# taz.de -- Die Zukunft der Ukraine: Neujahr mit Luftalarm
       
       > Die Ukraine wird weiter von Russland angegriffen. Hat Europa verstanden,
       > dass es auch attackiert wird? „Kriegstreiber“-Rufe deuten auf das
       > Gegenteil.
       
 (IMG) Bild: Ivanna wärmt ihren Hund nach einem russischen Angriff in Kiew
       
       Schon wieder begann in der [1][Ukraine Neujahr mit Luftalarm]. Russland
       griff die Hauptstadt Kyjiw und andere Orte im Land an. Zwei Menschen wurden
       getötet. Damit hat Russland, hat sein Präsident Wladimir Putin erneut der
       ganzen Welt gezeigt, worum es ihm geht: [2][Zerstörung und Tod].
       
       In seiner jährlich inszenierten Pressefragestunde, die von Jahr zu Jahr
       mehr wie eine Psychoshow anmutet, hat Putin im Dezember nochmals
       klargemacht, wie er sich einen Frieden mit der Ukraine vorstellt: das Land
       „entnazifiziert“, vollends geschwächt, seine demokratisch gewählte
       Regierung „gestürzt“, die Menschen von ihr „befreit“, so dass der russische
       Machthaber jederzeit wieder angreifen kann.
       
       Dass der Krieg gegen die Ukraine auch einer gegen Europa, gegen Demokratie
       ist, wurde oft gesagt. Aber ist das auch angekommen?
       
       In diesem Jahr, in dem im Frühjahr in Deutschland ein neuer Bundestag
       gewählt wird, entscheidet sich hier, direkt bei uns, worauf die Ukraine und
       Europa im nächsten Jahr hoffen können. Für welche Werte wird sich die
       Mehrheit der Wähler:innen entscheiden?
       
       Mich besorgt, wie erfolgreich die AfD oder das Bündnis Sahra Wagenknecht
       (BSW) mit Ängsten spielen. Sie versprechen einen Frieden – auf Kosten
       anderer. Sie verdrehen Tatsachen oder verbreiten Falschaussagen und werden
       damit zu wichtigen Multiplikatoren Russlands.
       
       Mit seinem Populismus inszeniert sich das BSW als einzige Partei auf der
       moralisch richtigen Seite. Sein Friedensversprechen ist dabei nur eine
       vorgeschobene Friedensliebe; eine, die nichts als Egoismus ist; ein
       Pazifismus, der mit einem totalitären Herrscher kuschelt.
       
       „Wenn Pazifismus bedeutet, gegen den Krieg zu sein, bin ich natürlich
       Pazifist. Wenn es so verstanden wird, dass man sich niemals wehren darf,
       dann war ich nie einer“, sagte der [3][ukrainische Menschenrechtler Maxim
       Butkewitsch] in einem I[4][nterview mit der Zeit.] Butkewitsch hat als
       Kommandeur über zwei Jahre russischer Gefangenschaft überlebt. Wenn ein
       ukrainischer Menschenrechtler es schafft, seine Überzeugungen der Realität
       anzupassen, warum nicht auch ein deutscher Friedensbewegter?
       
       Ich finde: Sobald Pazifismus nicht den Frieden sichert oder nur einen
       solchen, der Unterwerfung bedeutet, müssen seine Motivation und die
       dahinter stehende Weltanschauung überdacht werden. Friedenssicherung, das
       müsste nach über 1.000 Tagen Krieg klar sein, wird nur mit militärischer
       Verteidigungsfähigkeit möglich sein.
       
       „Kriegstreiber!“, höre ich den ein oder anderen jetzt rufen und möchte
       diese Pseudomoralisten bitten, ihre Worte zu prüfen. Die Grenzen zwischen
       Überzeugungen und Kremlpropaganda können in diesen Zeiten fließend sein.
       
       2025 wird also ein richtungsweisendes Jahr. Werden sich die europäischen
       Länder für einen gemeinsamen Aufbruch gegen Demokratiefeinde und Tyrannen
       wie Putin entscheiden? Oder werden sie die Ukraine zu einem
       Unterwerfungsfrieden drängen?
       
       „Ich will eine andere Zukunft“, schreibt die belarussische Schriftstellerin
       [5][Anka Upala in einem Essay, der auf Deutsch bei dekoder erschienen ist.]
       „Genauer gesagt, ich möchte einfach eine Zukunft, nicht nur Szenen aus der
       Vergangenheit.“
       
       Upala, im Exil in Deutschland lebend, fragt sich in diesem Text, was von
       den Protesten 2020 übrig geblieben ist. Damals protestierten die Belarussen
       für freie Wahlen und ihre Grundrechte.
       
       Was Upala beschreibt, so ist mir, trifft auch auf die Ukraine zu. Seit dem
       24. Februar 2022 beschreiben viele Ukrainer, in diesem Tag festzustecken.
       Auf Tod und Zerstörung, auf Folter und Krieg, folgt wieder und wieder ein
       solcher Tag. Belarus und auch die Ukraine haben mehr als nur Szenen aus der
       Vergangenheit verdient. Ob sie eine Zukunft haben, hängt auch von uns ab.
       
       3 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.handelsblatt.com/politik/international/ukraine-russland-bombardiert-seine-nachbarn-auch-an-silvester/100004665.html
 (DIR) [2] /Juengste-Luftangriffe-auf-die-Ukraine/!6055590
 (DIR) [3] /Journalist-ueber-Kriegsgefangenschaft/!6051245
 (DIR) [4] https://www.zeit.de/2025/01/maksym-butkevych-ukrainischer-menschenrechtler-russische-kriegsgefangenschaft-ueberleben
 (DIR) [5] https://www.dekoder.org/de/article/belarus-upala-literatur-repression
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Erica Zingher
       
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