder ablenkende Fakten
       einwirft, nimmt sie ihre Gesprächspartner richtig auseinander. Dabei guckt
       sie immer so starr in die Kamera mit dem von ihr selbst modulierten
       Gesicht.
       
       taz: Ist Liz Wheeler vielleicht KI-generiert? 
       
       Franzen: Ja, die KI könnte all das, was auf den Sendern passiert,
       übernehmen: Vorhandenes einfach nur addieren. Was die KI aber noch nicht
       kann, ist subtrahieren und Leere schaffen. Der französische Essayist Émile
       Chartier hat mal gesagt: „Kein Satz kann den Satz sichern, der folgt.“ Eine
       formalistische Theorie, in der Ungewissheit zur Existenz gehört. In den
       Medien erleben wir gerade etwas Unlebendiges, nämlich den Versuch,
       Wahrheiten herzustellen.
       
       taz: Warum schalten Sie bei der Recherche den Ton ab? 
       
       Franzen: Was sich inhaltlich in den meisten Sendungen abspielt, ist
       vorhersagbar, man muss gar nicht zuhören: Ein Gast wird mit einer Lüge
       konfrontiert, windet sich raus und redet rein, bis der entnervte Moderator
       ihn aus dem Bild nimmt – und ihn gleich für die nächste Sendung wieder
       einlädt. Solch einem Script folgen Anderson Cooper oder Joy Reid auf CNN
       ständig.
       
       taz: Sie überlegen, Fox-News-Moderator Jesse Watters sei eine sardonische
       Figur, ein Mephisto. 
       
       Franzen: Oder ein [3][Batman-Joker.] Ein Interview mit dem Premierminister
       von Ontario, Kanada, leitete Watters neulich so ein: „Die Tatsache, dass
       sie (die Kanadier) nicht wollen, dass wir sie erobern, weckt in mir den
       Wunsch, einzumarschieren. Ich möchte meinen imperialistischen Durst
       stillen.“ Von rechts bis links nehmen das alle wörtlich.
       
       Das funktioniert, weil sich jeder auf seine Mimik einen eigenen Reim machen
       kann: leichtes Grinsen, unbewegliches Gesicht, kaum ein Blinzeln. Damit ist
       er die Handgranate im System. Als dramatische Figur ist das interessanter,
       als ein Guter zu sein, der was aufbauen will. Auch Trump zitiert gerne mal
       Bösewichte aus Filmen.
       
       18 Jan 2025
       
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