# taz.de -- Krieg in Nahost: Israels Dilemma nach Assads Sturz
       
       > Israel hat wohl 80 Prozent der syrischen Waffen zerstört und will die
       > Bevölkerung auf den besetzten Golanhöhen verdoppeln. Verspielt Netanjahu
       > eine Chance auf Frieden?
       
 (IMG) Bild: Ein israelischer Militärjeep fährt an der Waffenstillstandslinie zwischen Syrien und Israel entlang
       
       Jerusalem taz | Israel steht nach dem Fall des syrischen Diktators Baschar
       al-Assad vor einem Dilemma: [1][Das Machtvakuum im Nachbarland] gibt der
       israelischen Armee die Chance, ohne Widerstand militärisches Gerät
       unbrauchbar zu machen, das künftig gegen Israel eingesetzt werden könnte.
       Andererseits aber bietet eine neue Regierung in Damaskus vielleicht
       erstmals eine echte Chance auf Frieden zwischen beiden Ländern.
       
       Anhaltspunkte dafür gibt es: Die Anführer der syrischen Rebellen Hayat
       Tahrir al-Sham (HTS) rufen bisher – anders als die Hisbollah, die Hamas
       oder Iran – nicht zum Kampf gegen Israel oder zur Unterstützung der
       Palästinenser auf. Mehrere ihrer Kämpfer haben israelischen Medien gar
       Interviews gegeben. Und schließlich wissen auch die Rebellen, dass Israels
       verheerende Schläge gegen die Hisbollah-Miliz – neben der schwindenden
       Unterstützung aus Russland – den Sturz des Assad-Regimes erst möglich
       gemacht haben.
       
       Der Anführer der Rebellen, Ahmed al-Scharaa, sprach am Samstag in einem
       Interview mit einem syrischen Fernsehsender von „diplomatischen Lösungen“
       als einzigem Weg, Sicherheit und Stabilität in der Region zu garantieren.
       Er warnte in seiner ersten Botschaft an Israel jedoch auch, es gebe „keine
       weiteren Entschuldigungen“ für Luftangriffe auf syrischem Gebiet.
       
       Mit rund 500 Luftschlägen über das Land verteilt hat die israelische Armee
       seit dem Sturz Assads laut eigenen Angaben mindestens 80 Prozent der
       Bestände der untergegangenen syrischen Armee zerstört. Sie sollen Standorte
       für Chemiewaffen, Luftabwehr, Flugzeuge und die gesamte Kriegsmarine
       getroffen haben. Am Montag erschütterten gewaltige Explosionen die
       Küstenregion Tartus.
       
       ## International zurückhaltende Kritik an Israel
       
       In Syrien und international sorgt außerdem das Eindringen israelischer
       Soldaten auf syrisches Territorium für Kritik. Nur Stunden nach der
       Einnahme von Damaskus durch HTS rückten israelische Soldaten über die 50
       Jahre zuvor vereinbarte Waffenstillstandslinie in die demilitarisierte
       Pufferzone vor. Diese trennt die 1967 von Israel besetzten Golanhöhen von
       Syrien. Unter anderem erreichten sie den strategisch bedeutenden Gipfel des
       Hermon, des höchsten Berges in der Region.
       
       Israel rechtfertigt sein Vorgehen mit Verweis auf seine Sicherheit: Nach
       dem [2][Hamas-Überfall am 7. Oktober] will man keine Bedrohung an den
       Grenzen mehr in Kauf nehmen. „Wir handeln, damit terroristische Extremisten
       sich nicht direkt an unserer Grenze etablieren“, sagte Armeechef Herzi
       Halevi am Samstag. Darüber hinaus mische sich Israel nicht in Syrien ein.
       
       International fällt die Kritik an Israels Vorgehen bisher zurückhaltend
       aus, obwohl sowohl die Bombardierungen als auch die Besetzung der
       Pufferzone völkerrechtlich nach Meinung der meisten Experten jeglicher
       Legitimität entbehren.
       
       Doch der Preis für die kurzfristige Sicherheit steigt mit jedem neuen
       Luftangriff. Egal, welche Richtung eine neue syrische Führung einschlagen
       wird: Sie wird nicht vergessen, wer dafür gesorgt hat, dass sie für den
       Neuaufbau ihrer Armee kaum mehr als Kalaschnikows zur Verfügung hat. Damit
       sinkt die Chance auf eine diplomatische Lösung, für die der Machtwechsel in
       Damaskus eigentlich ein Türöffner sein könnte.
       
       ## Eine Rückgabe des Golan lehnt Israel kategorisch ab
       
       Damaskus hat Israel nie als Staat anerkannt. Friedensverhandlungen mit dem
       Assad-Regime haben nie ihr Ziel erreicht. Dieses bestand stets auf einer
       vollständigen Rückgabe des Golan, was Israel kategorisch ablehnte. Von der
       von Israel völkerrechtswidrig annektierten Hügelkette sind der See
       Genezareth, [3][Israels größtes Süßwasserreservoir], und die umliegenden
       Städte ein leichtes Ziel.
       
       Stattdessen kündigte Benjamin Netanjahu am Sonntag an, Israel wolle seine
       Bevölkerung auf dem Golan verdoppeln. Derzeit leben dort etwa 50.000
       Menschen, etwa die Hälfte von ihnen sind jüdische Israelis, [4][die anderen
       mehrheitlich Drusen]. Unterstützung dafür darf er sich vom künftigen
       US-Präsident Donald Trump erwarten, der den Golan 2019 als israelisch
       anerkannt hat.
       
       16 Dec 2024
       
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