# taz.de -- Baerbock in Kyjiw: Solidaritätsbesuch im Schatten von Trump
       
       > Außenministerin Baerbock reist kurz vor den US-Wahlen nach Kyjiw. Die
       > Ukraine bangt um die Zukunft der Unterstützung. Nato-Chef Rutte wirbt in
       > Berlin.
       
 (IMG) Bild: Inspektion der deutschen Waffenlieferungen: Außenministerin Baerbock zu Besuch im Großraum Kyjiw
       
       Berlin taz | Dieser Soli-Besuch findet unter Hochspannung statt,
       Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ist am Montag in Kyjiw
       eingetroffen – einen Tag vor der US-Präsidentschaftswahl. Und in einer
       Zeit, in der die russische Armee ihre Angriffe auf die Ukraine massiv
       verschärft. Am Boden rücken russische Truppen im Donbass vor, in der Nacht
       zu Montag wurden mindestens 13 Menschen bei Luftschlägen in Charkiw im
       Nordosten des Landes verletzt.
       
       Auch die ukrainische Hauptstadt rückt wieder verstärkt ins Visier
       Russlands. Laut ukrainischem Militär konnten rund 50 Drohnen iranischer
       Bauart in der Nacht abgeschossen werden – sie hatten Kurs auf Kyjiw
       genommen. Es ist Baerbocks achter Besuch im Kriegsgebiet seit
       Invasionsbeginn im Februar 2022. „[1][Putin will mit seinem
       Zermürbungskrieg] die Menschen in der Ukraine brechen, mit jedem Angriff in
       die Knie zwingen. Indem er sie genau dort trifft, wo ihr ganz normales
       Leben sein sollte: zu Hause, auf der Arbeit, in der Schule“, erklärte die
       Außenministerin.
       
       Und sie erneuerte das Mantra der Verbündeten: Man werde die Ukraine
       unterstützen solange wie nötig, bis sie ihren Weg zu einem gerechten
       Frieden gehen könnte.
       
       Deutschland ist Teil einer Initiative westlicher Staaten, mehr
       Luftabwehrsysteme für die Ukraine zu organisieren. Der ukrainische
       Präsident Wolodymyr Selenskyj wirbt seit Monaten für mehr Waffen mit
       größerer Reichweite für sein Land. Bisher gehen die Lieferungen nur
       zögerlich ein. Deutschland zählt nach den USA zu den größten
       Waffenlieferanten an die Ukraine. Für Nachschub beim Geld ist aber
       gesorgt.
       
       ## Nato-Chef Rutte zum Antrittsbesuch in Berlin
       
       Baerbock bekräftigte, dass die Zusage der G7-Staaten aus dem Sommer, die
       Ukraine mit einem Kredit von bis zu 50 Milliarden US-Dollar zu
       unterstützen, auch in die Tat umgesetzt wird. Beim Abschiedsbesuch des
       amtierenden [2][US-Präsidenten Joe Biden am 18. Oktober in Berlin hatte
       Bundeskanzler Olaf Scholz] das ebenfalls bestätigt. Der Kredit wird mit den
       Gewinnen finanziert, die durch Zinsen auf eingefrorene staatliche russische
       Vermögen entstehen.
       
       Fast 1.000 Tage Krieg sind vergangen, der dritte Kriegswinter steht bevor –
       doch, versichert die Außenministerin, der Blick richte sich Richtung
       Zukunft. Gemeint ist vor allem der Beitritt der Ukraine zur Europäischen
       Union. Derzeit laufen die Verhandlungen – vor allem im Kampf gegen die
       Korruption und für mehr Medienfreiheit zeigten sich Reformen. Baerbock traf
       in Kyjiw unter anderem ihren Amtskollegen Andrij Sybiha, auch ein Treffen
       mit Selenskyj war geplant.
       
       Nahezu zeitgleich reiste der neue Nato-Generalsekretär Mark Rutte am Montag
       zu seinem Antrittsbesuch nach Berlin. Eines der wichtigsten Themen beim
       Gespräch mit Kanzler Scholz: die weitere Unterstützung für die Ukraine.
       Selenskyj [3][hatte in seinem „Siegesplan“ unter anderem einen
       Nato-Beitritt gefordert]. Bisher wird diese Bitte abgelehnt. Und die
       Aussichten, dass sich in Kriegszeiten daran etwas ändert, sind äußerst
       gering.
       
       Während die Welt gebannt auf die Wahlen in die Vereinigten Staaten schaut
       und darauf, wer im Januar 2025 ins Weiße Haus einziehen soll, ist bereits
       klar, dass die Erwartungen der USA an Europa deutlich hochgeschraubt
       werden. Mit dem Republikaner Donald Trump würde das Militärbündnis stärker
       unter Druck geraten. Ein Nato-Austritt der USA, wie ihn Trump immer mal
       wieder ventilierte, dürfte wohl gar nicht oder zumindest nicht schnell
       kommen – aber die starke bedingungslose Allianz zwischen den USA und Europa
       wird es so nicht mehr geben. Auch unter der Demokratin Kamala Harris
       dürften sich die Anforderungen erhöhen.
       
       ## Rutte fordert mehr Rüstungsausgaben von Deutschland
       
       Nato-Chef Rutte gab am Montag in Berlin eine Art Vorgeschmack darauf, was
       die europäische Staaten, und insbesondere Deutschland erwartet. Alle
       Alliierten müssten mehr in Verteidigung investieren und er setze darauf,
       dass Deutschland weiterhin Schritte in diese Richtung unternehmen werde,
       sagte Rutte. Deutschland hat erstmals seit drei Jahrzehnten wieder zwei
       Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Waffen und Rüstung investiert.
       
       Als ehemaliger Ministerpräsident wisse er, dass es für Regierungen nicht
       immer einfach sei, Mittel für die nationale Verteidigung und für
       Unterstützung an die Ukraine bereitzustellen, ergänzte Rutte. Doch beides
       sei notwendig für die kollektive Sicherheit. Die Bundesregierung hat
       Verteidigungsausgaben in Höhe von rund 90,6 Milliarden Euro bei der Nato
       gemeldet. Dies entspricht einem BIP-Anteil von circa 2,1 Prozent.
       
       Scholz sicherte Rutte zu, dass Deutschland diesen Weg weitergehen wolle.
       Und: Beiden – Rutte wie Scholz – ist klar, dass die Europäer stärker in die
       Verantwortung gehen müssen. „Europa wird dafür in den kommenden Jahren
       erhebliche Investitionen tätigen“, so der Kanzler. „Es geht darum, jeder
       Bedrohung der Sicherheit in Europa begegnen zu können.“
       
       4 Nov 2024
       
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