# taz.de -- Klimaschutz an Schulen: Die Saat geht langsam auf
       
       > Tausende Schulen thematisieren und praktizieren heute bereits
       > Klimaschutz. Manchen Aktivist:innen geht das aber noch nicht weit
       > genug.
       
 (IMG) Bild: Mit ihren Demos, hier am Global Strike Day in Berlin, zeigen Schüler:innen seit 2019, wie wichtig ihnen Klimaschutz ist
       
       Berlin taz | Für das Klima legt sich die Leipziger
       Louise-Otto-Peters-Schule ins Zeug: Die Schüler:innen trennen Müll und
       sparen Energie – jedes Schuljahr etwa so viel, wie drei Einfamilienhäuser
       in einem Jahr verbrauchen. Zum Dank teilt die Stadt die eingesparten Gelder
       mit dem Gymnasium. Der Klimaschutz sei aber auch fester Bestandteil des
       Unterrichts, erzählt Lehrer Nico Ocken, der auch Klimabeauftragter der
       Schule ist.
       
       So findet in den Klassen acht bis zehn der Profilunterricht „Nachhaltig
       Denken und Handeln“ statt. Dort geht es beispielsweise um Upcycling oder
       nachhaltige Firmengründungen. Ab der elften Klasse gibt es sogar einen
       Grundkurs Globale Herausforderungen. „Das Interesse daran ist ziemlich
       groß“, so Ocken. „Im Schnitt belegen 70 Prozent den Wahlkurs“. Insgesamt
       mache die Schule deutlich mehr, als der Lehrplan vorschreibt.
       
       Für ihr Engagement darf sich die Louise-Otto-Peters-Schule „Klimaschule“
       nennen und erhält finanzielle Zuschüsse. Der Freistaat Sachsen startete die
       Initiative im Jahr 2015 mit zehn Modellschulen, darunter die
       Louise-Otto-Peters. „Wir haben schnell gemerkt, dass junge Menschen der
       Klimaschutz umtreibt“, sagt Ocken. Für die relativ junge Schule war das ein
       willkommener Anlass, Klima zum Schulprofil zu machen.
       
       Mit den [1][großen Fridays For Future-Protesten 2019] ist das Thema dann
       auch an anderen Schulen groß geworden. Mittlerweile gibt es 41
       „Klimaschulen“ in Sachsen. Sie alle müssen einen Klimaschulplan mit
       konkreten Maßnahmen vorlegen und auch umsetzen. Laut dem sächsischen
       Bildungsministerium leisten die Schulen damit „einen wichtigen Beitrag zur
       Klimaarbeit vor Ort und somit auch zum Erreichen der sächsischen
       Klimaziele“.
       
       ## Klima-/Umwelt-/Zukunftsschulen
       
       Viele Bundesländer haben ähnliche Programme – und auch dort steigt nach
       Angaben der Bildungs- und Umweltministerien die Beteiligung. In Hamburg, in
       denen es ebenfalls „Klimaschulen“ gibt, ist deren Zahl in diesem Schuljahr
       auf 98 angewachsen. Auch die „Umweltschulen“ in Hessen (218), die „Schulen
       der Zukunft“ in Nordrhein-Westfalen (910) oder die „Nachhaltige Schulen“
       (147) in Rheinland-Pfalz werden stetig mehr.
       
       Neben diesen und weiteren Landesprogrammen gibt es noch zahlreiche Labels,
       die Vereine oder Organisationen vergeben: Das größte unter ihnen –
       „Umweltschule in Europa“ von der Deutschen Gesellschaft für Umwelterziehung
       – tragen bundesweit bereits mehr als 1.600 Schulen.
       
       Die Ministerien erkennen darin das hohe Engagement von Schüler:innen und
       Lehrkräften fürs Klima. „Ich bin beeindruckt von den Leistungen der knapp
       100 Schulen“, lobt beispielsweise die Hamburger Schulsenatorin Ksenija
       Bekeris (SPD). Auch in Hamburg müssen die „Klimaschulen“ einen
       Klimaschutzplan und konkrete Maßnahmen vorlegen. So werde Klimaschutz zum
       zentralen Bestandteil ihrer Bildungsarbeit, so Bekeris.
       
       Die Ministerien betonen auf taz-Anfrage aber, dass Klimathemen an allen
       Schulen ausreichend behandelt würden. Aus Rheinland-Pfalz etwa heißt es:
       Die „Lerninhalte der Nachhaltigkeits- und Klimabildung sind mittlerweile in
       den Lehrplänen aller Schularten aufgenommen worden“. In anderen wie in
       Sachsen gelten sie sogar als Leitlinie „für alle Fächer in allen
       Jahrgangsstufen“, wie ein Sprecher im Dresdner Bildungsministerium
       mitteilt. Tatsächlich finden sich in den Lehrplänen aller 16 Länder heute
       explizite Verweise auf die Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE).
       
       ## Jedes Fach allein
       
       Lehrerverbandschef Stefan Düll begrüßt die Entwicklung.
       „Nachhaltigkeitsthemen spielen im Schulalltag zwar schon länger eine Rolle,
       aber nicht immer unter dem Label BNE“, sagt Düll der taz. So werde
       beispielsweise im Fach Chemie über Umweltbelastung oder in Biologie über
       gesunde Ernährung gesprochen. Auch in Fremdsprachen („Greenhouse Effect“)
       oder Gesellschaftsfächern („Geschlechtergerechtigkeit“) würden BNE-Themen
       aufgegriffen – selten aber fächerübergreifend: „Die Zusammenschau von
       solchen Nachhaltigkeitsthemen findet bisher noch zu wenig statt“, räumt
       Düll ein.
       
       Die erneuerten Lehrpläne seien deshalb hilfreich, um inhaltliche
       Verbindungen zu anderen Fächern zu entdecken. Düll warnt aber davor, den
       Begriff BNE durch eine häufigere Verwendung zu entwerten – wie etwa das
       „abgegriffene abstrakte“ Schlagwort „Werte“ in der Demokratiebildung. „Wenn
       alle glauben zu wissen, worüber man spricht, weiß keiner mehr wirklich,
       worum es konkret geht, und niemanden ist geholfen“.
       
       Nach den Plänen der Kultusministerkonferenz (KMK) sollen BNE-Themen nicht
       nur anschaulich unterrichtet, sondern möglichst praktiziert werden. In
       einem [2][Beschluss aus dem Sommer 2024] empfehlen sie, „die gesamte
       Institution Schule nachhaltiger zu gestalten und sie selbst zum Gegenstand
       von Schulentwicklungsprozessen zu machen“. Heißt: Schulen sollen den
       Jugendlichen nicht nur Wissen zur Klimakrise vorsetzen, sondern
       Zukunftsthemen wie Klimaanpassung in demokratischeren Prozessen vorleben.
       Mehr saisonale Mensa und ressourcenschonender Schulgarten, weniger
       Frontalunterricht.
       
       Whole School Approach nennen Schulpädagog:innen das Konzept, das sich
       auf die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen stützt. Doch
       inwieweit dieser ganzheitliche Ansatz auch gelebt wird, ist fraglich – noch
       dazu in Zeiten, in denen das knappe Personal oft nur mit Mühe den regulären
       Fachunterricht stemmen kann.
       
       ## Schüler:innen wollen mitentscheiden
       
       Lehrerverbandschef Düll sieht die Schulen trotz der prekären
       Personalsituation schon gut aufgestellt. Für nachhaltige Prozesse sei das
       Bewusstsein an Schulen hoch – nicht zuletzt dank den Fridays for Future,
       die die Schulen zur Auseinandersetzung mit Klimathemen und auch zur
       Positionierung zu den Klimaprotesten gezwungen hätten. Damals habe sich
       jede Schule die Frage gestellt, ob sie [3][Schülerinnen und Schüler in
       ihrem Streik unterstützen] sollten oder nicht. In Fragen der
       Schulentwicklung komme er als Schulleiter jedenfalls nicht mehr an
       Nachhaltigkeit vorbei, so Düll. „Ganz egal, ob es um Plastikvermeidung auf
       Schulfesten oder den ökologischen Umbau des Schulgebäudes geht“.
       
       Aus Sicht der Bundesschülerkonferenz sind jedoch noch weitere Schritte
       nötig. „Wir freuen uns zwar, dass es heute mehr Bezüge zu Klimaschutz im
       Unterricht gibt als noch vor ein paar Jahren“, sagt Generalsekretär Fabian
       Schön der taz. Allerdings kämen die Themen nur punktuell und oft nur in
       Fächern wie Biologie oder Geographie vor. Für fächerübergreifende Projekte
       sei im straffen Schulalltag meist keine Zeit.
       
       „Viele Lehrkräfte sind schon damit überfordert, neben ihrer Aufgabe als
       Lehrkraft auch Verwaltungsfachkraft und IT-Assistenz zu sein“, so Schön.
       „Eine nachhaltige Schule, in der Schüler mitentscheiden und
       Selbstwirksamkeit erfahren können, ist für die meisten von uns Utopie“. Im
       März will die Bundesschülerkonferenz Vorschläge erarbeiten, was sich ändern
       muss, damit Schulen die Ziele nachhaltiger Bildung besser umsetzen können.
       Eines sei aber jetzt schon offensichtlich, so Schön: „Ohne eine Straffung
       der Lehrpläne wird es nicht genügend Freiräume für nachhaltige Bildung
       geben“.
       
       Diese Sicht teilen auch Pädagog:innen. Etwa Silke Müller-Lehmann vom Verein
       Teachers for Future Germany. Müller-Lehmann hat mehr als 20Jahre an
       verschiedenen Schularten in Baden-Württemberg Deutsch, Geschichte und
       Gemeinschaftskunde unterrichtet. Seit drei Jahren ist sie an der
       Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg abgeordnet, um Seminare für angehende
       Lehrkräfte zu geben – und sieht dort ähnliche strukturelle Defizite wie an
       den Schulen.
       
       ## Gute Konzepte wie der „Frei Day“
       
       „Es gibt weder an Schulen noch an Hochschulen eine Kultur für
       transformative Bildung“, so Müller-Lehmann. So seien BNE-Themen zwar schon
       vor rund zehn Jahren in den Lehrplänen verankert worden. Ob und wie sie
       umgesetzt werden, hänge von einzelnen Lehrkräften oder
       Schulleiter:innen ab. Meist behandelt jede Lehrkraft das Thema nur
       einzeln im eigenen Unterricht. „Mehr passiert nur, wenn jemand für das
       Thema brennt“.
       
       An den Pädagogischen Hochschulen sei das ähnlich. Dort lernten
       Geographie-Studierende zwar viel über aktuelle Themen wie Klimaanpassung
       und auch die moderne Vermittlung dieses Wissens. Um das Wissen aber für
       einen nachhaltig gelebten Schulalltag einbringen zu können, müsste anders
       gedacht werden: „Die Fachwissenschaften, die Fachdidaktik und die Pädagogik
       müssten mehr zusammenarbeiten“.
       
       Müller-Lehmann würde es begrüßen, wenn künftig alle Lehramtsstudierende
       verbindliche Module zu Schulentwicklungsprozessen erhielten. Das würde die
       Chancen erhöhen, dass BNE-Themen nicht allein vom Fach her gedacht würden –
       und später dann nur top-down im Unterricht vorkämen. Aus Sicht von Teachers
       for Future müssen sich vor allem aber die Lernstrukturen an Schulen ändern.
       So, dass die sich eine Teamkultur etabliert und es mehr Zeit gibt für
       fächerübergreifendes Lernen.
       
       Wie bei dem bundesweiten Modellprojekt „Frei Day“, an dem sich
       Schüler:innen projektbasiert mit Zukunftsthemen auseinandersetzen. Auch
       in Baden-Württemberg sollen die ersten 20 Schulen diesen Ansatz offiziell
       testen dürfen. Zu klein gedacht, findet Silke Müller-Lehmann: „Wenn wir
       unsere Schülerinnen und Schüler befähigen wollen, für die Zukunft gerüstet
       zu sein, müssen wir allen Schulen solche Freiräume geben“.
       
       ## Wie geht es in Sachsen weiter?
       
       Gegen Labels wie „Zukunftsschulen“ oder „Klimaschulen“ habe sie nichts.
       „Aber mich stört, dass die Ministerien sich gerne hinter solchen
       Vorzeigeschulen verstecken und sagen: Schaut, ihr habt doch alle
       Freiheiten“. Dadurch werde die Klimabildung zur Glückssache – und teils
       auch zur Klassenfrage. Als langjährige Lehrkraft an einer
       Gemeinschaftsschule weiß Müller-Lehmann: Die Ressourcen für Engagement sind
       nicht an allen Schulen gleich hoch.
       
       Auch Lehrer Nico Ocken von der Leipziger Louise-Otto-Peters-Schule hadert
       mit den Ressourcen. Neben garantierten 1.000 Euro konnte die „Klimaschule“
       bislang immer bis zu 4.000 weitere Euro für Exkursionen oder spezielle
       Lehrmittel beantragen. Seit vergangenem Jahr sind es nur mehr 2.000 Euro.
       Ocken und sein Kollegium fragen sich, ob die neue schwarz-rote
       Landesregierung die Klimaschulen auch in Zukunft weiter fördern wird –
       jetzt, wo die Grünen nicht mehr in der Regierung sind.
       
       16 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /SchuelerInnenstreik-Fridays-For-Future/!5581752
 (DIR) [2] https://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2024/2024_06_13-BNE-Empfehlung.pdf
 (DIR) [3] /Lehrerverbandschef-zu-Fridays-for-Future/!5575715
       
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