# taz.de -- Rechtsextremer Jean-Marie Le Pen ist tot: Frankreichs Hassprediger hochbetagt gestorben
       
       > Jahrzehntelang vergiftete er die französische Politik mit faschistischen
       > Reden. Dabei ebnete er dem Rechtspopulismus seiner Tochter Marine den
       > Weg.
       
 (IMG) Bild: Le Pen, 2019
       
       Paris taz | Mit Ausnahme seines Erzfeinds François Mitterrand hat kaum
       jemand so lange und so nachhaltig die französische Politik in der Zeit seit
       dem Zweiten Weltkrieg geprägt. Nun ist Jean-Marie Le Pen im Alter von 96
       Jahren gestorben. Eine offizielle Nationaltrauer kann der rechtsextreme
       Haudegen nicht erwarten. Er war aufgrund seiner zahlreichen Verurteilungen
       wegen rassistischer und antisemitischer Äußerungen seit Langem geächtet und
       selbst für seine eigene Familie zum Ballast geworden.
       
       Aber gilt nicht selbst für einen Hassprediger wie ihn die Maxime „De
       mortuis nil nisi bene“, über die Toten nur Gutes? Doch was soll Positives
       in einem Nachruf über einen Ideologen stehen, der mit seiner
       ultranationalistischen Hasspropaganda seit Jahrzehnten das politische Klima
       mit den reaktionärsten Inhalten vergiftet hat und über Frankreich hinaus
       einen Grundstein für das Wiedererstarken der extremen Rechten unter der
       Maske eines Populismus gelegt hat. Le Pens ganze Karriere belegt, dass der
       Faschismus weiterhin auf dem Nährboden des Rassismus keimen kann.
       
       Der im Juni 1928 geborene Sohn eines bretonischen Fischers näherte sich
       schon während des Jurastudiums in Paris der nationalistischen und
       royalistischen Rechten der „Action française“ an. Bereits 1956 wurde er als
       Kandidat der Bewegung des Rechtspopulisten Pierre Poujade mit erst 27
       Jahren Abgeordneter. Seine Priorität in diesen ersten Jahren war aber die
       Verteidigung der französischen Ansprüche auf Algerien gegen die
       Unabhängigkeitsbewegungen in Nordafrika.
       
       Seine anschließenden Kandidaturen unter verschiedenen Etiketten der
       untereinander zerstrittenen rechtsradikalen Splittergruppen oder als
       „Unabhängiger“ blieben zunächst wenig erfolgreich. Seinen Lebensunterhalt
       verdiente er sich unter anderem mit dem Verkauf von militärischen
       Marschliedern – unter anderem aus der Zeit des Dritten Reichs – mittels
       einer Gesellschaft, die er 1963 mit Léon Gaultier, einem ehemaligen
       Untersturmführer der Waffen-SS, gründete. Gaultier gehörte dann 1972 auch
       zu den Mitbegründern des Front National.
       
       ## Verharmlosungskur für den FN
       
       Zuvor war die rechtsextreme Organisation [1][Ordre Nouveau] verboten und
       aufgelöst worden, die rivalisierende Tendenzen der extremen Rechten unter
       Le Pens Führung in einer Kampfpartei versammelte und auch einen
       schlagkräftigen Ordnungsdienst (DPS) unterhielt. Die speziell gegen die
       nordafrikanische Immigration gerichtete Xenophobie und die Ablehnung der
       humanistischen Ideen der Republik waren von Beginn an der gemeinsame Nenner
       des FN.
       
       Mit der zunehmenden Massenarbeitslosigkeit wuchs das Echo des mitreißenden
       Rhetorikers Le Pen. 2002 schaffte Le Pen einen sensationellen Durchbruch,
       als er sich auf Kosten der gespaltenen Linken für die [2][Stichrunde der
       Präsidentenwahl gegen Jacques Chirac] qualifizieren konnte.
       
       Seine Tochter Marine dagegen hatte mit einer neuen Strategie, die auf eine
       Verharmlosung der rechtsextremen Bewegung abzielt, noch mehr Erfolg. Nach
       der Übernahme der Parteiführung ging sie dazu auf [3][Distanz zu den
       Provokationen ihres Vaters], der in der Vergangenheit unter anderem den
       Holocaust als „Detail der Geschichte“ abtun wollte und der 2023 schließlich
       wegen Verherrlichung des Chef der französischen Kollaboration, Marschall
       Pétain, definitiv ausgeschlossen wurde.
       
       Seither wurde es still um Le Pen in seiner Villa Montretout in Saint-Cloud,
       doch bis heute hat er in seiner Partei viele Getreue, die in Marine Le Pens
       Soft-Version nur eine nützliche Fassade sehen. Rudolf Balmer, Paris
       
       7 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://en.wikipedia.org/wiki/Ordre_Nouveau_(1960s)
 (DIR) [2] /Stichwahl-Chirac-Le-Pen/!1114002/
 (DIR) [3] /Jean-Le-Pen-ueber-NS-Gaskammern/!5014095
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Frankreich
 (DIR) Marine Le Pen
 (DIR) Jean-Marie Le Pen
 (DIR) Schwerpunkt Rassemblement National
 (DIR) Rechtsextremismus
 (DIR) GNS
 (DIR) Schwerpunkt Frankreich
 (DIR) Schwerpunkt Frankreich
 (DIR) Lesestück Recherche und Reportage
 (DIR) Schwerpunkt Emmanuel Macron
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Mord an Tunesier in Frankreich: Mörderischer Araberhass
       
       Ein Verbrechen in einer südfranzösischen rechten Hochburg erinnert daran,
       dass Rassismus tötet. Erstmals wird wegen Terrorismus ermittelt.
       
 (DIR) Justiz in Frankreich: Marine Le Pen steht vor Gericht
       
       Marine Le Pen und ihr rechtsextremes Rassemblement National sollen massig
       EU-Gelder unterschlagen haben. Diesen Montag beginnt der Prozess.
       
 (DIR) Frankreich vor den Wahlen: Ein Bündnis gegen Le Pen
       
       In Dreux feierte Marine Le Pens Partei früher Erfolge – bei den
       Europawahlen siegte hier aber die Linke. Was lässt sich von der Kleinstadt
       lernen?
       
 (DIR) Porträt der Familie Le Pen: Wie der Vater, so die Marine
       
       Die Tochter schloss ihren Vater Jean-Marie aus der Partei aus. Doch mit
       ihrem fremdenfeindlichen Programm steht sie ihm in nichts nach.